Werbeslogan „einfachstes und effizientestes Lernmanagementsystem“ ist unzulässige Spitzenstellungswerbung

Unternehmer stehen permanent vor der Herausforderung, ihre Produkte und Dienstleistungen wirksam zu bewerben. Dabei wird oft zu Superlativen gegriffen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Doch wann ist eine solche Werbung noch zulässig und wann wird sie zur rechtlichen Stolperfalle? Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, AZ: 9 U 443/25, hat in einer aktuellen Entscheidung aus dem Juli klare Leitplanken für die sogenannte Spitzenstellungswerbung gesetzt und zugleich wichtige Aspekte zum Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen beleuchtet.


Worum ging es in dem Fall?

Zwei Unternehmen, beide Anbieter von digitalen Lernmanagement-Systemen (LMS), standen sich vor Gericht gegenüber. Das beklagte Unternehmen hatte sein Produkt auf seiner Website und in Google-Ads-Anzeigen mit den Slogans „das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem“ und „die einfachste & effizienteste LMS-Lösung“ beworben. Der Konkurrent sah darin eine unzulässige, irreführende Werbung und mahnte das Unternehmen ab.

Nachdem die Abmahnung zurückgewiesen wurde, landete der Fall vor dem Landgericht Mainz. Dieses wies den Antrag auf eine einstweilige Verfügung zunächst zurück. Zwar sah auch das Landgericht in der Werbung mit dem Begriff „effizienteste“ einen Wettbewerbsverstoß, stufte diesen jedoch als so geringfügig ein, dass es die Geltendmachung als rechtsmissbräuchlich ansah. Die Begründung: Die in der Abmahnung geforderte Vertragsstrafe und der angesetzte Gegenstandswert seien überhöht gewesen.


Die Entscheidung des OLG Koblenz:

Das OLG Koblenz korrigierte die Entscheidung der Vorinstanz und gab dem Kläger vollständig recht. Es verurteilte das beklagte Unternehmen, die Verwendung der Werbeslogans zu unterlassen. Die Richter stellten klar, dass es sich bei den Aussagen um sogenannte Spitzenstellungsbehauptungen handelt, die im Wettbewerbsrecht nur unter strengen Voraussetzungen zulässig sind.

1. Superlative sind objektiv nachprüfbar

Das Gericht argumentierte, dass Begriffe wie „einfachste“ und „effizienteste“ nicht bloße subjektive Werturteile oder leere Werbeanpreisungen sind. Vielmehr besitzen sie einen objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern. Die Effizienz einer Software lasse sich anhand von Kriterien wie Energie-, Kosten- und Zeiteffizienz messen, für die es sogar ISO-Normen gebe. Auch die „Einfachheit“ der Bedienung sei objektivierbar, etwa durch die Anzahl der Klicks, die intuitive Nutzerführung oder die Erfolgsquote der Anwender.

Wer mit solchen Superlativen wirbt, muss daher in der Lage sein, diese Spitzenstellung auch zweifelsfrei zu beweisen. Da das beklagte Unternehmen dies nicht konnte, war die Werbung irreführend und unlauter gemäß § 5 UWG. Solche Behauptungen sind besonders werbewirksam, da sie die Qualität des Produkts hervorheben und die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen können.

2. Kein Rechtsmissbrauch trotz hoher Forderungen in der Abmahnung

Ein zentraler Punkt der Entscheidung war die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs (§ 8c UWG). Das beklagte Unternehmen hatte argumentiert, die Abmahnung sei missbräuchlich, weil die geforderte Vertragsstrafe (10.000 €) und der angesetzte Gegenstandswert (30.000 €) überhöht seien.

Das OLG Koblenz widersprach dieser Auffassung deutlich:

  • Gegenstandswert: Ein Wert von 30.000 € für zwei separate Wettbewerbsverstöße (Website und Google Ads) wurde in diesem Fall nicht als unangemessen hoch eingestuft. Das Gericht berücksichtigte die große Reichweite der Werbung im Internet und das erhebliche wirtschaftliche Schadenspotenzial für den Konkurrenten. Eine solche Werbung stellt die Marktposition und die Produktqualität des Mitbewerbers in Frage.
  • Vertragsstrafe: Das einmalige Fordern einer möglicherweise überhöhten Vertragsstrafe begründet für sich allein noch keinen Rechtsmissbrauch. Das Gesetz (§ 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG) spricht von „Vertragsstrafen“ im Plural, was nahelegt, dass ein systematisches Vorgehen erforderlich ist.
  • Fehlerhafte Formulierungen: Auch unglückliche Formulierungen in der Abmahnung, wie die Verknüpfung von Unterlassungsanspruch und Kostenerstattung, führen nicht automatisch zur Annahme von Rechtsmissbrauch, solange ein starkes und nachvollziehbares Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes besteht.

Praktische Schlussfolgerungen

Die Entscheidung des OLG Koblenz führt zu folgenden Erkenntnissen:

  1. Vorsicht bei Superlativen: Werbung mit Begriffen wie „der Beste“, „der Schnellste“ oder „der Effizienteste“ ist extrem risikoreich. Eine solche Alleinstellung am Markt muss objektiv und lückenlos beweisbar sein. Gelingt das nicht, liegt eine irreführende und damit unzulässige Werbung vor, die teure Abmahnungen nach sich ziehen kann.
  2. Abmahnungen ernst nehmen: Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ist eine oft genutzte Verteidigungsstrategie, die aber nur selten erfolgreich ist. Die Hürden dafür liegen hoch. Es sollte nicht darauf vertraut werden, dass eine Abmahnung wegen kleinerer formaler Fehler oder hoher Forderungen als missbräuchlich eingestuft wird.
  3. Schnelles Handeln ist entscheidend: Das Gericht bestätigte zudem, dass die Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung nicht allein dadurch entfällt, dass ein Wettbewerbsverstoß schon länger andauert. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Mitbewerber davon Kenntnis erlangt. Es besteht keine generelle Pflicht für Unternehmen, den Markt permanent zu beobachten.

Im Zweifel empfiehlt es sich, auf nachprüfbare Fakten und klare Leistungsbeschreibungen zu setzen, anstatt sich auf das Glatteis der Superlativ-Werbung zu begeben.


Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 9 U 443/25

Print-Unterlassung endet nicht im Papierkorb – Online gilt mit

Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Köln (26. Juni 2025, Az. 14 O 165/24) zeigt: Wer eine Unterlassungserklärung wegen unlizenzierter Bildnutzung abgibt, muss mit einer weiten Auslegung rechnen – selbst dann, wenn das ursprünglich abgemahnte Medium ein anderes war als die letztlich streitige Veröffentlichung.

Ein Online-Händler hatte eines seiner Produktfotos, das er selbst professionell erstellt hatte, ohne seine Zustimmung in der Printausgabe einer Zeitschrift entdeckt. Der verantwortliche Verlag, der über 100 verschiedene Titel vertreibt, gab nach einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Diese bezog sich auf die öffentliche Zugänglichmachung genau dieses Bildes.

Wenig später stellte sich heraus: Auch in einer anderen Zeitschrift desselben Verlages war das Foto erschienen – bereits vor Abgabe der Unterlassungserklärung. Diese Zeitschrift war zwar nicht mehr im Handel erhältlich, aber weiterhin über eine digitale Presseplattform abrufbar. Der Verlag meinte, das falle nicht mehr unter die Unterlassungspflicht – schließlich sei das Heft „veraltet“ und die Erklärung habe sich nur auf die konkret abgemahnte Zeitschrift bezogen.

Gericht: Wortlaut der Erklärung genügt nicht – maßgeblich ist der Inhalt

Das Landgericht Köln sah das anders. Zwar war die ursprüngliche Abmahnung auf die gedruckte Verbreitung in einer bestimmten Zeitschrift gerichtet – die daraufhin formulierte Unterlassungserklärung bezog sich aber ausdrücklich auf die „öffentliche Zugänglichmachung“ des Bildes. Damit war der Wortlaut technisch auf digitale Nutzungen im Sinne von § 19a UrhG gerichtet – obwohl der Streit eigentlich die Printnutzung betraf (§ 17 UrhG).

Deshalb war es erforderlich, die Erklärung nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen: Aus Sicht des Gerichts war klar, dass der Fotograf nicht nur eine bestimmte Veröffentlichung, sondern jede weitere Nutzung des Bildes unterbinden wollte – egal, ob gedruckt oder digital. Der Verlag hätte demnach prüfen müssen, ob das Bild noch in anderen Ausgaben verwendet wurde – und insbesondere über digitale Dienste weiterhin abrufbar war.

Fazit des Gerichts:

  • Die Unterlassungserklärung war umfassend auszulegen.
  • Auch die Nutzung in anderen, bereits veröffentlichten Heften ist umfasst, sofern diese noch digital abrufbar sind.
  • Der Verlag hätte aktiv auf die Plattform einwirken müssen, um die Inhalte dort entfernen zu lassen.

Resultat:

  • Vertragsstrafe: 6.000 €
  • Ersatz beider Abmahnkosten
  • Zinszahlungen
  • vollständige Kostentragung des Verfahrens durch den Verlag

Was Unternehmer daraus lernen sollten:

  • Unterlassungserklärungen gelten umfassend – nicht nur für das konkret abgemahnte Medium, sondern für jede gleichartige Nutzung.
  • Wer viele Inhalte über verschiedene Kanäle veröffentlicht, muss intern sicherstellen, dass Verstöße umfassend geprüft und abgestellt werden.
  • Digitale Nachverwertungen – etwa über Plattformen – müssen zwingend berücksichtigt werden.

Gericht: Landgericht Köln
Datum: 26. Juni 2025
Aktenzeichen: 14 O 165/24

BGH: Keine Vollstreckung aus alten Unterlassungstiteln ohne Listeneintrag – IDO unterliegt

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17. Juli 2025, I ZR 243/24, entschieden, dass Wirtschaftsverbände, die nicht in die Liste qualifizierter Verbände nach § 8b UWG eingetragen sind, keine älteren wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel mehr vollstrecken dürfen. Der Fall betraf den IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. – und stellt eine konsequente Fortführung der Linie dar, die wir bereits in unserem Beitrag vom 14. Mai 2025 zum OLG Köln beschrieben haben.

Hintergrund: Listeneintragung als Voraussetzung für Anspruchsberechtigung

Seit dem 1. Dezember 2021 dürfen nur noch solche Verbände wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen, die beim Bundesamt für Justiz in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die Übergangsregelung des § 15a UWG schützt lediglich die Klagebefugnis in bereits anhängigen Verfahren – nicht jedoch das Recht, aus älteren Titeln zu vollstrecken. Diese Abgrenzung ist entscheidend.

Der Fall: Vollstreckungsversuch durch den IDO

Der IDO hatte im Jahr 2020 gegen ein Handelsunternehmen aus dem Bereich Tierbedarf einen Unterlassungstitel erstritten. Im Jahr 2024 beantragte der Verband ein Ordnungsgeld wegen angeblicher Zuwiderhandlung. Das betroffene Unternehmen erhob daraufhin Vollstreckungsabwehrklage mit der Begründung, dem IDO fehle es mangels Listeneintragung an der erforderlichen Sachbefugnis.

Während das Landgericht die Klage für begründet hielt, wies das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage ab. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf und stellte klar: Ohne Listeneintrag ist keine Vollstreckung zulässig.

Unsere Einschätzung der Entscheidung

Der BGH betont: Ein Unterlassungstitel wirkt in die Zukunft. Wer im Zeitpunkt der Vollstreckung nicht mehr anspruchsberechtigt ist, kann aus einem Titel auch dann nicht mehr vollstrecken, wenn dieser vor der Gesetzesänderung ergangen ist. Die Übergangsregelung des § 15a UWG bezieht sich ausdrücklich nur auf Klageverfahren, nicht auf Zwangsvollstreckung.

Diese Klarstellung schafft dringend benötigte Rechtssicherheit für Unternehmen, die sich nach Jahren mit alten Titeln konfrontiert sehen. Die Entscheidung ist zugleich eine klare Absage an die Praxis des IDO, mit veralteten Unterlassungstiteln weiter Druck auf Unternehmen auszuüben.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Wir empfehlen Unternehmern, bei jedem Vollstreckungsversuch durch einen Verband zu prüfen, ob dieser überhaupt noch in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen ist. Ist das nicht der Fall, bestehen gute Erfolgsaussichten für eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO.

Auch bestehende Unterlassungsverpflichtungen – insbesondere gegenüber dem IDO – sollten erneut geprüft werden. Wie wir bereits in unserem Beitrag vom 14. Mai 2025 zum OLG Köln gezeigt haben, können diese gegebenenfalls wirksam gekündigt werden.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum der Entscheidung: 17. Juli 2025
Aktenzeichen: I ZR 243/24

Werbung mit alten Adressen – Wann eine Vertragsstrafe droht und wann nicht

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem aktuellen Beschluss wichtige Leitlinien zur Auslegung von Unterlassungserklärungen bei irreführender Werbung klargestellt. Der Fall betrifft zwei selbstständige Ergotherapeuten, die sich über die Angabe alter Praxisstandorte stritten. Die Entscheidung ist für alle Freiberufler und Unternehmer relevant, die Online-Präsenz und Adressangaben aktuell halten müssen.

Worum ging es?

Ein Ergotherapeut hatte auf seiner Website weiterhin mehrere frühere Praxisadressen aufgeführt, obwohl er nur noch eine Praxis tatsächlich betrieb. Die Mitbewerberin mahnte ihn deswegen ab und verlangte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Der Beklagte unterzeichnete diese Erklärung, fügte aber einen Zusatz hinzu, dass er für Internet-Einträge Dritter (z. B. Bewertungsportale) nicht verantwortlich sei. Später wies Google seine alten Praxisstandorte nur noch als „dauerhaft geschlossen“ aus. Dennoch verlangte die Klägerin eine Vertragsstrafe von über 10.000 €, weil sie der Meinung war, auch der bloße Hinweis auf geschlossene Praxen sei wettbewerbswidrig.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Nürnberg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und stellte klar:

  • Keine Irreführung bei klarer Kennzeichnung als geschlossen
    Ein Eintrag, der deutlich macht, dass ein Praxisstandort „dauerhaft geschlossen“ ist, erweckt nicht den Eindruck, dort werde noch behandelt. Daher liegt kein wettbewerbswidriger Verstoß nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor.
  • Keine Kerngleichheit mit ursprünglicher Irreführung
    Die ursprüngliche Abmahnung betraf die aktive Täuschung über tatsächlich betriebene Praxen. Ein bloßer Hinweis auf geschlossene Standorte sei davon rechtlich zu unterscheiden. Deshalb konnte die Klägerin keine Vertragsstrafe geltend machen.
  • Schutz des Vertrauens des Unterlassungsschuldners
    Besonders relevant für die Praxis: Der Beklagte hatte Screenshots aller Änderungen vorgelegt und nach Rückfrage die Rückmeldung der Klägerseite erhalten, dass die Angelegenheit erledigt sei. Das Gericht bewertete dieses Verhalten als schutzwürdiges Vertrauen. Wer dem Gegner mitteilt, alles sei erledigt, kann später nicht mehr Vertragsstrafe verlangen.
  • Keine Verpflichtung zu vollständiger Löschung bei Dritten ohne Zumutbarkeit
    Auch eine Verpflichtung, bei allen Drittanbietern eine komplette Löschung zu erreichen, besteht nicht uneingeschränkt. Zumutbarkeit und technische Einflussmöglichkeiten müssen geprüft werden.

Fazit

Das Urteil zeigt, dass Vertragsstrafen nur dann greifen, wenn ein Wettbewerbsverstoß tatsächlich vorliegt und der Unterlassungsschuldner auch für die angegriffenen Inhalte verantwortlich ist. Unternehmer sollten daher sorgfältig prüfen, was genau Gegenstand einer Unterlassungserklärung ist und wie sie im Streitfall ausgelegt werden könnte.

Außerdem macht die Entscheidung deutlich, dass Unterlassungserklärungen in der Regel nicht weiter reichen, als es die gesetzlichen Verbote vorsehen. Bei der Auslegung wird deshalb regelmäßig berücksichtigt, dass der Inhalt der Erklärung dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch entspricht und nicht darüber hinausgeht.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum der Entscheidung: 06.02.2025
Aktenzeichen: 3 U 2143/24
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 12701

OLG Köln: Unterlassungsvertrag mit dem IDO-Verband wirksam gekündigt – Stärkung für Unternehmer gegen missbräuchliche Abmahnungen

Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass ein Unternehmen einen mit dem IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO-Verband) geschlossenen Unterlassungsvertrag wirksam außerordentlich kündigen kann, wenn der Verband nicht mehr die gesetzlichen Voraussetzungen für Abmahnungen erfüllt. Der IDO-Verband ist seit Jahren für seine massenhaften Abmahnungen bekannt und steht in der Kritik, rechtsmissbräuchlich zu handeln.

Worum ging es?

Die Klägerin hatte mit dem IDO-Verband in den Jahren 2015 und 2018 Unterlassungsverträge geschlossen, um wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Im April 2022 kündigte sie diese Verträge außerordentlich, da der IDO-Verband nicht in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen war – eine Voraussetzung, um weiterhin Abmahnungen aussprechen zu dürfen. Zudem bestehen Zweifel an der Seriosität früherer Abmahnungen des Verbandes.

Der IDO-Verband argumentierte, seine Klagebefugnis könne wiederaufleben, sobald er eingetragen werde, und berief sich auf die Übergangsvorschrift des § 15a UWG.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und erklärte die Kündigung für wirksam. Es erkannte das Fehlen der Eintragung als qualifizierten Verband als ausreichenden wichtigen Grund im Sinne des § 314 BGB an. Das Gericht stellte klar, dass auch Altunterlassungsverträge gekündigt werden können, wenn der Gläubiger – hier der IDO-Verband – seine gesetzlich vorgesehene Klagebefugnis verliert. Die Klägerin müsse es nicht hinnehmen, durch einen nicht mehr qualifizierten Verband weiter kontrolliert zu werden. Entscheidend sei der Zeitpunkt der Kündigung – und zu diesem war der Verband nicht mehr sachbefugt.

Hintergrund zum IDO-Verband

Der IDO-Verband ist seit Jahren für seine massenhaften Abmahnungen bekannt und steht in der Kritik, rechtsmissbräuchlich zu handeln. So hatte das OLG Hamm in einem Urteil festgestellt, dass die Abmahntätigkeit des IDO in der Vergangenheit rechtsmissbräuchlichen Charakter hatte. Der BGH hob dieses Urteil zwar auf, verwies den Fall aber zur erneuten Prüfung zurück und betonte die Notwendigkeit einer genauen Prüfung bei zahlreichen nicht weiterverfolgten Abmahnungen.

Zudem ist der IDO-Verband unter Online-Händlern für seine Umtriebigkeit berüchtigt. Eine Abmahnwelle folgt der nächsten – stets nach dem gleichen Muster. Immer wieder geht es um Wettbewerbsverstöße, die sich einfach aufspüren lassen und dann massenhaft abgemahnt werden.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung ist ein starkes Signal an Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich gegen Altverträge mit Abmahnverbänden wie dem IDO-Verband zur Wehr setzen wollen. Wer durch einen solchen Verband vor Inkrafttreten der UWG-Reform zur Unterlassung verpflichtet wurde, kann unter bestimmten Umständen die Vertragsbindung durch außerordentliche Kündigung lösen.

Fazit

Das Urteil des OLG Köln stärkt die Rechte von Unternehmen gegen missbräuchliche Abmahnpraktiken. Es zeigt deutlich, dass nur qualifizierte und gesetzeskonforme Verbände berechtigt sind, wettbewerbsrechtlich tätig zu werden. Abmahnvereine wie der IDO-Verband, die diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, können sich nicht auf alte Unterlassungsverträge stützen.

Hinweis: Die Entscheidung des OLG Köln ist noch nicht rechtskräftig.

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum der Entscheidung: 04.04.2025
Aktenzeichen: 6 U 116/24
Vorinstanz: LG Köln, Urteil vom 31.10.2024 – 33 O 127/24
Veröffentlichung: MIR 2025, Dok. 031

BGH zur Frage, was unter dem Begriff „recht viele Personen“ zu verstehen ist.

Der BGH (Urteil vom 27.05.2021, Az.: I ZR 119/20) musste über einen Sachverhalt entscheiden, der als Folge einer Abmahnung wegen der Verletzung von Urheberrechten an Fotografien vorkommen kann:

Ein Fotograf mahnt wegen der Verletzung eines Urheberrechts an einer Fotografie ab, weil das Foto auf einer Webseite benutzt wird. Der Webseitenbetreiber gibt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Im Folgenden wird das entsprechende Foto zwar von der Webseite entfernt, nicht jedoch vom Server gelöscht, aus dem Cache von Suchmaschinen entfernt etc., so dass das Foto über das Internet noch auffindbar ist. Typisch an diesen Fällen ist, dass die Aufrufbarkeit z.B. nur durch Eingabe eines direkten, sehr langen Links möglich ist. In solchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen wurde, also eine Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes zu bezahlen ist.

Zahlreiche Gerichte haben dies in den letzten Jahren bejaht. Im letzten Jahr hat das OLG Frankfurt in einem Urteil vom 16.06.2020 (ZUM-RD 2020, 508) Gegenteiliges entschieden: Es setzte sich dabei mit der Frage auseinander, ob in einem solchen Fall tatsächlich eine „öffentliche Zugänglichmachung“ vorliegt. Dabei stützte sich das OLG Frankfurt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu den Voraussetzungen dieser öffentlichen Zugänglichmachung. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es u.a. erforderlich, dass bei einer öffentlichen Zugänglichmachung ein bestimmtes Werk „recht vielen Personen“ zugänglich gemacht wird. Dabei hat es der EuGH stets offengelassen, was unter „recht viele Personen“ zu verstehen ist. Das OLG Frankfurt war nun der Auffassung, dass jedenfalls dann keine „recht viele Personen“ vorliegen, wenn z.B. ein Foto nur über die Eingabe eines direkten Links, welcher 70 Zeichen umfasst, aufrufbar ist. Ganz nach dem – sicherlich naheliegenden – Motto: „Kein Mensch wird einen solchen langen Link kennen und in seinen Browser eingeben“.

Der unterlegene Rechteinhaber legte Revision ein, so dass der BGH nun die Entscheidung des OLG Frankfurt zu prüfen hatte. Der BGH bestätigte die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt: einen solchen Link in den Browser eingeben werden nur Personen, die die entsprechende Web-Adresse vorher gekannt haben. Und dieser Personenkreis sei so begrenzt, dass man unter Zugrundelegung der EuGH-Rechtsprechung in solchen Fällen nicht von „recht vielen Personen“ ausgehen könne.

Leider blieb eine wichtige, praxisrelevante Frage offen:

Nämlich die Antwort auf die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn z.B. die Fotografie auch über eine Suchmaschine, z.B. über die Google-Bildersuche, noch auffindbar ist. Der BGH musste sich deshalb nicht mit dieser Problemstellung befassen, weil in dem zugrundeliegenden Fall dieses Argument verspätet vorgebracht worden ist, weswegen dieses Argument im Rahmen der Urteilsfindung nicht mehr zu berücksichtigen war.

Und deshalb bleibt es auch trotz dieser Entscheidung wichtig, dass z.B. nach Abgabe einer Unterlassungserklärung der Webseitenbetreiber dafür Sorge trägt, dass das Foto aus dem Cache der Suchmaschinen verschwindet und das Foto auch tatsächlich vom eigenen Server unwiderruflich gelöscht wird.

Amazon-Händler haftet nicht für den Inhalt von Kundenbewertungen

In einem vom BGH (Urteil vom 20.02.2020, Az.: I ZR 193/18 – „Kundenbewertungen auf Amazon“) entschiedenen Fall ging es um eine Klage des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen einen Händler, der auf Amazon sog. Kinesiologie-Tapes anbot und verkaufte.

Der Händler bot im Jahre 2013 seine Tapes mit diversen Werbeaussagen zur Wirkweise der Tapes an, die vom Verband Sozialer Wettbewerb abgemahnt wurden. Bezüglich einiger Aussagen verpflichtete sich der Händler zur Unterlassung und gab entsprechend eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab.

Ca. vier Jahre später, im Januar 2017, bot der Händler auf der Plattform Amazon erneut seine Kinesiologie-Tapes an. Unter dem Angebot waren die bei Amazon üblichen Kundenbewertungen abrufbar. In manchen dieser Kundenbewertungen waren Äußerungen enthalten, zu deren Unterlassung sich der Händler seinerzeit im Jahre 2013 gegenüber dem Verband verpflichtet hatte.

Der Verband forderte nun vom Händler für die Äußerungen in den Kunden-Rezensionen eine erneute Unterlassungserklärung und darüber hinaus die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 4.500,00.

Dieses Mal weigerte sich der Händler und der Verband Sozialer Wettbewerb erhob Klage auf Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe.

Nachdem bereits das Landgericht und auch das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hatte, bestätigte der BGH im Revisionsverfahren die Klagabweisung.

Der BGH entschied, dass ein Händler nicht für Aussagen in den Kundenbewertungen einzustehen habe, wenn er sich diese nicht zu eigen mache.

Ein solches Zueigenmachen liege nur dann vor, wenn der Händler nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen der Kunden übernehme oder den zurechenbaren Anschein erwecke, er identifiziere sich mit dem Inhalt der Äußerungen.

Da Kunden-Rezensionen bei Amazon üblich sind und darüber hinaus auch ein großes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung solcher Kundenmeinungen bestehe, liege kein Zueigenmachen vor, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher mit den Grundzügen des Bewertungssystems von Amazon vertraut sei und wisse, dass die dortigen Aussagen nicht vom Händler selbst getroffen worden seien. Es sei daher klar erkennbar, dass die Kunden-Rezensionen nicht Teil des Angebots oder der Werbung des Händlers seien, so der BGH.

Lediglich dann, wenn ein Händler selbst irreführende oder gefälschte Kundenbewertungen abgebe oder er für die Abgabe von Kundenbewertungen zahle, könne ihm eine Kundenbewertung selbst als Werbung zugerechnet werden. Da im vorliegenden Fall dies nicht ersichtlich sei, wurde die Klage in allen Punkten abgewiesen.

Die BGH-Entscheidung ist insoweit erfreulich, als dass sie klarstellt, dass sich ein Händler die Äußerungen von Kunden nicht zurechnen lassen muss. Eine gegenteilige Entscheidung hätte einen großen Aufwand für Händler bedeutet: ein Händler hätte dann regelmäßig die Bewertungen auf unzulässige Aussagen hin überprüfen müssen.

Darüber hinaus zeigt der Fall aber auch, wie problematisch die Abgabe einer Unterlassungserklärung gerade gegenüber einem Verband sein kann:

Der beklagte Händler hatte 2013 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Und gut vier Jahre später wurde er erneut vom Verband nun auch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen.

Dies zeigt, dass gerade solche Verbände ein großes Interesse an der Überwachung abgegebener Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen haben, weil sie daraus Vertragsstrafenansprüche generieren können. Dies spricht dafür, dass man gerade gegenüber einem abmahnenden Verband keine solche Unterlassungserklärung abgibt, sondern stattdessen eine Unterlassungsklage oder eine einstweilige Verfügung kassiert. Denn bei einem etwaigen Verstoß gegen ein Urteil oder eine einstweilige Verfügung muss man „nur“ ein Ordnungsgeld an die Staatskasse zahlen. Damit ist das Interesse des Verbandes, das Unterlassungsurteil zu überwachen, deutlich geringer als bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung, weil die Vertragsstrafe in den Geldbeutel des Verbandes fließt.

Rückruf bereits ausgelieferter und mit wettbewerbswidriger Werbung versehener Produkte

Der BGH musste sich mit Frage befassen, ob ein Unternehmen, das wegen einer wettbewerbswidrigen Werbung eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, bereits ausgelieferte Ware zurückrufen muss, damit dieses Unternehmen nicht gegen die Unterlassungserklärung verstößt (BGH, Urteil vom 04.05.2017, AZ I ZR 208/15).

Der BGH urteilte, dass sich das Unternehmen zumindest um einen Rückruf bemühen muss.

Auch bei Wettbewerbsverstößen sei derjenige, der eine Unterlassungserklärung abgibt, nicht nur zur Unterlassung verpflichtet. Von dieser Pflicht seien auch Handlungen erfasst, die dazu notwendig sind, den wettbewerbswidrigen Zustand zu beseitigen.

Anders als die Vorinstanz entschied der BGH, dass der Abnehmer der mit der wettbewerbswidrigen Werbung gekennzeichneten Ware kein Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB des wettbewerbswidrig werbenden Unternehmens sei. Hätte der BGH dies, wie das OLG, bejaht, hätte dies zur Konsequenz gehabt, dass das betroffenen Unternehmen auch für das Verschulden des Abnehmers einzustehen hat, was eine sehr weitreichende Haftung nach sich gezogen hätte.

Allerdings bejaht der BGH die Pflicht des abgemahnten und zur Unterlassung verpflichteten Unternehmens alles dafür zu tun, dass kein Weiterverkauf der unlauter gekennzeichneten Ware möglich ist:

„Das OLG ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund eigenen Fehlverhaltens haftet. Ist der Unterlassungsschuldner zur Vornahme von Handlungen verpflichtet, kann dies die Verpflichtung umfassen, auf Dritte einzuwirken, um diese zu einem Tun oder einem Unterlassen anzuhalten. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Er ist verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken, soweit dies zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands erforderlich ist.

Danach muss ein Schuldner, dem gerichtlich untersagt worden ist, ein Produkt mit einer bestimmten Aufmachung zu vertreiben oder für ein Produkt mit bestimmten Angaben zu werben, grundsätzlich durch einen Rückruf des Produkts dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden. Dasselbe gilt, wenn der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung eine entsprechende Unterlassungsverpflichtung übernommen hat. Die Verpflichtung des Unterlassungsschuldners, bereits ausgelieferte und mit einer wettbewerbswidrigen Werbung versehene Produkte zurückzurufen, setzt nicht voraus, dass ihm gegen seine Abnehmer rechtlich durchsetzbare Ansprüche auf Unterlassung der Weiterveräußerung oder auf Rückgabe dieser Produkte zustehen.“

Mit anderen Worten:

Das Unternehmen hätte auf seinen Abnehmer zumindest einwirken müssen, dass dieser die unlauter gekennzeichnete Ware wieder zurück sendet oder zumindest die wettbewerbswidrige Werbung von der Verpackung entfernt bzw. diese überklebt. Weil dies nicht erfolgt ist, wurde das Unternehmen zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt.

Löschungspflicht nach abgegebener Unterlassungserklärung umfasst auch die Entfernung aus dem Google Cache

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 03.09.2015, Az.: I-15 U 119/14, entschieden, dass derjenige, der eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt, verpflichtet ist, alles Erforderliche zu tun, damit eine Zuwiderhandlung unterbleibt.

Nach Auffassung des OLG gehört dazu auch, dass der Abgemahnte Dritte über die übernommene Verpflichtung informiert und entsprechende Anordnungen zur Sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtung trifft und diese dann überwacht.  Dies umfasst nach Meinung des Gerichts auch die Löschung aus dem Google Cache:

„Der Beklagte war aufgrund der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 05.01.2012 auch verpflichtet, die Suchmaschine Google zur Löschung der streitgegenständlichen Einträge, auch aus dem Cache, aufzufordern.“

Die beanstandete Werbung war über den Google Cache weiterhin auffindbar, so dass das Gericht einen Verstoß und damit die Verwirkung einer Vertragsstrafe bejahte.

Dieses Urteil zeigt, wie sorgfältig derjenige agieren muss, der eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgibt und wie schnell eine Vertragsstrafe gezahlt werden muss, wenn nicht alles getan wird, um die Verletzungshandlung zu beseitigen. Dies wiederum kann dafür sprechen, dass es in manchen Fällen besser sein kann, keine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben und stattdessen eine einstweilige Verfügung gegen sich ergehen zu lassen.