Irreführende Werbung auf Ticket-Marktplätzen: Wenn „Originalpreis“ und „Weiterverkauf“ in die Irre führen

Unternehmer, die Online-Marktplätze betreiben, stehen vor einer besonderen Herausforderung. Sie müssen nicht nur eine technische Plattform bereitstellen, sondern auch sicherstellen, dass die dort getätigten Angaben den strengen Anforderungen des Lauterkeitsrechts genügen. Das Landgericht Karlsruhe (AZ: 13 O 78/24 KfH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Verantwortlichkeit eines Betreibers eines Ticket-Zweitmarktes konkretisiert und dabei wichtige Grundsätze für den digitalen Handel festgelegt.

Der Fall: Ticketkauf mit Tücken

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein gegen den Betreiber eines bekannten Online-Marktplatzes für Veranstaltungstickets. Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei zentrale Punkte:

  1. Die Personalisierung von Tickets: Für ein Konzert wurden Tickets angeboten, die personalisiert waren. Das bedeutet, der Zutritt zur Veranstaltung ist nur der Person gestattet, deren Name auf dem Ticket steht. Trotz dieses Umstands warb die Plattform mit dem Hinweis „can resell if plans change“ (kann weiterverkauft werden, wenn sich Pläne ändern). Dies erweckte den Eindruck, die Tickets könnten problemlos weiterverkauft werden, was aber gerade nicht der Fall war.
  2. Der „Originalpreis“: Bei einem anderen Konzert wurde ein sogenannter „Originalpreis“ für die Tickets angegeben, der deutlich höher lag als der tatsächliche Erstmarktpreis des Veranstalters. Die Plattform hatte diese Angabe ungeprüft von den Verkäufern übernommen, was den potenziellen Käufern suggerierte, sie würden ein besonders günstiges Angebot erwerben.

Das Gericht musste entscheiden, ob der Marktplatzbetreiber für diese irreführenden Angaben haftbar ist, obwohl er die Tickets nicht selbst verkauft.

Die Entscheidung: Klare Verantwortlichkeit für Plattformbetreiber

Das Landgericht Karlsruhe gab dem Verbraucherschutzverein in den wesentlichen Punkten recht. Es stellte fest, dass die Plattform in beiden Fällen unlauter handelte.

  • Haftung für fehlende Hinweise: Das Gericht sah den Hinweis auf die Personalisierung als eine wesentliche Information im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an. Das Risiko, mit einem nicht auf den eigenen Namen lautenden Ticket abgewiesen zu werden, stellt für den Käufer einen erheblichen Nachteil dar. Die Aussage, ein Ticket könne problemlos weiterverkauft werden, ist unter diesen Umständen irreführend und unzulässig. Es reicht nicht aus, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinzuweisen, dass man die Angaben der Verkäufer nicht prüft.
  • Irreführung durch den „Originalpreis“: Die Verwendung des Begriffs „Originalpreis“ ohne den klaren Hinweis, dass es sich dabei um eine ungeprüfte Angabe des Verkäufers handelt, wertete das Gericht als Irreführung. Der Begriff „Original“ erweckt den Eindruck, der angegebene Preis sei der vom Veranstalter festgesetzte wahre Preis. Dies schaffe, so das Gericht, eine Täuschung über den tatsächlichen Preis und damit eine Irreführung des Verbrauchers.

Das Gericht betonte, dass die Haftung eines Marktplatzbetreibers umso größer wird, je mehr er die Gestaltung der Plattform über ein reines „Kleinanzeigen-Erscheinungsbild“ hinaus verantwortet. Eine professionell aufgemachte Plattform, die eigene Elemente wie den „Originalpreis“ oder Hinweise zur Weiterverkäuflichkeit hinzufügt, kann sich nicht hinter dem Argument verstecken, sie sei nur ein neutraler Vermittler. Sie übernimmt eine eigene Verantwortung für die Richtigkeit der präsentierten Informationen.

Interessant ist, dass die Klage in einem Punkt abgewiesen wurde. Die geforderte Information über Altersbeschränkungen wurde vom Gericht nicht als „wesentliche Information“ eingestuft. Begründung: Für einen durchschnittlichen Verbraucher, der ein Konzert der betroffenen Band besucht, ist die Annahme, Minderjährige würden alleine das Konzert besuchen, nicht realistisch. Die Plattform richtete sich zudem nicht primär oder ausschließlich an Minderjährige.

Fazit für Unternehmer

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle Betreiber von Online-Marktplätzen. Sie verdeutlicht, dass eine rein passive Rolle im E-Commerce immer schwieriger wird.

  • Unternehmen müssen bei der Gestaltung ihrer Plattformen sorgfältig vorgehen. Eigene Beschreibungen oder Funktionen, die den Anschein einer Überprüfung oder Bestätigung der Angaben Dritter erwecken, können zu einer eigenen Haftung führen.
  • Wenn wesentliche Informationen, die für die Kaufentscheidung relevant sind, fehlen oder irreführend dargestellt werden, kann der Marktplatzbetreiber direkt in die Verantwortung genommen werden.
  • Ein allgemeiner Haftungsausschluss in den AGB reicht nicht aus, um sich vor den Ansprüchen des Lauterkeitsrechts zu schützen. Transparenz ist hier das oberste Gebot.

Gericht: Landgericht Karlsruhe
Datum: 24.09.2025
Aktenzeichen: 13 O 78/24 KfH
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 24182

OLG Karlsruhe: Irreführende Werbung mit angeblich fehlender Meldepflicht beim Online-Kauf von Edelmetallen

Im digitalen Zeitalter boomt der Online-Handel mit Edelmetallen. Doch auch hier müssen sich Händler an die Regeln des Wettbewerbsrechts halten. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem aktuellen Urteil eine zentrale Frage zur Zulässigkeit von Werbeaussagen im Zusammenhang mit dem Geldwäschegesetz (GwG) geklärt und eine Werbung als irreführend eingestuft.

Der Fall: Onlineshop wirbt mit fehlender Meldepflicht

Ein Händler für Edelmetalle bewarb seinen Onlineshop mit der Aussage „Bestellungen über 2.000 € sind bei uns nicht meldepflichtig!“. In der weiteren Beschreibung wurde ausgeführt, dass „Online-Bestellungen…nämlich nicht der gesetzlichen Meldepflicht“ unterliegen, im Gegensatz zu „Barkäufen im stationären Handel“. Der Händler stellte dies als Vorteil seines Angebots dar, der unter anderem für „volle Diskretion und Anonymität“ sorgen solle.

Ein qualifizierter Wirtschaftsverband, dem zahlreiche Münzhändler angehören, sah darin eine irreführende und unzulässige Werbung und mahnte den Händler ab. Da dieser die Abgabe einer Unterlassungserklärung verweigerte, wurde eine einstweilige Verfügung beantragt. Das Landgericht wies den Antrag zunächst ab, da die Werbung nach seiner Ansicht lediglich auf einen generellen Vorteil des Online-Handels hinweise.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das OLG Karlsruhe folgte in der Berufung der Argumentation des Verbandes und gab dem Unterlassungsantrag statt. Es stellte klar, dass die fragliche Werbeaussage eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellt.

Entscheidend war für das Gericht die Gesamtschau der Werbung. Die Aussage des Händlers erweckt bei einem durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, dass eine Barzahlung von über 2.000 € in einem Ladengeschäft zwangsläufig eine Meldepflicht gegenüber den Finanzbehörden nach sich ziehen würde. Dies ist jedoch objektiv falsch.

Das Gericht stellte in den Urteilsgründen klar, dass das Geldwäschegesetz keine generelle Meldepflicht für Barzahlungen ab 2.000 € kennt. Eine Meldepflicht nach § 43 GwG besteht vielmehr nur bei konkreten Verdachtsfällen – unabhängig von der Höhe der Transaktion oder der Art der Bezahlung (bar, Überweisung etc.). Es gibt also keinen rechtlichen Vorteil des Online-Handels gegenüber dem stationären Handel, wie er vom beklagten Händler behauptet wurde. Die Werbeaussage ist daher eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, Verbraucher zu täuschen.

Das OLG betonte, dass die Behauptung, Barzahlungen in Ladengeschäften würden zwangsläufig eine Meldung ans Finanzamt auslösen, die Kaufentscheidung erheblich beeinflussen kann. Die bloße Möglichkeit von behördlichen Nachfragen ist für einen Teil der Marktteilnehmer bereits ein Motiv, sich für einen Online-Kauf zu entscheiden. Da diese Annahme falsch ist, handelt es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung.

Fazit für Unternehmer

Das Urteil unterstreicht, wie wichtig es ist, Werbeaussagen sorgfältig zu prüfen, insbesondere wenn sie sich auf rechtliche Sachverhalte beziehen. Eine vermeintliche „Grauzone“ oder ein „Vorteil“, der in der Realität nicht existiert, kann schnell zu einer teuren Abmahnung oder Unterlassungsklage führen. Selbst wenn die Aussage auf den ersten Blick harmlos wirkt, ist entscheidend, welchen Gesamteindruck sie beim Verbraucher hinterlässt. Die beworbene Abwesenheit einer angeblich existierenden rechtlichen Einschränkung kann ebenso irreführend sein wie die falsche Behauptung positiver Eigenschaften.

  • Gericht: OLG Karlsruhe
  • Datum: 19.09.2025
  • Aktenzeichen: 14 U 72/25

Markenverletzung im Online-Handel: Der EuGH klärt, wo und was der „Besitz“ von Waren ist

Der Online-Handel kennt keine nationalen Grenzen. Waren werden oft in einem Land gelagert und aus einem anderen heraus verkauft, um sie in ein drittes Land zu liefern. Dies wirft im Markenrecht die Frage auf, wo eine Markenverletzung überhaupt stattfindet und wer dafür haftet. Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) wichtige Klarstellungen vorgenommen, die für alle im E-Commerce tätigen Unternehmen von großer Relevanz sind.

Die Ausgangslage: Eine Markenrechtsklage über Ländergrenzen hinweg

Im Zentrum des Verfahrens stand eine spanische Online-Händlerin, die über ihre Website und Amazon.de Tauchzubehör bewarb, das mit Zeichen versehen war, die den Marken eines deutschen Unternehmens identisch waren. Der deutsche Markeninhaber klagte auf Unterlassung, auch wegen des unbefugten Besitzes der Waren. Die spanische Händlerin argumentierte, dass sich der Besitz der Waren in Spanien befand, also außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Marken. Dies führte zur entscheidenden Frage, ob eine Markenverletzung auch dann vorliegt, wenn der Besitz der Ware in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegt, die Waren aber für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind.

Die Entscheidung des EuGH: Besitz im Ausland kann Markenrechte verletzen

Der EuGH stellte klar, dass der Inhaber einer nationalen Marke einem Dritten verbieten kann, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Waren zu besitzen, wenn der Zweck dieses Besitzes der Verkauf oder das Inverkehrbringen der Waren im Schutzland ist. Der Gerichtshof betonte, dass der Schutz einer Marke, obwohl er grundsätzlich auf das Territorium des Eintragungsstaates beschränkt ist, seine Wirksamkeit nicht verlieren darf. Wenn sich ein Online-Angebot an Verbraucher in Deutschland richtet, kann die deutsche Marke auch im Ausland durch den Besitz der Waren verletzt werden. Die bloße Zugänglichkeit einer Website reicht dafür zwar nicht aus, aber relevante Indizien wie Liefergebiete oder die Nutzung einer länderspezifischen Domain wie amazon.de können dies belegen.

Der Begriff des „Besitzes“: Unmittelbar oder mittelbar?

Eine weitere zentrale Frage war, was unter dem Begriff „Besitz“ zu verstehen ist. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Im Online-Handel über Logistikdienstleister wie Amazon haben Händler oft keinen unmittelbaren physischen Zugriff auf die Waren, sondern nur einen mittelbaren. Der EuGH entschied, dass für eine Markenverletzung auch der mittelbare Besitz ausreicht. Ein Unternehmen muss nicht die tatsächliche, unmittelbare Herrschaft über die Waren haben, sondern es genügt eine Aufsichts- oder Leitungsbefugnis gegenüber der Person, die die physische Kontrolle über die Waren hat (z. B. ein Logistikdienstleister oder Spediteur). Eine andere Auslegung würde den Markenschutz im modernen E-Commerce, wo Händler oft mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, erheblich aushöhlen.

Fazit: Erweitertes Risiko für Online-Händler

Die Entscheidung des EuGH stärkt die Position von Markeninhabern im Online-Handel erheblich. Sie verdeutlicht, dass eine Markenverletzung nicht mehr nur am physischen Ort der Ware stattfindet, sondern auch dort, wo das Angebot die Verbraucher erreicht.

Online-Händler, die markenidentische Waren aus einem EU-Land in ein anderes liefern lassen, müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur für den Verkauf oder das Anbieten, sondern bereits für den Besitz dieser Waren im Ausland haftbar gemacht werden können, wenn die Waren für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind. Dies gilt auch, wenn die Waren über Dritte wie Logistikzentren gelagert werden.


Gericht: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
Datum: 1. August 2025
Aktenzeichen: C-76/24

OLG Stuttgart: „Bezahlen mit Daten“ ist kein Preis im Rechtssinn – „Lidl Plus“-App darf als kostenlos bezeichnet werden

In einer grundlegenden Entscheidung für die digitale Wirtschaft hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands gegen die Lidl Stiftung & Co. KG abgewiesen. Im Kern ging es um die Frage, ob die Bereitstellung personenbezogener Daten bei der Nutzung von Vorteilsprogrammen wie „Lidl Plus“ als „Preis“ für die Dienstleistung anzusehen ist. Die Antwort des Gerichts ist für viele Unternehmen mit datenbasierten Geschäftsmodellen von großer Bedeutung: Nein, persönliche Daten sind kein Preis im Sinne der gesetzlichen Informationspflichten.

Der Sachverhalt: Streit um die „Währung“ Daten

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte Lidl verklagt, weil das Unternehmen in den Teilnahmebedingungen seiner „Lidl Plus“-App die Teilnahme als „kostenlos“ bezeichnet. Nach Ansicht der Verbraucherschützer sei dies irreführend. Verbraucher würden die Vorteile der App nicht unentgeltlich erhalten, sondern mit der Bereitstellung ihrer persönlichen Daten „bezahlen“. Diese Daten, so die Argumentation, würden von Lidl wirtschaftlich verwertet. Folglich müsse Lidl die bereitzustellenden Daten als „Gesamtpreis“ im Sinne des Gesetzes ausweisen und dürfe den Dienst nicht als kostenlos bewerben.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart

Das OLG Stuttgart folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage vollumfänglich ab. Die Richter stellten klar, dass Lidl nicht gegen die gesetzliche Pflicht zur Angabe eines Gesamtpreises verstoßen hat.

Die wesentlichen Gründe der Entscheidung sind:

  1. Der Begriff „Preis“ meint nur Geld: Das Gericht legte den Begriff des „Preises“ nach den europäischen Richtlinien aus, die dem deutschen Recht zugrunde liegen. Eine richtlinienkonforme Auslegung ergibt, dass unter einem „Preis“ ausschließlich eine Gegenleistung in Geld oder einer digitalen Darstellung eines Wertes zu verstehen ist. Die europäischen und nationalen Gesetzgeber haben bewusst zwischen Verträgen, bei denen der Verbraucher einen Preis zahlt, und Verträgen, bei denen er personenbezogene Daten bereitstellt, unterschieden.
  2. Datenschutzrecht und Preisrecht sind zu trennen: Der Schutz des Verbrauchers bei der Hingabe seiner Daten wird umfassend und abschließend durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Die DSGVO verpflichtet Unternehmen zu weitreichender Transparenz über Art, Umfang und Zweck der Datenverarbeitung. Die Vorschriften zur Preisangabe dienen einem anderen Zweck: Sie sollen finanzielle Transparenz schaffen und einen Preisvergleich ermöglichen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber die datenschutzrechtlichen Informationspflichten über das Preisrecht erweitern wollte.
  3. Bezeichnung „kostenlos“ ist nicht irreführend: Da für die Nutzung der App kein Entgelt in Geld verlangt wird, ist die Bezeichnung als „kostenlos“ nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden. Es liege auch keine wettbewerbswidrige Irreführung vor. Der Hinweis auf die Kostenlosigkeit findet sich erst in den Teilnahmebedingungen. Ein Verbraucher, der diese liest, wird im unmittelbaren Anschluss ausführlich darüber aufgeklärt, welche Daten von ihm erhoben und genutzt werden. Es entstehe daher nicht der falsche Eindruck, man müsse keinerlei Gegenleistung erbringen.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil schafft erhebliche Rechtssicherheit für Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf der Nutzung von Kundendaten basieren, wie es bei vielen Loyalty-Programmen, Freemium-Diensten oder sozialen Netzwerken der Fall ist.

Für Unternehmer bedeutet dies:

  • Ein Dienst, für den kein Geld verlangt wird, darf als „kostenlos“ bezeichnet werden.
  • Die Bereitstellung personenbezogener Daten muss nicht als „Preis“ oder „Gegenleistung“ im Sinne des Preisangabenrechts deklariert werden.
  • Entscheidend bleibt die lückenlose Einhaltung der Transparenz- und Informationspflichten nach der DSGVO. Verbraucher müssen klar, verständlich und vollständig darüber informiert werden, welche Daten für welche Zwecke verarbeitet werden.

Das letzte Wort in dieser Sache ist jedoch möglicherweise noch nicht gesprochen. Das OLG Stuttgart hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob die Verbraucherzentrale diesen Weg gehen wird.

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Datum: 23.09.2025
Aktenzeichen: 6 UKl 2/25

Online-Shop nur auf Englisch und die Folgen für die Pflichtangaben

Viele Unternehmer, die ihre Produkte europaweit vertreiben, stellen sich eine entscheidende Frage: Muss ein Online-Shop, der sich auch an deutsche Kunden richtet, zwingend in deutscher Sprache sein? Das Landgericht Frankfurt am Main hat in einem aktuellen Urteil eine praxisnahe Antwort gegeben und gleichzeitig an drei weitere, oft übersehene Fallstricke im E-Commerce erinnert.

Der Fall: Polnischer Händler, englischer Shop, deutsche Kunden

Ein deutscher Händler für Dekorationsartikel verklagte seinen polnischen Wettbewerber. Dieser bot seine Waren über eine Website an, die ausschließlich in englischer Sprache verfügbar war, lieferte aber weltweit und bewarb seine Produkte auch gezielt in Deutschland. Der Kläger sah darin mehrere Wettbewerbsverstöße, unter anderem weil Pflichtinformationen und AGB nicht auf Deutsch bereitgestellt wurden. Das Gericht gab dem Kläger nur teilweise recht und schuf damit wichtige Leitplanken für den internationalen Online-Handel.

Die Kernaussage: Englisch ist nicht per se unzulässig

Die wohl wichtigste Erkenntnis aus dem Urteil: Ein Online-Shop muss nicht zwangsläufig in deutscher Sprache gehalten sein, um rechtssicher in Deutschland Produkte anzubieten.

Das Gericht entschied, dass ein Unternehmer in der Wahl der Sprache für sein Angebot grundsätzlich frei ist. Wenn die Website – vom ersten Besuch über die Produktbeschreibung bis zum Abschluss des Bestellvorgangs – konsequent und ausschließlich in einer Fremdsprache (hier: Englisch) gehalten ist, müssen auch die gesetzlichen Pflichtinformationen nicht zusätzlich ins Deutsche übersetzt werden. Die Richter gehen davon aus, dass ein Kunde, der in der Lage ist, einen englischsprachigen Bestellprozess zu durchlaufen, auch die dazugehörigen englischen Rechtstexte verstehen kann.

Diese Entscheidung ist eine gute Nachricht für international ausgerichtete Unternehmen, da sie eine erhebliche Hürde für den Eintritt in den deutschen Markt beseitigt.

Falle 1: Das Impressum – Ein „mailto“-Link ist zu wenig

Obwohl der Shop in Sachen Sprache Recht bekam, scheiterte er an einer grundlegenden Anforderung des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG, ehemals Telemediengesetz). Im Impressum war keine E-Mail-Adresse ausgeschrieben. Stattdessen fand sich nur ein Link mit dem Text „Write us an e-mail“, der beim Anklicken das E-Mail-Programm des Nutzers öffnet.

Das Gericht stellte klar: Das ist nicht ausreichend. Die „Adresse der elektronischen Post“ muss für eine schnelle und unmittelbare Kontaktaufnahme direkt sichtbar und lesbar sein. Ein „mailto“-Link funktioniert nur, wenn der Nutzer ein entsprechendes Programm konfiguriert hat, was nicht immer der Fall ist. Die E-Mail-Adresse muss also zwingend ausgeschrieben werden (z. B. „info@beispielshop.de“).

Falle 2: Die finale Bestellseite – Alle Infos auf einen Blick

Ein weiterer entscheidender Fehler lag im Aufbau der letzten Seite des Bestellvorgangs. Die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen über die wesentlichen Eigenschaften der Ware, den Gesamtpreis und alle anfallenden Versandkosten wurden dem Kunden auf einer Seite vor der finalen Bestellseite angezeigt. Auf der Seite mit dem „Kaufen“-Button selbst fehlten diese Angaben.

Auch hier urteilte das Gericht streng: Diese Informationen müssen dem Verbraucher „unmittelbar bevor“ er seine Bestellung abgibt, in hervorgehobener Weise zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, sie müssen auf derselben Seite stehen, auf der der Kunde den Bestellvorgang zahlungspflichtig abschließt. Ein Anzeigen auf einer vorgeschalteten Seite genügt nicht.

Falle 3: Das Widerrufsrecht – Keine eigenen Regeln erfinden

Schließlich hatte der Händler versucht, das gesetzliche Widerrufsrecht des Verbrauchers unzulässig einzuschränken. In seinen Bedingungen hieß es unter anderem, dass mit einem Club-Gutschein gekaufte Waren nicht zurückgegeben werden könnten oder eine Erstattung von der Verwendung eines speziell ausgedruckten Versandetiketts abhinge.

Das Gericht bekräftigte, dass das 14-tägige gesetzliche Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nicht zum Nachteil des Verbrauchers verändert werden darf. Solche Klauseln sind unwirksam und stellen einen klaren Wettbewerbsverstoß dar, der abgemahnt werden kann.

Fazit für Unternehmer

Die Entscheidung des LG Frankfurt liefert wertvolle Leitlinien:

  1. Ein konsequent fremdsprachiger Online-Shop ist auch für den deutschen Markt zulässig.
  2. Die Details zählen: Im Impressum muss die E-Mail-Adresse immer ausgeschrieben sein.
  3. Die letzte Seite vor dem Kauf muss alle wesentlichen Bestellinformationen zusammenfassen.
  4. Das gesetzliche Widerrufsrecht ist für Verbraucher unantastbar und darf nicht durch eigene Bedingungen eingeschränkt werden.

Betreiber von Online-Shops sind gut beraten, ihre Prozesse anhand dieser klaren Vorgaben zu überprüfen, um kostspielige Abmahnungen zu vermeiden.

Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
Datum: 05.03.2025
Aktenzeichen: 2-06 O 38/25

Streichpreise im Online-Handel: LG Wiesbaden bestätigt doppeltes Risiko für Händler

Die Werbung mit durchgestrichenen Preisen, sogenannten Streichpreisen, ist ein beliebtes und wirksames Marketinginstrument im Online-Handel. Sie suggeriert dem Kunden ein besonders gutes Geschäft und eine erhebliche Ersparnis. Doch Vorsicht: Die rechtlichen Anforderungen an eine solche Preiswerbung sind streng. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 24. April 2025, AZ: 11 O 1/25, macht deutlich, dass Händler hier gleich zwei Vorschriften beachten müssen, um teure Abmahnungen zu vermeiden.

Der Fall: Ein Modellauto und ein irreführender Rabatt

Ein Online-Händler für Modellautos bewarb ein bestimmtes Fahrzeugmodell mit einem Sonderpreis von 31,20 €. Als Vergleichspreis wurde ein durchgestrichener Preis von 72,95 € angezeigt, was eine Ersparnis von über 57 % suggerierte.

Der Haken an der Sache: Der Preis von 72,95 € war ein alter Preis, der schon seit vielen Monaten nicht mehr verlangt wurde. Unmittelbar bevor der Preis auf 31,20 € gesenkt wurde, kostete das Modellauto bereits nur noch 39,00 €.

Der Händler argumentierte, der Streichpreis von 72,95 € sei die ursprüngliche unverbindliche Preisempfehlung (UVP) gewesen, die er nach der Markteinführung für eine lange Zeit verlangt habe. Ein klagebefugter Wirtschaftsverband sah darin jedoch eine Irreführung der Verbraucher und zog vor Gericht.

Die rechtlichen Fallstricke: PAngV und UWG gelten nebeneinander

Im Zentrum des Verfahrens standen zwei verschiedene rechtliche Regelungen:

  1. Die Preisangabenverordnung (§ 11 PAngV): Seit einer Gesetzesänderung sind Händler verpflichtet, bei jeder Rabattwerbung den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den sie für das Produkt innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung verlangt haben. Gegen diese Vorschrift hatte der Händler unstrittig verstoßen und diesen Teil der Klage anerkannt.
  2. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 5 UWG): Dieses Gesetz verbietet ganz allgemein irreführende geschäftliche Handlungen. Eine Werbung mit einem Streichpreis ist dann irreführend, wenn der durchgestrichene Preis nicht derjenige ist, der unmittelbar vor der Preissenkung verlangt wurde.

Der Händler war der Ansicht, dass die spezielle Regelung der Preisangabenverordnung die allgemeine Regel des Wettbewerbsrechts verdränge. Wer also die Vorgaben der PAngV beachte, könne nicht mehr wegen Irreführung nach dem UWG belangt werden.

Die Entscheidung des LG Wiesbaden: Kein Entweder-oder!

Dieser Argumentation erteilte das Gericht eine klare Absage. Das Landgericht Wiesbaden stellte fest, dass beide Vorschriften – § 11 PAngV und § 5 UWG – nebeneinander anwendbar sind. Ein Händler muss also beide Regelungen beachten.

Die Werbung mit dem alten Preis von 72,95 € wurde als irreführend eingestuft, weil der Verbraucher bei einem Streichpreis davon ausgeht, dass es sich um den zuletzt gültigen Preis handelt. Indem ein viel höherer, aber veralteter Preis als Referenz genutzt wird, wird dem Kunden eine Ersparnis vorgegaukelt, die in dieser Höhe nicht der Realität entspricht. Ein solches Vorgehen ist geeignet, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu bewegen, die er bei Kenntnis der wahren Umstände möglicherweise nicht getroffen hätte.

Fazit und Praxistipp für Unternehmer

Das Urteil des LG Wiesbaden ist eine wichtige Mahnung für alle Online-Händler. Es genügt nicht, nur den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage anzugeben. Wer mit Streichpreisen wirbt, muss sicherstellen, dass zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Der Streichpreis muss der Preis sein, der unmittelbar vor der Rabattaktion verlangt wurde. Die Verwendung von alten „Mondpreisen“ oder lange zurückliegenden UVPs ist unzulässig, wenn das Produkt zwischenzeitlich bereits günstiger angeboten wurde.
  2. Zusätzlich muss der niedrigste Preis der letzten 30 Tage vor der Aktion angegeben werden.

Wer diese doppelte Anforderung missachtet, riskiert kostspielige Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände. Eine sorgfältige Preisdokumentation und eine korrekte Umsetzung der Preiswerbung sind daher unerlässlich.

Gericht: Landgericht Wiesbaden
Datum: 24.04.2025
Aktenzeichen: 11 O 1/25

Ein Blick in die DSGVO-Absurdität: Warum eine Google-Recherche 250 Euro kosten kann

Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 19. August 2025 (Az. 42 C 61/25) eine Entscheidung getroffen, die erneut zeigt, welche absurden Blüten die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der Praxis treiben kann.

Die Fallkonstellation: Recherche im Rechtsstreit

Ein Unternehmen hatte sich gegen eine Klage verteidigt, die von einem Kläger eingereicht wurde, der sich zuvor bei ihm beworben hatte. Um die Glaubwürdigkeit des Klägers zu überprüfen und einen möglichen Missbrauch zu klären, führte das Unternehmen eine Recherche durch – ganz einfach per Google. Dabei stieß es auf Informationen, die es für den Rechtsstreit als relevant ansah und in einem Schriftsatz vor Gericht verwendete. Was das Unternehmen jedoch versäumte: Es informierte den Kläger nicht unmittelbar über die durchgeführte Recherche.


Was das Gericht sagt: Der Recherche ist die Transparenz zu folgen

Das Gericht stellte fest, dass die Recherche an sich zulässig war, da sie der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens diente, nämlich der Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren. Das Amtsgericht Düsseldorf stellte klar, dass dies auch gilt, wenn die Ergebnisse der Google-Suche negative oder abwertende Inhalte über die betroffene Person zutage fördern.

Der entscheidende Haken, der die Verurteilung auslöste, war die fehlende Information des Klägers über die Datenerhebung. Nach Ansicht des Gerichts genügte es nicht, die Recherche-Ergebnisse lediglich im gerichtlichen Schriftsatz zu erwähnen. Das Unternehmen hätte den Kläger vielmehr „unverzüglich“ und „unmittelbar“ nach der Durchführung der Recherche über die Kategorien der verarbeiteten Daten informieren müssen.


Immaterieller Schaden ohne „Erheblichkeit“: Der Kontrollverlust genügt

Das Urteil unterstreicht, dass bereits ein einfacher Verstoß gegen die Informationspflicht einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz auslösen kann. Ein „erheblicher Nachteil“ der betroffenen Person ist dabei nicht erforderlich. Das Gericht beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach bereits der „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellt, selbst wenn es zu keiner missbräuchlichen Verwendung gekommen ist.

Besonders bemerkenswert ist, dass das Gericht dem Kläger in diesem Fall einen Schadensersatz von 250 Euro zusprach. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Recherche im Gegensatz zu anderen Fällen keine Außenwirkung hatte, da sie ausschließlich im Rahmen des Rechtsstreits stattfand. Zudem berücksichtigte das Gericht, dass der Kläger nach eigenen Angaben bereits eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren geführt hatte und ein Datenschutzverstoß für ihn daher eine geringere „Strahlkraft“ habe.


Ein Fazit, das die Absurditäten der DSGVO offenlegt

Dieses Urteil ist ein beispielhafter Beweis für die Absurditäten der DSGVO. Es macht deutlich, dass selbst ein Unternehmen, das sich in einem Gerichtsverfahren wehrt und dafür im Internet frei verfügbare Informationen über den Kläger recherchiert, in eine DSGVO-Falle tappen kann. Die DSGVO verlangt hier nicht nur Transparenz, sie verlangt sie unverzüglich. Die Folgen sind bekannt: Auch wenn man alles richtig gemacht hat, kann man wegen eines Formfehlers zu Schadensersatz verurteilt werden.

An dieser Stelle drängt sich der Verweis auf unser Blog-Update vom 5. September 2025 auf. Dort haben wir bereits dargelegt, wie die aktuelle Rechtsprechung die DSGVO-Auswüchse weiter befeuert. Insbesondere sei hier auf das jüngste Urteil des EuGH vom 4. September 2025 (Az. C-655/23) verwiesen, das dem Trend des „Schadensersatzes ohne Schaden“ Tür und Tor öffnet und die Situation für Unternehmen noch weiter verschärft.


Gericht: Amtsgericht Düsseldorf
Datum: 19.08.2025
Aktenzeichen: 42 C 61/25
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 22886

YouTube-Sperrung: Wann eine Plattform ohne Anhörung handeln darf

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung die Rechte und Pflichten von Video-Plattformen wie YouTube bei der Moderation von Inhalten und der Sperrung von Nutzerkonten beleuchtet. Im Kern ging es um die Frage, ob eine Plattform einen Nutzer vor einer vorübergehenden Kontosperrung zwingend anhören muss oder ob eine nachträgliche Anhörung ausreicht.

Der Fall: Wiederholte Verstöße und die Folgen

Ein bekannter YouTuber klagte gegen die Betreibergesellschaft von YouTube. Er hatte wiederholt Videos hochgeladen, die nach Ansicht der Plattform gegen deren Community-Richtlinien verstießen. YouTube entfernte die Videos und verhängte in der Folge vorübergehende Funktionseinschränkungen, sogenannte „Verwarnungen“ (im englischen Sprachraum „strikes“), gegen sein Konto. Der Kläger forderte die Freistellung von seinen Anwaltskosten, die Löschung aller Vermerke über die Verstöße sowie die Unterlassung künftiger Kontosperrungen ohne vorherige Anhörung.

Er argumentierte, die Maßnahmen seien vertragswidrig gewesen, da die Nutzungsbedingungen keine vorherige Anhörung vorsahen. Dies verstoße gegen die vom Bundesgerichtshof (BGH) in Bezug auf Facebook-Entscheidungen aufgestellten Grundsätze. Dort wurde eine Anhörung vor einer Kontosperrung als grundsätzlich geboten angesehen.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm wies die Berufung des Klägers vollumfänglich zurück. Der Senat stellte klar, dass die Rechtsprechung des BGH zu Facebook nicht ohne Weiteres auf YouTube übertragbar ist.

  • Kein Freistellungsanspruch für Anwaltskosten: Die Anwaltskosten wurden nicht als erstattungsfähig angesehen. Das Gericht betonte, dass der Kläger als erfahrener Nutzer die von YouTube bereitgestellten Beschwerde-Tools hätte nutzen müssen, bevor er einen Anwalt beauftragte. Die Beauftragung eines Anwalts war in diesen Fällen grundsätzlich nicht erforderlich.
  • Keine Anhörungspflicht bei Eskalationsstufen: Der zentrale Punkt des Urteils ist die Abwägung der Interessen. Das Gericht erkannte an, dass die Nutzungsbedingungen von YouTube ein gestuftes Vorgehen bei Verstößen vorsehen. Bei einem ersten Verstoß erfolgt lediglich eine Warnung. Erst bei wiederholten Verstößen innerhalb eines bestimmten Zeitraums folgen weitere, gestaffelte Maßnahmen wie vorübergehende Kontoeinschränkungen.Das OLG Hamm befand dieses System für angemessen. Es ist nicht unverhältnismäßig, bei einem Nutzer, der bereits gegen die Richtlinien verstoßen hat, aus Präventionsgründen ohne vorherige Anhörung zu handeln, um die Verbreitung weiterer potenziell rechtswidriger Inhalte zu verhindern. Es genügt, dem Nutzer die Möglichkeit zur nachträglichen Gegendarstellung zu geben. Die in den Nutzungsbedingungen verankerte Möglichkeit einer nachträglichen Beschwerde und Neubescheidung ist ausreichend.
  • Kein Anspruch auf Datenlöschung: Auch der Anspruch auf Löschung der Vermerke über die Videolöschungen und Sperrungen wurde abgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass YouTube die Daten zur Verteidigung ihrer rechtlichen Position im laufenden Gerichtsverfahren speichern durfte. Ein Löschungsanspruch aus der DSGVO ist daher ausgeschlossen.

Die Bedeutung des Urteils für Unternehmer

Die Entscheidung des OLG Hamm unterstreicht, dass Plattformbetreiber mit einem transparenten und abgestuften Vorgehen bei der Inhaltsmoderation auf der sicheren Seite sein können. Das Urteil bietet eine wichtige Orientierung für die rechtliche Bewertung von Content-Moderationssystemen. Es erkennt an, dass die Betreiber von Online-Plattformen bei wiederholten Verstößen schnell und präventiv handeln müssen, um die Integrität ihrer Dienste zu schützen.


Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Datum: 03.06.2025
Aktenzeichen: 21 U 62/23

Beteiligung von Urhebern an den Werbeeinnahmen von Sendern?

Laut einem Bericht der Legal Tribune Online (LTO) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 15. November 2024 zurückgewiesen. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Dies ist ein bedeutender Erfolg für Urheber und ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz in der Medienbranche.


Das Oberlandesgericht Köln hatte in seiner Entscheidung festgestellt, dass einer Filmemacherin ein Auskunftsanspruch gegenüber einem Sendeunternehmen zusteht, der auch die Werbeeinnahmen umfasst, die im zeitlichen Zusammenhang mit ihren Produktionen erzielt wurden. Der Gerichtshof argumentierte, dass die Auskunftspflicht nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) nicht auf direkte Einnahmen aus der Werknutzung beschränkt sei, sondern auch Vorteile einschließe, die sich aus der Ausstrahlung des Werks ergeben. Dazu gehören Werbespots, die unmittelbar vor, während der Pausen und nach der Sendung gezeigt werden. Das Gericht wies das Argument der Beklagten zurück, diese Einnahmen stünden in keinem kausalen Zusammenhang zur einzelnen Produktion, und sah die Werbeeinnahmen als zentralen wirtschaftlichen Faktor an.


Auskunft und Folgeansprüche: Die zwei Stufen des Urheberrechts

Aus der Verurteilung zur Auskunftspflicht lässt sich nicht zwingend ableiten, dass die Klägerin auch in ihren Folgeansprüchen auf Nachvergütung erfolgreich sein wird. Die Auskunftspflicht ist lediglich die erste Stufe eines zweistufigen Verfahrens. Sie dient dazu, dem Urheber die notwendigen Informationen zu verschaffen, um beurteilen zu können, ob seine ursprüngliche Vergütung im Sinne des sogenannten Fairness-Paragraphen (§ 32a UrhG) „unverhältnismäßig niedrig“ war.

Die Auskunft verschafft dem Urheber die Transparenz über die tatsächlichen Erträge und Vorteile des Verwerters. Erst mit diesen konkreten Zahlen kann er dann in einem zweiten Schritt einen Anspruch auf eine weitere, angemessene Beteiligung geltend machen. Der Erfolg dieses Nachvergütungsanspruchs hängt aber von der individuellen Bewertung ab, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen der ursprünglichen Vergütung und den nun offengelegten Einnahmen besteht. Die Auskunftspflicht ist also ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für einen erfolgreichen Zahlungsanspruch.


Die Bedeutung für Sendeanstalten: Werden Verträge seltener?

Das Urteil des OLG Köln, das nun rechtskräftig ist, stellt Sendeunternehmen vor die Herausforderung, ihre internen Abrechnungssysteme anzupassen. Die detaillierte Zuordnung von Werbeeinnahmen zu einzelnen Produktionen erfordert eine hohe Transparenz in den eigenen Geschäftsprozessen. Die Befürchtung, dass Sender künftig weniger Produktionsaufträge vergeben, um das Risiko einer Beteiligung an Werbeeinnahmen zu vermeiden, ist denkbar.

Diese Entwicklung könnte jedoch auch zu einer positiven Veränderung führen. Die Gesetzgebung zielt darauf ab, ein gerechteres Gleichgewicht zwischen den Kreativen und den Verwertern ihrer Werke zu schaffen. Sender könnten gezwungen sein, ihre Vergütungsmodelle von Grund auf neu zu denken und faire Verträge anzubieten, die von Beginn an eine angemessene Beteiligung der Urheber vorsehen. Anstatt weniger Aufträge zu vergeben, könnten Sendeunternehmen sich auf qualitativ hochwertige Produktionen konzentrieren, die nachweislich einen hohen kommerziellen Wert für sie haben, und die Kreativen daran beteiligen.


Folgen für Film- und TV-Produzenten: Ein zweischneidiges Schwert

Für Produktionsfirmen bietet die Entscheidung des OLG Köln eine stärkere Verhandlungsposition. Sie können sich nun auf einen Präzedenzfall berufen, um eine höhere Transparenz und potenziell bessere Konditionen in den Verträgen zu fordern. Das Urteil ist ein wichtiges Instrument, um den Wert ihrer Arbeit nachvollziehbar zu machen und sich gegen eine unangemessen niedrige Vergütung zu wehren. Das Potenzial für höhere Einnahmen durch Nachvergütungsansprüche ist eine klare Chance.

Gleichzeitig könnten sich die Verhandlungen mit Sendeanstalten als komplexer erweisen. Wenn Sender vorsichtiger werden, könnten sie restriktivere Verträge anbieten, die versuchen, die Auskunftsrechte der Urheber zu beschränken. Zudem kann die rechtliche Durchsetzung der Ansprüche aufwendig und kostspielig sein. Letztlich schafft das Urteil eine stärkere rechtliche Grundlage, um eine angemessene Vergütung durchzusetzen, verlangt von den Produzenten jedoch auch, sich auf neue, potenziell langwierige rechtliche Auseinandersetzungen einzustellen.


Gerichtsentscheidung

  • Gericht: Oberlandesgericht Köln
  • Datum: 15. November 2024
  • Aktenzeichen: 6 U 60/24
  • Fundstelle: openJur 2024, 11087

BGH-Urteil: Verweis auf Online-AGB in postalischer Vertragsanbahnung ist unwirksam

Die Digitalisierung vereinfacht viele Geschäftsprozesse. Ein gängiges Vorgehen ist es, bei postalisch angebahnten Verträgen für die Details auf die online verfügbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu verweisen. Dieses Vorgehen spart Papier und Aufwand. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einer solchen Vorgehensweise nun in einer Entscheidung eine Absage erteilt. Die Begründung dafür ist für die Vertragsgestaltung von Unternehmen von grundsätzlicher Bedeutung.

Der zugrundeliegende Sachverhalt

Ein Telekommunikationsunternehmen bewarb einen DSL-Anschluss mittels Postwurfsendungen. Ein Vertragsschluss konnte durch das Ausfüllen und postalische Zurücksenden eines beigefügten Formulars erfolgen. In diesem Formular fand sich die Klausel: „Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)“.

Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen die Verwendung dieser Klausel. Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Düsseldorf, gab der Klage statt und begründete dies im Wesentlichen mit einem unzumutbaren „Medienbruch“. Es sei einem Verbraucher nicht zuzumuten, bei einem per Post geschlossenen Vertrag für die Lektüre der AGB auf das Internet zugreifen zu müssen. Der BGH bestätigte das Ergebnis, wählte aber einen anderen juristischen Weg.

Die Entscheidung des BGH: Fokus auf Transparenz statt Medienbruch

Der Bundesgerichtshof stufte die Klausel ebenfalls als unwirksam ein, ließ die Frage des Medienbruchs jedoch ausdrücklich offen. Die Richter legten den Fokus stattdessen auf die Formulierung der Klausel selbst und wandten den Maßstab der kundenfeindlichsten Auslegung an.

Nach diesem Grundsatz wird eine Klausel im Verbandsklageverfahren so ausgelegt, wie sie von einem rechtlich unbedarften Kunden im für ihn ungünstigsten, aber noch denkbaren Fall verstanden werden könnte. Die Klausel „Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)“ stellt nach Ansicht des BGH eine dynamische Verweisung dar.

Dies bedeutet, die Klausel verweist nicht auf eine bestimmte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fixierte Version der AGB. Stattdessen könnte sie so verstanden werden, dass das Unternehmen die online hinterlegten AGB jederzeit einseitig ändern kann und die jeweils aktuelle Fassung automatisch für den bestehenden Vertrag Geltung beansprucht. Damit würde sich der Klauselverwender ein weitreichendes Recht zur einseitigen Vertragsänderung vorbehalten.

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Eine solche Möglichkeit zur einseitigen Vertragsanpassung verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für den Vertragspartner ist bei Vertragsschluss nicht klar und vorhersehbar, welche Rechte und Pflichten ihn zukünftig treffen werden. Das wirtschaftliche Risiko ist für ihn nicht abschätzbar. Eine Klausel, die derart weitreichende, unbestimmte Änderungsmöglichkeiten eröffnet, benachteiligt den Vertragspartner unangemessen und ist folglich unwirksam.

Konsequenzen aus dem Urteil für die Vertragspraxis

  1. Pauschale AGB-Verweise sind riskant: Auf pauschale Verweise, die lediglich eine URL zu einer AGB-Seite ohne Versionsangabe enthalten, sollte verzichtet werden. Die Gefahr einer Einstufung als unzulässige dynamische Verweisung ist hoch.
  2. Statische Einbeziehung ist erforderlich: Es muss sichergestellt werden, dass eine konkrete, datierbare Version der AGB Vertragsbestandteil wird.
    • Bei Offline-Verträgen: Der sicherste Weg bleibt das Beifügen eines Ausdrucks der AGB.
    • Bei Online-Verträgen: Hier empfiehlt sich die Einbindung der AGB als festes, speicherbares Dokument (z.B. PDF) und die Einholung einer Bestätigung des Kunden (z.B. per Checkbox), dass die AGB in einer bestimmten, klar bezeichneten Version akzeptiert werden.
  3. Anforderungen an Änderungsklauseln: Sogenannte Änderungs- und Anpassungsklauseln in AGB, die spätere Modifikationen ermöglichen sollen, unterliegen strengen Transparenzanforderungen. Grund, Umfang und Voraussetzungen für eine Änderung müssen darin präzise beschrieben sein.

Fazit

Die Entscheidung des BGH stärkt das Transparenzgebot und den Schutz von Vertragspartnern vor überraschenden, einseitigen Vertragsänderungen. Für Unternehmen unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, die eigenen Prozesse zur Einbindung von AGB kritisch zu prüfen und auf eine klare, faire und rechtssichere Gestaltung zu achten.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum: 10.07.2025
Aktenzeichen: III ZR 59/24