Beteiligung von Urhebern an den Werbeeinnahmen von Sendern?

Laut einem Bericht der Legal Tribune Online (LTO) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 15. November 2024 zurückgewiesen. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Dies ist ein bedeutender Erfolg für Urheber und ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz in der Medienbranche.


Das Oberlandesgericht Köln hatte in seiner Entscheidung festgestellt, dass einer Filmemacherin ein Auskunftsanspruch gegenüber einem Sendeunternehmen zusteht, der auch die Werbeeinnahmen umfasst, die im zeitlichen Zusammenhang mit ihren Produktionen erzielt wurden. Der Gerichtshof argumentierte, dass die Auskunftspflicht nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) nicht auf direkte Einnahmen aus der Werknutzung beschränkt sei, sondern auch Vorteile einschließe, die sich aus der Ausstrahlung des Werks ergeben. Dazu gehören Werbespots, die unmittelbar vor, während der Pausen und nach der Sendung gezeigt werden. Das Gericht wies das Argument der Beklagten zurück, diese Einnahmen stünden in keinem kausalen Zusammenhang zur einzelnen Produktion, und sah die Werbeeinnahmen als zentralen wirtschaftlichen Faktor an.


Auskunft und Folgeansprüche: Die zwei Stufen des Urheberrechts

Aus der Verurteilung zur Auskunftspflicht lässt sich nicht zwingend ableiten, dass die Klägerin auch in ihren Folgeansprüchen auf Nachvergütung erfolgreich sein wird. Die Auskunftspflicht ist lediglich die erste Stufe eines zweistufigen Verfahrens. Sie dient dazu, dem Urheber die notwendigen Informationen zu verschaffen, um beurteilen zu können, ob seine ursprüngliche Vergütung im Sinne des sogenannten Fairness-Paragraphen (§ 32a UrhG) „unverhältnismäßig niedrig“ war.

Die Auskunft verschafft dem Urheber die Transparenz über die tatsächlichen Erträge und Vorteile des Verwerters. Erst mit diesen konkreten Zahlen kann er dann in einem zweiten Schritt einen Anspruch auf eine weitere, angemessene Beteiligung geltend machen. Der Erfolg dieses Nachvergütungsanspruchs hängt aber von der individuellen Bewertung ab, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen der ursprünglichen Vergütung und den nun offengelegten Einnahmen besteht. Die Auskunftspflicht ist also ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für einen erfolgreichen Zahlungsanspruch.


Die Bedeutung für Sendeanstalten: Werden Verträge seltener?

Das Urteil des OLG Köln, das nun rechtskräftig ist, stellt Sendeunternehmen vor die Herausforderung, ihre internen Abrechnungssysteme anzupassen. Die detaillierte Zuordnung von Werbeeinnahmen zu einzelnen Produktionen erfordert eine hohe Transparenz in den eigenen Geschäftsprozessen. Die Befürchtung, dass Sender künftig weniger Produktionsaufträge vergeben, um das Risiko einer Beteiligung an Werbeeinnahmen zu vermeiden, ist denkbar.

Diese Entwicklung könnte jedoch auch zu einer positiven Veränderung führen. Die Gesetzgebung zielt darauf ab, ein gerechteres Gleichgewicht zwischen den Kreativen und den Verwertern ihrer Werke zu schaffen. Sender könnten gezwungen sein, ihre Vergütungsmodelle von Grund auf neu zu denken und faire Verträge anzubieten, die von Beginn an eine angemessene Beteiligung der Urheber vorsehen. Anstatt weniger Aufträge zu vergeben, könnten Sendeunternehmen sich auf qualitativ hochwertige Produktionen konzentrieren, die nachweislich einen hohen kommerziellen Wert für sie haben, und die Kreativen daran beteiligen.


Folgen für Film- und TV-Produzenten: Ein zweischneidiges Schwert

Für Produktionsfirmen bietet die Entscheidung des OLG Köln eine stärkere Verhandlungsposition. Sie können sich nun auf einen Präzedenzfall berufen, um eine höhere Transparenz und potenziell bessere Konditionen in den Verträgen zu fordern. Das Urteil ist ein wichtiges Instrument, um den Wert ihrer Arbeit nachvollziehbar zu machen und sich gegen eine unangemessen niedrige Vergütung zu wehren. Das Potenzial für höhere Einnahmen durch Nachvergütungsansprüche ist eine klare Chance.

Gleichzeitig könnten sich die Verhandlungen mit Sendeanstalten als komplexer erweisen. Wenn Sender vorsichtiger werden, könnten sie restriktivere Verträge anbieten, die versuchen, die Auskunftsrechte der Urheber zu beschränken. Zudem kann die rechtliche Durchsetzung der Ansprüche aufwendig und kostspielig sein. Letztlich schafft das Urteil eine stärkere rechtliche Grundlage, um eine angemessene Vergütung durchzusetzen, verlangt von den Produzenten jedoch auch, sich auf neue, potenziell langwierige rechtliche Auseinandersetzungen einzustellen.


Gerichtsentscheidung

  • Gericht: Oberlandesgericht Köln
  • Datum: 15. November 2024
  • Aktenzeichen: 6 U 60/24
  • Fundstelle: openJur 2024, 11087

Haftung von Plattformbetreibern: Urteil des Landgerichts Köln zu proaktiven Schutzpflichten bei Urheberrechtsverletzungen

Ein Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Juli 2025 präzisiert die Haftung von Betreibern von Online-Plattformen für Urheberrechtsverletzungen, die durch ihre Nutzer begangen werden. Demnach kann ein Betreiber als Täter haften, wenn er keine geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, um Rechtsverstöße wirksam zu bekämpfen, obwohl er mit deren Vorkommen allgemein rechnet.

Sachverhalt

Ein Fotograf klagte gegen die Betreiberin einer Vermittlungs-Plattform für private Flüge. Ein Pilot hatte auf der Plattform ein Angebot inseriert und dieses mit einem Foto des Klägers ohne dessen Erlaubnis bebildert. Der Kläger forderte die Plattformbetreiberin zur Unterlassung, zur Zahlung von Schadensersatz und zur Erstattung von Anwaltskosten auf.

Die Betreiberin argumentierte, sie sei als Host-Provider haftungsprivilegiert. Sie habe sich den Inhalt nicht zu eigen gemacht. In den Nutzungsbedingungen sowie durch einen Warnhinweis beim Upload-Vorgang würden Nutzer auf ihre Verantwortung für die Einhaltung von Urheberrechten hingewiesen. Nach Erhalt der Abmahnung sei die Entfernung des Fotos zudem unverzüglich veranlasst worden.

Entscheidungsgründe

Das Gericht verurteilte die Plattformbetreiberin. Eine Haftung ergab sich für das Gericht jedoch nicht aus dem Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), da dieses im vorliegenden Fall nicht anwendbar war. Die Plattform wurde als Online-Marktplatz im Sinne des Gesetzes qualifiziert, der primär Verträge vermittelt und nicht unter den engeren Anwendungsbereich des Gesetzes für Diensteanbieter zum Teilen von Online-Inhalten fällt.

Die Haftung wurde stattdessen auf die allgemeinen, von EuGH und BGH entwickelten Grundsätze zur Intermediärshaftung gestützt. Ein Betreiber begeht demnach eine eigene, täterschaftliche Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung, wenn er über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus einen Beitrag zur Rechtsverletzung leistet. Ein solcher Beitrag liegt vor, wenn der Betreiber weiß oder wissen müsste, dass auf seiner Plattform generell geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, und er trotzdem nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen wirksam zu bekämpfen.

Das Gericht stellte fest, dass sich die Betreiberin des Risikos von Urheberrechtsverletzungen bewusst war. Dies zeige sich durch die von ihr selbst implementierten Warnhinweise und die entsprechenden Klauseln in den Nutzungsbedingungen. Trotz dieses Wissens habe sie keine proaktiven technischen Maßnahmen ergriffen, um Verstöße zu verhindern. Das Argument der Beklagten, solche Maßnahmen seien technisch unmöglich oder unzumutbar, wurde vom Gericht als nicht ausreichend substantiiert zurückgewiesen. Als Beispiel für eine denkbare Maßnahme nannte das Gericht eine automatisierte, umgekehrte Bildersuche.

Da die Betreiberin somit nicht die Rolle eines rein passiven Anbieters einnahm, konnte sie sich nicht auf die Haftungsprivilegierung für Host-Provider berufen.

Konsequenzen der Entscheidung für Plattformbetreiber

Aus dem Urteil ergeben sich für Betreiber von Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten folgende Implikationen:

  • Bewusstsein für Rechtsverletzungen: Das Vorhalten von Klauseln zum Urheberrecht in AGB oder Warnhinweisen kann als Indiz dafür gewertet werden, dass der Betreiber mit Rechtsverstößen rechnet.
  • Pflicht zu proaktiven Maßnahmen: Ein rein reaktives „Notice-and-Takedown“-System ist nicht ausreichend, um eine täterschaftliche Haftung auszuschließen. Es müssen aktiv geeignete und zumutbare technische Vorkehrungen zur präventiven Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen geprüft und implementiert werden.
  • Substantiierung der Unzumutbarkeit: Betreiber, die sich darauf berufen, dass präventive Maßnahmen technisch oder wirtschaftlich unzumutbar sind, müssen dies detailliert und nachvollziehbar darlegen. Ein pauschaler Hinweis auf die Unternehmensgröße oder allgemeine Kosten genügt nicht.

Zusammenfassung

Das Urteil des LG Köln bestätigt die Tendenz in der Rechtsprechung, die Verantwortung von Online-Plattformen zu erhöhen. Betreiber sind verpflichtet, sich aktiv mit der Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen auseinanderzusetzen und entsprechende technische Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um einer direkten Haftung als Täter zu entgehen.


Gericht: Landgericht Köln
Datum: 24.07.2025
Aktenzeichen: 14 O 343/23

Aktuelles zum Content Delivery Network – BGH legt Fragen dem EuGH vor

Am 31. Juli 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Beschluss I ZR 155/23 (Content Delivery Network) das Verfahren gegen die Betreiberin eines Content-Delivery-Networks (CDN) ausgesetzt und wesentliche Fragen zur haften- beziehungsweise haftungsprivilegierten Rolle solcher Dienste dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Aktueller Anlassfall im Überblick

  • Die Klägerin – eine Tonträgerherstellerin – hatte geklagt, weil über eine Filesharing-Plattform (d…to) ihre Musikalben unrechtmäßig verbreitet wurden.
  • Die Beklagte betreibt ein CDN mit weltweiten Servern, das zur Zwischenspeicherung (Caching) und als Nameserver fungiert. Sie speichert Inhalte, leitet diese weiter und bietet technische Dienste zur Beschleunigung und Stabilität der Webseiten.
  • Klägerin forderte Unterlassung, Sperrung und Kostenersatz – nach erfolgreicher Vorinstanz zog sie auch in der Revision vor Gericht.

Revisionsverfahren – Was ist strittig?

Der BGH hat zwei zentrale Fragen dem EuGH vorgelegt:

  1. Öffentliches Zugänglichmachen durch Link setzen
    Ob eine Handlung des öffentlichen Zugänglichmachens eines Tonträgers (Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 2001/29/EG) nur von jemandem ausgeübt werden kann, bei dem sich der Tonträger in der eigenen Zugriffssphäre befindet – oder ob das Setzen eines Hyperlinks hierzu bereits ausreicht.
  2. Übertragbarkeit der Plattform-Kriterien auf CDNs
    Ob die vom EuGH entwickelten Kriterien zur öffentlichen Wiedergabe etwa für YouTube- oder Sharehosting-Plattformen auch auf Betreiber eines CDN anzuwenden sind – insbesondere vor dem Hintergrund der Haftungsprivilegien nach Art. 13 Abs. 1 RL 2000/31/EG bzw. Art. 5 Abs. 1 der DSA-VO (Verordnung (EU) 2022/2065). Wenn nein: Welche spezifischen Kriterien sind dann anzulegen?

Bedeutung für Unternehmer

  • Rechtssicherheit für technische Dienstleister
    Betreiber von CDNs bewegen sich juristisch in einer Grauzone: Dienste, die rein technische Caching-Funktionen erfüllen, können grundsätzlich haftungsprivilegiert sein – doch dies hängt stark von den Umständen ab. Die Entscheidung des EuGH wird langfristige Bedeutung für Plattform- und Infrastruktur-Anbieter haben.
  • Klare Abgrenzung erforderlich
    Unternehmer sollten sich bewusst sein: Ob Sie als rein technischer Vermittler gelten oder als aktiv handelnder Infrastrukturanbieter mit potenziell eigener Urheberrechtsverletzung, hängt von konkreten Kriterien ab – z. B. Speicherverhalten, Zugriffskontrolle, Wissensstand über Rechtsverletzungen.
  • Frage der Link-Verantwortlichkeit
    Auch das Setzen eines Links kann urheberrechtlich relevant sein. Ob dieses Verhalten als eigenes Zugänglichmachen gilt, bleibt offen und muss nun durch den EuGH geklärt werden.

Gericht, Datum, Aktenzeichen & Fundstelle:

  • Gericht: Bundesgerichtshof (I. Zivilsenat)
  • Datum: 31. Juli 2025
  • Aktenzeichen: I ZR 155/23

Urteil: Keine Urheberrechtsverletzung bei Abrufbarkeit eines Musikwerks von einer ausländischen Website ohne gezielten Inlandsbezug

Das Landgericht Berlin II, AZ 15 O 260/22, hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage befasst, wann das bloße Abrufbarsein eines urheberrechtlich geschützten Musikwerks über eine ausländische Website in Deutschland als Urheberrechtsverletzung gilt.

Worum ging es?

Zwei Musikverlage hatten gegen eine Schweizer Kantonalbank geklagt. Die Bank hatte ein Imagevideo produzieren lassen, das mit Musik eines bekannten Komponisten unterlegt war. Dieses Video war auf mehreren Internetseiten der Bank sowie ihrem YouTube-Kanal eingestellt – allesamt ohne sogenannte Geoblockingsperren. Theoretisch war das Video also auch aus Deutschland abrufbar.

Die Klägerinnen verlangten Schadensersatz in Millionenhöhe und umfangreiche Auskünfte, da sie meinten, dass bereits die Möglichkeit des Abrufs in Deutschland eine Urheberrechtsverletzung begründe.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht stellte zunächst klar:

  • Zuständigkeit: Das Gericht kann nur über Ansprüche entscheiden, soweit es um mutmaßliche Rechtsverletzungen in Deutschland geht. Für andere Länder ist die Schweizer Gerichtsbarkeit zuständig.
  • Rechtliche Prüfung: Die bloße Abrufbarkeit einer Website in Deutschland genügt nicht, um eine urheberrechtliche öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des deutschen Urheberrechts anzunehmen.
  • Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass der Anbieter gezielt ein deutsches Publikum ansprechen wollte.
  • Solche Anhaltspunkte können z.B. eine deutsche Sprache, explizite Werbung für Deutschland, Liefermodalitäten nach Deutschland oder eine erkennbare Nutzeranzahl aus Deutschland sein.

Im konkreten Fall stellte das Gericht fest:

  • Die Bank hatte weder eine deutsche Niederlassung noch deutsche Werbemaßnahmen.
  • Der Anteil deutscher Zugriffe auf die Websites lag nachweislich bei unter 1 % oder gar bei null.
  • Auch der Werbefilm selbst war nicht gezielt für den deutschen Markt bestimmt.

Daher fehle es an dem erforderlichen „wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug“.

Die Klage scheiterte somit.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil macht deutlich, dass Urheberrechtsinhaber genau darlegen müssen, dass ein klarer Bezug zu Deutschland besteht, wenn sie gegen Anbieter aus dem Ausland vorgehen. Allein die technische Möglichkeit, Inhalte in Deutschland abzurufen, reicht nicht aus.

Für Unternehmen mit internationalem Online-Auftritt bedeutet das:

  • Solange die Angebote nicht gezielt auf deutsche Nutzer zugeschnitten sind, drohen in Deutschland in der Regel keine urheberrechtlichen Risiken.
  • Dies gilt selbst bei bekannten Marken oder Inhalten, wenn die Nutzung auf andere Märkte ausgerichtet ist.

Andererseits zeigt die Entscheidung, dass bei einer gezielten Ansprache deutscher Kunden (z.B. durch deutsche Sprache, deutsche Domains oder gezielte Werbung) sehr wohl Ansprüche in Deutschland geltend gemacht werden können.


Gericht: Landgericht Berlin II
Datum der Entscheidung: 28.08.2024
Aktenzeichen: 15 O 260/22
Fundstelle: ZUM 2025, 541

Conni möglicherweise vor Gericht? – Was darf Satire, was darf sie nicht?

Conni hat alles gemacht: Sie hat Reiten gelernt, ist in die Schule gekommen, war beim Zahnarzt. Jetzt landet sie im Internet – als Meme. Und dort hat sie ein Problem: Das Urheberrecht.

Der Carlsen Verlag, Inhaber aller Rechte an der vorbildlichen kleinen Blondine, verschickt laut einem Artikel aus der „Welt“ vom 10.07.2025 Abmahnungen an Personen, die Conni-Memes posten. Die Netzgemeinde findet das natürlich alles andere als lustig – aber was ist wirklich erlaubt?

Höchste Zeit für einen Blick ins Gesetz!


Worum geht’s eigentlich?

Urheberrechtlich sind gleich zwei Vorschriften relevant:

  • § 23 UrhG (Bearbeitungsrecht):
    Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk bearbeitet oder umgestaltet (also zum Beispiel eine Illustration in ein Meme verwandelt), benötigt grundsätzlich die Zustimmung des Rechteinhabers – hier also Carlsen.
    Ausnahme: Es handelt sich um eine freie Benutzung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Doch Achtung: Nach der Neuregelung 2021 wurde der Begriff enger gefasst. Eine „freie Benutzung“ liegt nur noch vor, wenn das neue Werk so weit vom Original abrückt, dass die Eigenständigkeit dominiert. Bei Memes ist das eher selten der Fall.
  • § 51a UrhG (Karikatur, Parodie, Pastiche):
    Dieses „Meme-Privileg“ erlaubt es, geschützte Werke ohne Erlaubnis zu nutzen, wenn sie
    • eine Karikatur (Verzerrung zur Belustigung),
    • eine Parodie (kritische oder humoristische Auseinandersetzung)
    • oder ein Pastiche (Remix, Collage) sind.

Das heißt: Viele Memes dürfen mehr, als Carlsen lieb ist. Aber nicht jedes Meme ist automatisch erlaubt.


Sind Memes Bearbeitung oder Parodie?

Die juristische Gretchenfrage: Ist ein Meme eine Bearbeitung (§ 23) oder eine Parodie (§ 51a)?

  • Bearbeitung: Das Werk wird verändert – z. B. durch Hinzufügen von Text oder Collagieren in ein anderes Bild. Ohne Parodie-Charakter bleibt dies zustimmungspflichtig.
  • Parodie: Das Werk wird humorvoll oder kritisch gebrochen („Conni lernt, wie man Steuern hinterzieht“). Hier greift regelmäßig § 51a UrhG.
  • Pastiche: Das Werk wird remixartig in einen neuen Kontext gestellt. Auch dies kann privilegiert sein.

Drei Beispiele aus dem Internetleben

1. Meme ohne eigenen Witz:
Einfach nur ein Scan der Buchseite mit der Caption „Same.“ – keine eigenständige Aussage, kein Humor. Das ist ziemlich sicher keine Parodie und damit unzulässig.

2. Satire pur:
Conni sitzt mit dem Kanzler im Bundestag und erklärt, wie man Strompreise deckelt. Klare politische oder gesellschaftliche Kommentierung – Parodie, dürfte erlaubt sein.

3. Collage ohne Bezug:
Conni als zufälliger Bildbestandteil in einem ästhetischen Remix. Mögliches Pastiche, also je nach Einzelfall zulässig.


Muss der Urheber genannt werden?

Ja – § 63 UrhG verlangt eine Quellenangabe, soweit das „nach den Umständen des Falls geboten“ ist. Im Zweifel empfiehlt sich, den Verlag als Rechteinhaber zu benennen.


Kommerziell oder privat?

Wer Conni-T-Shirts verkauft oder Memes mit Werbung kombiniert, bewegt sich in einer anderen rechtlichen Liga – hier können schnell hohe Forderungen drohen.


Was bedeutet das für alle Conni-Fans?

Das Gesetz will Satire und Remixkultur nicht verhindern. Im Gegenteil: § 51a UrhG wurde genau dafür geschaffen. Aber:

  • Ein Meme braucht eine erkennbare eigene Aussage.
  • Es darf nicht nur der bloße Abklatsch sein.
  • Und: Besser im nicht-kommerziellen Bereich bleiben.

Fazit – Conni bleibt (vielleicht) im Netz

Ob ein Conni-Meme wirklich zulässig ist, hängt vom Einzelfall ab. Manchmal genügt ein witziger Spruch, manchmal braucht es echten satirischen Biss. Wer unsicher ist, sollte anwaltlichen Rat einholen oder das Meme nur im privaten Umfeld teilen.

Denn am Ende gilt: Conni lernt das Urheberrecht – und jeder andere sollte es ebenfalls tun.

Ergänzung (16.07.25):

Der Carlsen Verlag hat sich nun auch ausführlich auf u.a. LinkedIn geäußert.

OLG Stuttgart: Kein weltweiter Unterlassungsanspruch für „Vitruvianischen Mensch“ außerhalb Italiens

Das OLG Stuttgart (AZ: 4 U 136/24) hat mit Urteil vom 11. Juni 2025 entschieden, dass das italienische Kulturministerium sowie das Galleria dell’Accademia in Venedig keinen Anspruch darauf haben, deutschen Unternehmen die Nutzung der Proportionsstudie Leonardo da Vincis „Vitruvianischer Mensch“ für kommerzielle Zwecke außerhalb Italiens zu untersagen.

Hintergrund

Die klagenden Unternehmen, darunter ein bekannter deutscher Puzzlehersteller, hatten gegen das italienische Kulturministerium und ein Museum in Venedig eine sogenannte negative Feststellungsklage erhoben. Ziel war die Feststellung, dass den italienischen Beklagten kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung des Werkes für Produkte außerhalb Italiens zusteht.

Ausgangspunkt war eine Abmahnung aus dem Jahr 2019, in der das italienische Museum die Nutzung des „Vitruvianischen Menschen“ für ein Puzzle ohne Lizenz untersagte. Die italienischen Stellen stützten sich auf das nationale Kulturgtzten sich auf das nationale Kulturgüterschutzgesetz (Codice dei beni culturali e del paesaggio), insbesondere auf Art. 107 ff., wonach für die Vervielfältigung von Kulturgütern Erlaubnis- und Lizenzpflichten bestehen.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Stuttgart bestätigte die Entscheidung des LG Stuttgart und stellte klar, dass sich die italienischen Vorschriften nicht auf das Ausland erstrecken. Das sogenannte Territorialitätsprinzip schließe eine extraterritoriale Anwendung des italienischen Rechts aus. Die deutschen Unternehmen durften daher das gemeinfreie Werk außerhalb Italiens frei nutzen.

Für das Gericht war auch entscheidend, dass es sich bei der Nutzung um eine nicht-hoheitliche Staatstätigkeit handelte, sodass die Staatenimmunität nicht greift. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wurde ebenfalls bejaht. Nur im Hinblick auf die in Italien ansässige Tochtergesellschaft der Klägerinnen (Klagpartei Nr. 3) wurde die Klage mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung hat große Bedeutung für Unternehmen, die gemeinfreie Werke aus anderen Staaten für Produkte nutzen. Nationale Kulturgutschutzgesetze haben keine weltweite Wirkung, sondern gelten grundsätzlich nur im eigenen Hoheitsgebiet. Unternehmer können sich daher darauf verlassen, dass rechtmäßige Nutzungen in Deutschland nicht ohne Weiteres von ausländischen Stellen untersagt werden können.

Die Entscheidung ist ein klares Bekenntnis zum internationalen Grundsatz der Territorialität und schafft Rechtssicherheit für die Nutzung gemeinfreier Kulturgüter im europäischen Wirtschaftsraum.

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Datum: 11.06.2025
Aktenzeichen: 4 U 136/24
Fundstelle: openJur 2025, 14759

OLG Köln: Bildagentur haftet für unlizenzierte Domfotos

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat mit Urteil vom 23. Mai 2025, AZ: 6 U 61/24, die Verurteilung einer Bildagentur zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 35.000 Euro bestätigt. Die Agentur hatte ohne entsprechende Lizenz 220 Fotografien aus dem Innenraum des Kölner Doms, darunter auch Aufnahmen des berühmten „Richter-Fensters“, zur kommerziellen Nutzung angeboten. Ein Teil des Schadensersatzes steht dem Künstler Gerhard Richter zu.

Hintergrund des Verfahrens

Bereits im Jahr 2022 wurde in einem Vorprozess (LG Köln, Az. 8 O 419/19; OLG Köln, Az. 19 U 130/21) rechtskräftig festgestellt, dass die Bildagentur nicht berechtigt war, die betreffenden Fotos kommerziell zu vertreiben, da die Eigentümerin des Doms keine entsprechende Lizenz erteilt hatte. In der nun entschiedenen Schadensersatzklage wurde zusätzlich geltend gemacht, dass durch die Abbildung des „Richter-Fensters“ auch Urheberrechte des Künstlers Gerhard Richter verletzt wurden.

Entscheidungsgründe des OLG Köln

Das OLG Köln bestätigte die Haftung der Bildagentur und stellte klar, dass diese ihre Prüfpflichten verletzt habe. Es sei nicht ausreichend, sich auf die Angaben der Fotografen zu verlassen; vielmehr müsse die Agentur selbst sicherstellen, dass alle erforderlichen Nutzungsrechte vorliegen. Die Agentur habe ihre Prüfpflichten jedenfalls fahrlässig verletzt, indem sie die Rechtmäßigkeit der Verwertung der Lichtbilder nicht oder nicht sorgfältig genug überprüft habe.

Die Höhe des Schadensersatzes bemisst sich nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben anhand einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr. Dem Künstler Gerhard Richter steht Schadensersatz in knapp fünfstelliger Höhe zu.

Kritische Stimmen zur Schadenshöhe

In der Fachöffentlichkeit wurde die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes teilweise als zu niedrig kritisiert. Angesichts der Bedeutung des „Richter-Fensters“ und der kommerziellen Nutzung durch die Bildagentur sei eine höhere Entschädigung angemessen gewesen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen und den Schutz geistigen Eigentums effektiv zu gewährleisten.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Köln unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Rechteklärung bei der kommerziellen Nutzung von Fotografien, insbesondere wenn urheberrechtlich geschützte Werke abgebildet sind. Unternehmen und Agenturen sollten sicherstellen, dass sie über alle erforderlichen Nutzungsrechte verfügen, um rechtliche Auseinandersetzungen und Schadensersatzforderungen zu vermeiden.

Revision nicht zugelassen

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Gegen das Urteil ist jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof möglich.

BGH: Kein Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen – Maßstäbe für Schutz von Gebrauchsdesign konkretisiert

Die Klägerin, ein Unternehmen der Birkenstock-Gruppe, sah in bestimmten Sandalenmodellen eines Mitbewerbers eine unzulässige Nachahmung ihrer bekannten Modelle „Boston“ und „Gizeh“. Sie machte geltend, dass diese urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst seien. Die Klage richtete sich auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung sowie Rückruf und Vernichtung der angegriffenen Modelle.

Kernaussagen des BGH

Der BGH bestätigte die Auffassung der Vorinstanz, dass die Modelle „Boston“ und „Gizeh“ keinen Urheberrechtsschutz genießen. Zentrale Begründung: Es handelt sich bei ihnen um rein designorientierte Gestaltungen, die keine hinreichende künstlerische Ausdruckskraft und Individualität aufweisen, um als „Werk“ im urheberrechtlichen Sinne anerkannt zu werden.


Abgrenzung zwischen Urheberrecht und Designrecht

Der BGH betonte, dass das Urheberrecht den Schutz persönlicher geistiger Schöpfungen gewährt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Bei Gebrauchsgegenständen wie Schuhen ist entscheidend, ob die Gestaltung über die bloße Funktionalität hinausgeht und Ausdruck einer freien kreativen Entscheidung des Urhebers ist.

Maßgebliche Kriterien:

  1. Technische Funktionalität: Eine Gestaltung, die im Wesentlichen durch funktionale Anforderungen geprägt ist, bietet keinen Raum für künstlerische Entscheidungen.
  2. Künstlerische Ausdruckskraft: Der Schutz setzt eine originelle, individuell geprägte Form voraus, die die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelt.
  3. Design ≠ Kunst: Das Gericht grenzt das bloße Design – also formal-ästhetische Gestaltung ohne schöpferische Tiefe – klar vom urheberrechtlich schützbaren Kunstwerk ab. Eine bloße „Unterschiedlichkeit“ zu bestehenden Formen reicht nicht aus.
  4. Ästhetische Wirkung allein genügt nicht: Der ästhetische Eindruck eines Produkts ist kein ausreichendes Kriterium für Urheberrechtsschutz. Entscheidend ist, ob ein Werkcharakter im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (u.a. Cofemel, Brompton Bicycle) vorliegt.

Auswirkungen auf den Schutz von Gebrauchsgegenständen und Mode

Die Entscheidung hat Signalwirkung für Designer und Hersteller in den Bereichen Mode, Möbel, Alltagsgegenstände:

  • Keine Privilegierung funktionaler Gestaltung: Selbst ikonische oder markante Produktdesigns genießen keinen automatischen Urheberrechtsschutz, wenn ihnen die erforderliche schöpferische Tiefe fehlt.
  • Stärkere Bedeutung des Designschutzes: Für viele Alltagsprodukte bleibt das eingetragene Design (ehem. Geschmacksmuster) das Mittel der Wahl zum Schutz gegen Nachahmung.
  • Modeindustrie besonders betroffen: Modedesigns unterliegen regelmäßig dem schnellen Wandel und basieren oft auf Trends. Hier ist der Spielraum für originäre künstlerische Schöpfung naturgemäß begrenzt – das Urteil bestätigt, dass diese Einschränkung auch urheberrechtlich berücksichtigt wird.
  • Weniger Kumulierung von Schutzrechten: Die parallele Geltendmachung von Urheberrecht und Designschutz wird restriktiver gehandhabt. Der Schutzumfang der jeweiligen Rechte bleibt getrennt – eine Kumulation setzt echte schöpferische Leistung voraus.

Fazit

Der BGH zieht eine klare Linie: Produktdesign ist nicht automatisch Kunst. Wer den Schutz des Urheberrechts beansprucht, muss eine kreative, originelle Leistung nachweisen, die über rein formale Gestaltung hinausgeht. Für die Praxis bedeutet dies: Unternehmen sollten frühzeitig prüfen, ob ihre Produkte designrechtlich oder markenrechtlich schützbar sind – denn der Rückgriff auf das Urheberrecht wird zunehmend anspruchsvoller.

Gericht: Bundesgerichtshof (BGH)
Datum der Entscheidung: 20. Februar 2025
Aktenzeichen: I ZR 17/24
Fundstelle: ZUM 2025, 465

Urheberrechtlicher Schutz für Kassettenschlüsselanhänger verneint: Klage vor dem LG Stuttgart erfolglos

In einem aktuellen Urteil hat das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 29.04.2025, Az. 17 O 412/24, nicht rechtskräftig) eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung und unlauteren Wettbewerbs im Zusammenhang mit einem Kassettenschlüsselanhänger vollumfänglich abgewiesen. Die von uns vertretene Beklagte konnte sich gegen die Ansprüche eines belgischen Herstellers erfolgreich verteidigen.

Worum ging es?

Die Klägerin, ein Unternehmen aus Belgien, produziert und vertreibt dekorative Gebrauchsgegenstände, darunter auch einen Schlüsselanhänger in Form einer handelsüblichen Musikkassette.

Sie machte geltend, dass es sich dabei um ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst handelt. Daneben stützte sie ihre Klage hilfsweise auf wettbewerbsrechtliche Vorschriften.

Im Mittelpunkt stand der Vorwurf, unsere Mandantin habe einen nahezu identischen Schlüsselanhänger auf Messen in Hamburg und Frankfurt ausgestellt und zum Verkauf angeboten. Gefordert wurde ein umfassendes Unterlassungsgebot, Auskunft, Herausgabe zur Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Stuttgart hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

  1. Kein Urheberrechtsschutz: Der von der Klägerin entworfene Kassettenschlüsselanhänger sei kein Werk der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Die Gestaltung basiere im Wesentlichen auf der Form klassischer Audiokassetten und erreiche nicht die erforderliche Schöpfungshöhe. Es handle sich um eine rein handwerkliche „Miniaturisierung“ eines bekannten Produkts.
  2. Kein wettbewerbsrechtlicher Schutz: Auch unter dem Gesichtspunkt des wettbewerblichen Leistungsschutzes (§ 4 Nr. 3 UWG) konnte die Klägerin keinen Erfolg erzielen. Das Gericht verneinte eine wettbewerbliche Eigenart des Produkts, da es sich bei dekorativen Schlüsselanhängern um sogenannte „Allerweltsprodukte“ handle, bei denen die angesprochenen Verkehrskreise keinen besonderen Herkunftshinweis aus der Gestaltung ableiten.

Fazit

Das Urteil unterstreicht die Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Gebrauchsdesigns und die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung zu bereits bekannten Formgestaltungen. Auch die Anforderungen an den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz wurden deutlich herausgearbeitet.

Unsere Kanzlei konnte in diesem Verfahren die Klage erfolgreich abwehren und damit eine aus unserer Sicht wichtige Entscheidung zur Abgrenzung von schutzfähigen Gestaltungen bei Gebrauchsgegenständen mit dekorativem Charakter herbeiführen.

Bundespatentgericht erklärt Marke wegen Urheberrechtsverletzung für nichtig – „Engelsflügel“ auf Kleidung

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 21. Oktober 2024 die Löschung der eingetragenen Bildmarke „Engelsflügel“ (Nr. 30 2019 015 590) wegen eines älteren Urheberrechts angeordnet. Die Entscheidung unterstreicht, dass nicht eingetragene Werke der angewandten Kunst, wie etwa Applikationen auf Kleidung, markenrechtliche Eintragungen zu Fall bringen können – sofern sie urheberrechtlich geschützt sind.

Der Fall: Strassbesetzte Flügel gegen geschützte Kreativität

Die Antragstellerseite – ein Designerpaar aus Hamburg – hatte bereits 2015 ein auffälliges Motiv für Textilien entworfen: Zwei Engelsflügel, verbunden durch eine Korsettschnürung, umgesetzt mit Strass-Steinen. Dieses Motiv wurde im eigenen Ladengeschäft verkauft und beworben. Jahre später ließ ein Konkurrent aus der unmittelbaren Nachbarschaft ein ähnliches Motiv als Marke eintragen.

Der Streit: Urheberrecht gegen Markenrecht

Gegen die Marke wurde Nichtigkeitsantrag gestellt – gestützt auf ein älteres Urheberrecht. Das DPMA lehnte den Antrag zunächst ab mit der Begründung, es fehle an der erforderlichen Schöpfungshöhe. Doch das Bundespatentgericht sah das anders: Es bejahte die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Gestaltung, da sie eine eigenschöpferische Leistung darstelle, die sich ausreichend vom vorbekannten Formenschatz abhebe. Besonders die konkrete Ausgestaltung der Schnürung und die Komposition der Flügel seien Ausdruck künstlerischer Freiheit.

Angemeldete Marke:

Älteres Design:

Die Entscheidung: Marke gelöscht

Das BPatG stellte klar: Die Eintragung der Marke war nichtig, da sie ein älteres Urheberrecht verletze. Die Marke sei keine freie Benutzung im Sinne des alten
§ 24 UrhG, sondern eine unfreie Bearbeitung. Der Urheber könne demnach bundesweit Unterlassung verlangen. Auch wenn der Schutzbereich aufgrund der Vielzahl an Engelsflügelmotiven gering sei, werde er im konkreten Fall durch die besondere Schnürung und den kompositorischen Kontrast bestimmt.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung zeigt, dass auch nicht eingetragene Werke – etwa Designs auf Kleidung – schutzfähig sein und bestehende Markenrechte zu Fall bringen können. Besonders relevant ist dies für Branchen, in denen kreative Designs zur Produktidentität gehören, wie Mode oder Accessoires. Unternehmer sollten sich daher nicht allein auf eine Markenanmeldung verlassen, sondern auch bestehende Urheberrechte Dritter sorgfältig prüfen.

Gericht: Bundespatentgericht (BPatG)
Datum der Entscheidung: 21. Oktober 2024
Aktenzeichen: 29 W (pat) 39/21
Fundstelle: GRUR 2025, 755