Ein Blick in die DSGVO-Absurdität: Warum eine Google-Recherche 250 Euro kosten kann

Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 19. August 2025 (Az. 42 C 61/25) eine Entscheidung getroffen, die erneut zeigt, welche absurden Blüten die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der Praxis treiben kann.

Die Fallkonstellation: Recherche im Rechtsstreit

Ein Unternehmen hatte sich gegen eine Klage verteidigt, die von einem Kläger eingereicht wurde, der sich zuvor bei ihm beworben hatte. Um die Glaubwürdigkeit des Klägers zu überprüfen und einen möglichen Missbrauch zu klären, führte das Unternehmen eine Recherche durch – ganz einfach per Google. Dabei stieß es auf Informationen, die es für den Rechtsstreit als relevant ansah und in einem Schriftsatz vor Gericht verwendete. Was das Unternehmen jedoch versäumte: Es informierte den Kläger nicht unmittelbar über die durchgeführte Recherche.


Was das Gericht sagt: Der Recherche ist die Transparenz zu folgen

Das Gericht stellte fest, dass die Recherche an sich zulässig war, da sie der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens diente, nämlich der Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren. Das Amtsgericht Düsseldorf stellte klar, dass dies auch gilt, wenn die Ergebnisse der Google-Suche negative oder abwertende Inhalte über die betroffene Person zutage fördern.

Der entscheidende Haken, der die Verurteilung auslöste, war die fehlende Information des Klägers über die Datenerhebung. Nach Ansicht des Gerichts genügte es nicht, die Recherche-Ergebnisse lediglich im gerichtlichen Schriftsatz zu erwähnen. Das Unternehmen hätte den Kläger vielmehr „unverzüglich“ und „unmittelbar“ nach der Durchführung der Recherche über die Kategorien der verarbeiteten Daten informieren müssen.


Immaterieller Schaden ohne „Erheblichkeit“: Der Kontrollverlust genügt

Das Urteil unterstreicht, dass bereits ein einfacher Verstoß gegen die Informationspflicht einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz auslösen kann. Ein „erheblicher Nachteil“ der betroffenen Person ist dabei nicht erforderlich. Das Gericht beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach bereits der „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellt, selbst wenn es zu keiner missbräuchlichen Verwendung gekommen ist.

Besonders bemerkenswert ist, dass das Gericht dem Kläger in diesem Fall einen Schadensersatz von 250 Euro zusprach. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Recherche im Gegensatz zu anderen Fällen keine Außenwirkung hatte, da sie ausschließlich im Rahmen des Rechtsstreits stattfand. Zudem berücksichtigte das Gericht, dass der Kläger nach eigenen Angaben bereits eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren geführt hatte und ein Datenschutzverstoß für ihn daher eine geringere „Strahlkraft“ habe.


Ein Fazit, das die Absurditäten der DSGVO offenlegt

Dieses Urteil ist ein beispielhafter Beweis für die Absurditäten der DSGVO. Es macht deutlich, dass selbst ein Unternehmen, das sich in einem Gerichtsverfahren wehrt und dafür im Internet frei verfügbare Informationen über den Kläger recherchiert, in eine DSGVO-Falle tappen kann. Die DSGVO verlangt hier nicht nur Transparenz, sie verlangt sie unverzüglich. Die Folgen sind bekannt: Auch wenn man alles richtig gemacht hat, kann man wegen eines Formfehlers zu Schadensersatz verurteilt werden.

An dieser Stelle drängt sich der Verweis auf unser Blog-Update vom 5. September 2025 auf. Dort haben wir bereits dargelegt, wie die aktuelle Rechtsprechung die DSGVO-Auswüchse weiter befeuert. Insbesondere sei hier auf das jüngste Urteil des EuGH vom 4. September 2025 (Az. C-655/23) verwiesen, das dem Trend des „Schadensersatzes ohne Schaden“ Tür und Tor öffnet und die Situation für Unternehmen noch weiter verschärft.


Gericht: Amtsgericht Düsseldorf
Datum: 19.08.2025
Aktenzeichen: 42 C 61/25
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 22886

YouTube-Sperrung: Wann eine Plattform ohne Anhörung handeln darf

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung die Rechte und Pflichten von Video-Plattformen wie YouTube bei der Moderation von Inhalten und der Sperrung von Nutzerkonten beleuchtet. Im Kern ging es um die Frage, ob eine Plattform einen Nutzer vor einer vorübergehenden Kontosperrung zwingend anhören muss oder ob eine nachträgliche Anhörung ausreicht.

Der Fall: Wiederholte Verstöße und die Folgen

Ein bekannter YouTuber klagte gegen die Betreibergesellschaft von YouTube. Er hatte wiederholt Videos hochgeladen, die nach Ansicht der Plattform gegen deren Community-Richtlinien verstießen. YouTube entfernte die Videos und verhängte in der Folge vorübergehende Funktionseinschränkungen, sogenannte „Verwarnungen“ (im englischen Sprachraum „strikes“), gegen sein Konto. Der Kläger forderte die Freistellung von seinen Anwaltskosten, die Löschung aller Vermerke über die Verstöße sowie die Unterlassung künftiger Kontosperrungen ohne vorherige Anhörung.

Er argumentierte, die Maßnahmen seien vertragswidrig gewesen, da die Nutzungsbedingungen keine vorherige Anhörung vorsahen. Dies verstoße gegen die vom Bundesgerichtshof (BGH) in Bezug auf Facebook-Entscheidungen aufgestellten Grundsätze. Dort wurde eine Anhörung vor einer Kontosperrung als grundsätzlich geboten angesehen.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm wies die Berufung des Klägers vollumfänglich zurück. Der Senat stellte klar, dass die Rechtsprechung des BGH zu Facebook nicht ohne Weiteres auf YouTube übertragbar ist.

  • Kein Freistellungsanspruch für Anwaltskosten: Die Anwaltskosten wurden nicht als erstattungsfähig angesehen. Das Gericht betonte, dass der Kläger als erfahrener Nutzer die von YouTube bereitgestellten Beschwerde-Tools hätte nutzen müssen, bevor er einen Anwalt beauftragte. Die Beauftragung eines Anwalts war in diesen Fällen grundsätzlich nicht erforderlich.
  • Keine Anhörungspflicht bei Eskalationsstufen: Der zentrale Punkt des Urteils ist die Abwägung der Interessen. Das Gericht erkannte an, dass die Nutzungsbedingungen von YouTube ein gestuftes Vorgehen bei Verstößen vorsehen. Bei einem ersten Verstoß erfolgt lediglich eine Warnung. Erst bei wiederholten Verstößen innerhalb eines bestimmten Zeitraums folgen weitere, gestaffelte Maßnahmen wie vorübergehende Kontoeinschränkungen.Das OLG Hamm befand dieses System für angemessen. Es ist nicht unverhältnismäßig, bei einem Nutzer, der bereits gegen die Richtlinien verstoßen hat, aus Präventionsgründen ohne vorherige Anhörung zu handeln, um die Verbreitung weiterer potenziell rechtswidriger Inhalte zu verhindern. Es genügt, dem Nutzer die Möglichkeit zur nachträglichen Gegendarstellung zu geben. Die in den Nutzungsbedingungen verankerte Möglichkeit einer nachträglichen Beschwerde und Neubescheidung ist ausreichend.
  • Kein Anspruch auf Datenlöschung: Auch der Anspruch auf Löschung der Vermerke über die Videolöschungen und Sperrungen wurde abgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass YouTube die Daten zur Verteidigung ihrer rechtlichen Position im laufenden Gerichtsverfahren speichern durfte. Ein Löschungsanspruch aus der DSGVO ist daher ausgeschlossen.

Die Bedeutung des Urteils für Unternehmer

Die Entscheidung des OLG Hamm unterstreicht, dass Plattformbetreiber mit einem transparenten und abgestuften Vorgehen bei der Inhaltsmoderation auf der sicheren Seite sein können. Das Urteil bietet eine wichtige Orientierung für die rechtliche Bewertung von Content-Moderationssystemen. Es erkennt an, dass die Betreiber von Online-Plattformen bei wiederholten Verstößen schnell und präventiv handeln müssen, um die Integrität ihrer Dienste zu schützen.


Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Datum: 03.06.2025
Aktenzeichen: 21 U 62/23

Beteiligung von Urhebern an den Werbeeinnahmen von Sendern?

Laut einem Bericht der Legal Tribune Online (LTO) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 15. November 2024 zurückgewiesen. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Dies ist ein bedeutender Erfolg für Urheber und ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz in der Medienbranche.


Das Oberlandesgericht Köln hatte in seiner Entscheidung festgestellt, dass einer Filmemacherin ein Auskunftsanspruch gegenüber einem Sendeunternehmen zusteht, der auch die Werbeeinnahmen umfasst, die im zeitlichen Zusammenhang mit ihren Produktionen erzielt wurden. Der Gerichtshof argumentierte, dass die Auskunftspflicht nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) nicht auf direkte Einnahmen aus der Werknutzung beschränkt sei, sondern auch Vorteile einschließe, die sich aus der Ausstrahlung des Werks ergeben. Dazu gehören Werbespots, die unmittelbar vor, während der Pausen und nach der Sendung gezeigt werden. Das Gericht wies das Argument der Beklagten zurück, diese Einnahmen stünden in keinem kausalen Zusammenhang zur einzelnen Produktion, und sah die Werbeeinnahmen als zentralen wirtschaftlichen Faktor an.


Auskunft und Folgeansprüche: Die zwei Stufen des Urheberrechts

Aus der Verurteilung zur Auskunftspflicht lässt sich nicht zwingend ableiten, dass die Klägerin auch in ihren Folgeansprüchen auf Nachvergütung erfolgreich sein wird. Die Auskunftspflicht ist lediglich die erste Stufe eines zweistufigen Verfahrens. Sie dient dazu, dem Urheber die notwendigen Informationen zu verschaffen, um beurteilen zu können, ob seine ursprüngliche Vergütung im Sinne des sogenannten Fairness-Paragraphen (§ 32a UrhG) „unverhältnismäßig niedrig“ war.

Die Auskunft verschafft dem Urheber die Transparenz über die tatsächlichen Erträge und Vorteile des Verwerters. Erst mit diesen konkreten Zahlen kann er dann in einem zweiten Schritt einen Anspruch auf eine weitere, angemessene Beteiligung geltend machen. Der Erfolg dieses Nachvergütungsanspruchs hängt aber von der individuellen Bewertung ab, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen der ursprünglichen Vergütung und den nun offengelegten Einnahmen besteht. Die Auskunftspflicht ist also ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für einen erfolgreichen Zahlungsanspruch.


Die Bedeutung für Sendeanstalten: Werden Verträge seltener?

Das Urteil des OLG Köln, das nun rechtskräftig ist, stellt Sendeunternehmen vor die Herausforderung, ihre internen Abrechnungssysteme anzupassen. Die detaillierte Zuordnung von Werbeeinnahmen zu einzelnen Produktionen erfordert eine hohe Transparenz in den eigenen Geschäftsprozessen. Die Befürchtung, dass Sender künftig weniger Produktionsaufträge vergeben, um das Risiko einer Beteiligung an Werbeeinnahmen zu vermeiden, ist denkbar.

Diese Entwicklung könnte jedoch auch zu einer positiven Veränderung führen. Die Gesetzgebung zielt darauf ab, ein gerechteres Gleichgewicht zwischen den Kreativen und den Verwertern ihrer Werke zu schaffen. Sender könnten gezwungen sein, ihre Vergütungsmodelle von Grund auf neu zu denken und faire Verträge anzubieten, die von Beginn an eine angemessene Beteiligung der Urheber vorsehen. Anstatt weniger Aufträge zu vergeben, könnten Sendeunternehmen sich auf qualitativ hochwertige Produktionen konzentrieren, die nachweislich einen hohen kommerziellen Wert für sie haben, und die Kreativen daran beteiligen.


Folgen für Film- und TV-Produzenten: Ein zweischneidiges Schwert

Für Produktionsfirmen bietet die Entscheidung des OLG Köln eine stärkere Verhandlungsposition. Sie können sich nun auf einen Präzedenzfall berufen, um eine höhere Transparenz und potenziell bessere Konditionen in den Verträgen zu fordern. Das Urteil ist ein wichtiges Instrument, um den Wert ihrer Arbeit nachvollziehbar zu machen und sich gegen eine unangemessen niedrige Vergütung zu wehren. Das Potenzial für höhere Einnahmen durch Nachvergütungsansprüche ist eine klare Chance.

Gleichzeitig könnten sich die Verhandlungen mit Sendeanstalten als komplexer erweisen. Wenn Sender vorsichtiger werden, könnten sie restriktivere Verträge anbieten, die versuchen, die Auskunftsrechte der Urheber zu beschränken. Zudem kann die rechtliche Durchsetzung der Ansprüche aufwendig und kostspielig sein. Letztlich schafft das Urteil eine stärkere rechtliche Grundlage, um eine angemessene Vergütung durchzusetzen, verlangt von den Produzenten jedoch auch, sich auf neue, potenziell langwierige rechtliche Auseinandersetzungen einzustellen.


Gerichtsentscheidung

  • Gericht: Oberlandesgericht Köln
  • Datum: 15. November 2024
  • Aktenzeichen: 6 U 60/24
  • Fundstelle: openJur 2024, 11087

BGH-Urteil: Verweis auf Online-AGB in postalischer Vertragsanbahnung ist unwirksam

Die Digitalisierung vereinfacht viele Geschäftsprozesse. Ein gängiges Vorgehen ist es, bei postalisch angebahnten Verträgen für die Details auf die online verfügbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu verweisen. Dieses Vorgehen spart Papier und Aufwand. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einer solchen Vorgehensweise nun in einer Entscheidung eine Absage erteilt. Die Begründung dafür ist für die Vertragsgestaltung von Unternehmen von grundsätzlicher Bedeutung.

Der zugrundeliegende Sachverhalt

Ein Telekommunikationsunternehmen bewarb einen DSL-Anschluss mittels Postwurfsendungen. Ein Vertragsschluss konnte durch das Ausfüllen und postalische Zurücksenden eines beigefügten Formulars erfolgen. In diesem Formular fand sich die Klausel: „Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)“.

Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen die Verwendung dieser Klausel. Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Düsseldorf, gab der Klage statt und begründete dies im Wesentlichen mit einem unzumutbaren „Medienbruch“. Es sei einem Verbraucher nicht zuzumuten, bei einem per Post geschlossenen Vertrag für die Lektüre der AGB auf das Internet zugreifen zu müssen. Der BGH bestätigte das Ergebnis, wählte aber einen anderen juristischen Weg.

Die Entscheidung des BGH: Fokus auf Transparenz statt Medienbruch

Der Bundesgerichtshof stufte die Klausel ebenfalls als unwirksam ein, ließ die Frage des Medienbruchs jedoch ausdrücklich offen. Die Richter legten den Fokus stattdessen auf die Formulierung der Klausel selbst und wandten den Maßstab der kundenfeindlichsten Auslegung an.

Nach diesem Grundsatz wird eine Klausel im Verbandsklageverfahren so ausgelegt, wie sie von einem rechtlich unbedarften Kunden im für ihn ungünstigsten, aber noch denkbaren Fall verstanden werden könnte. Die Klausel „Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www.1n.de/agb)“ stellt nach Ansicht des BGH eine dynamische Verweisung dar.

Dies bedeutet, die Klausel verweist nicht auf eine bestimmte, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fixierte Version der AGB. Stattdessen könnte sie so verstanden werden, dass das Unternehmen die online hinterlegten AGB jederzeit einseitig ändern kann und die jeweils aktuelle Fassung automatisch für den bestehenden Vertrag Geltung beansprucht. Damit würde sich der Klauselverwender ein weitreichendes Recht zur einseitigen Vertragsänderung vorbehalten.

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Eine solche Möglichkeit zur einseitigen Vertragsanpassung verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für den Vertragspartner ist bei Vertragsschluss nicht klar und vorhersehbar, welche Rechte und Pflichten ihn zukünftig treffen werden. Das wirtschaftliche Risiko ist für ihn nicht abschätzbar. Eine Klausel, die derart weitreichende, unbestimmte Änderungsmöglichkeiten eröffnet, benachteiligt den Vertragspartner unangemessen und ist folglich unwirksam.

Konsequenzen aus dem Urteil für die Vertragspraxis

  1. Pauschale AGB-Verweise sind riskant: Auf pauschale Verweise, die lediglich eine URL zu einer AGB-Seite ohne Versionsangabe enthalten, sollte verzichtet werden. Die Gefahr einer Einstufung als unzulässige dynamische Verweisung ist hoch.
  2. Statische Einbeziehung ist erforderlich: Es muss sichergestellt werden, dass eine konkrete, datierbare Version der AGB Vertragsbestandteil wird.
    • Bei Offline-Verträgen: Der sicherste Weg bleibt das Beifügen eines Ausdrucks der AGB.
    • Bei Online-Verträgen: Hier empfiehlt sich die Einbindung der AGB als festes, speicherbares Dokument (z.B. PDF) und die Einholung einer Bestätigung des Kunden (z.B. per Checkbox), dass die AGB in einer bestimmten, klar bezeichneten Version akzeptiert werden.
  3. Anforderungen an Änderungsklauseln: Sogenannte Änderungs- und Anpassungsklauseln in AGB, die spätere Modifikationen ermöglichen sollen, unterliegen strengen Transparenzanforderungen. Grund, Umfang und Voraussetzungen für eine Änderung müssen darin präzise beschrieben sein.

Fazit

Die Entscheidung des BGH stärkt das Transparenzgebot und den Schutz von Vertragspartnern vor überraschenden, einseitigen Vertragsänderungen. Für Unternehmen unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, die eigenen Prozesse zur Einbindung von AGB kritisch zu prüfen und auf eine klare, faire und rechtssichere Gestaltung zu achten.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum: 10.07.2025
Aktenzeichen: III ZR 59/24

Werbung auf Vergleichsportalen: OLG Karlsruhe zieht klare Grenzen zwischen Schleichwerbung und zulässigen Empfehlungen

Unternehmer, die Online-Vergleichsportale für Werbung nutzen oder selbst betreiben, stehen oft vor der Frage: Wie transparent muss Werbung gekennzeichnet sein? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 27. August 2025 gibt hierzu wichtige und praxisrelevante Antworten. Es zeigt, dass ein kleines „Anzeige“ oft nicht ausreicht, während ein selbstvergebener „Tarif-Tipp“ unter bestimmten Umständen zulässig sein kann.

Der Fall: Stromanbieter gegen Vergleichsportal

Ein Stromlieferant verklagte den Betreiber eines bekannten Online-Vergleichsportals für Stromtarife. Der Kläger beanstandete zwei Aspekte des Internetauftritts im einstweiligen Verfügungsverfahren:

  1. Versteckte Werbung: Nach einer Suchanfrage zeigte das Portal an den obersten beiden Positionen (sogenannte „0-Positionen“) bezahlte Werbeplatzierungen an. Diese waren zwar mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet, allerdings nur in kleiner, unauffälliger Schrift am Rand des farblich hervorgehobenen Angebotsfeldes. Die eigentlichen, neutralen Suchergebnisse erschienen erst weiter unten auf der Seite, nachdem der Nutzer scrollen musste.
  2. Irreführender „Tarif-Tipp“: Eines der Werbeangebote war zusätzlich mit einem siegelartigen Symbol mit der Aufschrift „TARIF-TIPP Top Service“ versehen. Der Kläger sah darin eine Irreführung der Verbraucher, da nicht ersichtlich war, auf welcher Grundlage diese besondere Empfehlung beruhte. Er vermutete, es handle sich um eine rein bezahlte Hervorhebung.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das Gericht traf eine differenzierte Entscheidung und gab der Klage nur teilweise statt.

1. Unzureichende Kennzeichnung von Werbung ist unzulässig

Hinsichtlich der Kennzeichnung der Werbeplätze in den 0-Positionen bestätigte das OLG die Entscheidung der Vorinstanz: Die Gestaltung war unlauter und damit wettbewerbswidrig.

Die Richter stuften die unzureichende Kennzeichnung als einen sogenannten „Per-se-Verstoß“ ein. Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist es stets unzulässig, Suchergebnisse anzuzeigen, ohne bezahlte Werbung oder spezielle Zahlungen für ein höheres Ranking „eindeutig offenzulegen“.

Das Gericht befand, dass die Kennzeichnung im vorliegenden Fall alles andere als eindeutig war. Folgende Gründe waren ausschlaggebend:

  • Zu unauffällig: Das Wort „Anzeige“ war im Verhältnis zu anderen, blickfangartigen Elementen wie dem Preis oder dem großen, farbigen Button „ZUM ANGEBOT“ viel zu klein und unscheinbar platziert.
  • Gesamteindruck zählt: Die farbliche Hervorhebung der Werbeplätze und zusätzliche Siegel erweckten beim Verbraucher den Eindruck, es handele sich um besonders passende Empfehlungen des Portals und nicht um gekaufte Werbung.
  • Platzierung und Scrolling: Da die „echten“ Suchergebnisse mit der Überschrift „Ihre ermittelten Ergebnisse“ erst nach dem Scrollen sichtbar wurden, bestand eine hohe Gefahr, dass Nutzer die obersten Treffer für die besten Ergebnisse halten und ihre Entscheidung treffen, ohne je von deren Werbecharakter zu erfahren.

Das OLG stellte klar: Der kommerzielle Zweck muss für den durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher auf den ersten Blick und ohne Anstrengung erkennbar sein. Eine Verwechslungsgefahr mit neutralen Suchergebnissen muss ausgeschlossen werden.

2. Ein „Tarif-Tipp“ des Portals ist keine neutrale Prüfung

Überraschender für viele mag die Entscheidung zum „TARIF-TIPP“ sein. Hier hob das OLG das Verbot der Vorinstanz auf und erlaubte die Verwendung des Symbols.

Die Begründung liegt in der Erwartungshaltung der Verbraucher. Das Gericht argumentierte, dass ein „TARIF-TIPP“, der erkennbar vom Portalbetreiber selbst stammt, nicht mit einem offiziellen Prüf- oder Gütesiegel einer neutralen, unabhängigen Stelle (wie z. B. Stiftung Warentest) verwechselt werden könne.

Verbraucher wissen, dass Vergleichsportale kommerzielle Interessen verfolgen und ihr Geld unter anderem mit Provisionen oder Werbung verdienen. Daher bringen sie einer Eigenempfehlung des Portals von vornherein nicht dasselbe Vertrauen entgegen wie einem neutralen Testergebnis. Die Empfehlung wird eher als subjektive Anpreisung und nicht als das Ergebnis einer objektiven, nach strengen Kriterien durchgeführten Prüfung verstanden.

Daher sei die Information, nach welchen genauen Kriterien der „Tipp“ vergeben wird, für die Kaufentscheidung des Verbrauchers nicht so wesentlich, dass ihr Vorenthalten eine Irreführung darstelle. Das Gericht sah die Auszeichnung als eine Form des zulässigen (Fremd-)Lobs an, solange nicht fälschlicherweise behauptet wird, sie beruhe auf einer objektiven Prüfung.

Praktische Konsequenzen für Unternehmer

  • Für Portalbetreiber und Online-Shops: Prüfen Sie die Kennzeichnung von Werbung und gesponserten Inhalten kritisch. Ein versteckter Hinweis genügt nicht. Die Offenlegung muss so gestaltet sein, dass sie nicht übersehen werden kann. Im Zweifel gilt: lieber zu deutlich als zu dezent.
  • Für Werbetreibende: Achten Sie darauf, wie Ihre Anzeigen auf fremden Plattformen dargestellt werden. Eine unzureichende Kennzeichnung durch den Portalbetreiber kann auch auf Sie als Werbenden zurückfallen.
  • Für alle Unternehmen: Subjektive Empfehlungen oder eigene „Tipps“ sind rechtlich weniger problematisch als die Werbung mit Begriffen, die eine objektive Prüfung suggerieren („geprüft“, „zertifiziert“, „Testsieger“). Sobald der Eindruck einer neutralen Instanz erweckt wird, gelten extrem strenge Transparenzanforderungen.

Dieses Urteil unterstreicht erneut die wachsende Bedeutung von Transparenz im Online-Marketing. Gerichte legen die gesetzlichen Anforderungen an eine klare Offenlegung von Werbung zunehmend streng aus.


Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe

Datum: 27.08.2025

Aktenzeichen: 6 U 12/25

DSGVO-Schadensersatz: EuGH öffnet die Tore, BGH zeigt die Notbremse für Blogs

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist für viele Unternehmer ein Feld voller rechtlicher Minen. Besonders die Frage, wann und in welcher Höhe Schadensersatz für Datenschutzverstöße zu zahlen ist, sorgt für massive Unsicherheit. Zwei hochkarätige Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesgerichtshofs (BGH) stecken das Spielfeld nun neu ab. Das Ergebnis: Die Haftungsrisiken steigen, doch es gibt auch neue, wichtige Verteidigungsmöglichkeiten.

1. EuGH: Jeder Ärger zählt – Die Schwelle für Schadensersatz fällt

In einer grundlegenden Entscheidung hat der EuGH (Urteil vom 4. September 2025, Az. C-655/23) die Hürden für Kläger, die einen immateriellen Schaden nach Art. 82 DSGVO geltend machen, praktisch eingerissen. Der Fall war alltäglich: Eine Bank hatte im Rahmen eines Bewerbungsprozesses eine Nachricht mit Gehaltsdetails versehentlich an einen Dritten geschickt. Der Kläger forderte Schadensersatz für die Sorge, den Kontrollverlust über seine Daten und die empfundene Bloßstellung.

Die Kernaussagen des EuGH sind für Unternehmen alarmierend:

  • Keine „Bagatellgrenze“: Für einen ersatzfähigen Schaden muss keine Erheblichkeitsschwelle überschritten werden. Bloße negative Gefühle wie Ärger, Unmut, Sorge oder Angst, die aus dem Verstoß resultieren, können ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen.
  • Verschulden irrelevant für die Höhe: Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe darf der Grad des Verschuldens (also ob der Fehler fahrlässig oder vorsätzlich geschah) keine Rolle spielen. Der Schadensersatz soll allein den erlittenen Schaden ausgleichen, nicht den Verantwortlichen bestrafen.

Das Urteil öffnet Tür und Tor für eine Klagewelle, die das eigentliche Schutzziel der DSGVO ad absurdum führen könnte. Wenn bereits alltägliche negative Empfindungen, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts zum „allgemeinen Lebensrisiko“ gehören, für einen Anspruch ausreichen, wird aus dem Datenschutzrecht ein Reparaturbetrieb für Befindlichkeiten. Für Unternehmen bedeutet dies eine Rechtsunsicherheit. Jeder noch so kleine Fehler, wie ein falsch adressierter Newsletter, kann nun potenziell zu Schadensersatzforderungen führen.

Zudem hebelt der EuGH damit faktisch die bisherige, differenziertere Rechtsprechung des BGH aus. Dieser hatte zwar jüngst den „Kontrollverlust“ über Daten ebenfalls als Schaden anerkannt, jedoch verlangten deutsche Gerichte bislang oft einen substantiierten Vortrag, worin der Schaden konkret besteht. Diese Anforderung dürfte nach dem Verdikt aus Luxemburg schwer haltbar sein. Der Kläger muss zwar weiterhin nachweisen, dass der Verstoß die negativen Gefühle verursacht hat, die Messlatte dafür liegt nun aber niedrig.

2. BGH: Die Ausnahme für die Öffentlichkeit – Das unterschätzte Medienprivileg

Während der EuGH die Haftung ausweitet, liefert der BGH in einer anderen Entscheidung (Urteil vom 29. Juli 2025, Az. VI ZR 426/24) eine wichtige Einschränkung, die für viele Blogger relevant ist: das Medienprivileg nach Art. 85 DSGVO.

In dem Fall nutzte eine rechtsextreme Kleinstpartei den Namen eines Politikers der Linken auf ihrem Telegram-Kanal, um für eine Demonstration zu werben. Der Politiker klagte unter anderem auf Schadensersatz nach der DSGVO – und scheiterte.

Die Begründung des BGH ist ein Weckruf für alle, die öffentlich kommunizieren:

  • Journalismus ist nicht nur Presse: Die Verarbeitung von Daten „zu journalistischen Zwecken“ ist von vielen strengen DSGVO-Regeln ausgenommen. Der BGH legt diesen Begriff sehr weit aus. Er umfasst jede Tätigkeit, die darauf abzielt, Informationen in der Öffentlichkeit zu verbreiten und an der Meinungsbildung mitzuwirken.
  • Auch Parteien und Unternehmen können „Journalisten“ sein: Dieses Privileg gilt nicht nur für klassische Medien. Auch ein Telegram-Kanal einer politischen Partei kann darunterfallen. Entscheidend ist der Zweck der Veröffentlichung, nicht die Organisationsform.
  • Folge: Kein DSGVO-Anspruch: Unterfällt eine Veröffentlichung dem Medienprivileg, sind zentrale DSGVO-Vorschriften wie Art. 6 (Rechtmäßigkeit) nicht anwendbar. Damit entfällt auch die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO, der auf der Verletzung dieser Vorschriften beruht.

Aber: Der BGH stellte jedoch auch unmissverständlich klar: Nur weil der DSGVO-Anspruch durch das Medienprivileg blockiert ist, bedeutet das keinen Freifahrtschein. Ansprüche aus nationalem Recht, insbesondere wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB), bleiben davon unberührt und können parallel bestehen. Genau hier nahm der BGH eine entscheidende Weichenstellung vor und erklärte den Unterschied zwischen einem Unterlassungsanspruch (der in erster Instanz bereits erfolgreich war) und einem Anspruch auf Geldentschädigung. Der Unterlassungsanspruch (präventiv): Dieser Anspruch hat eine niedrigere Hürde. Um eine Äußerung für die Zukunft zu verbieten, reicht es bereits aus, wenn sie mehrdeutig ist und eine der möglichen Interpretationen die Rechte einer Person verletzt. Es geht darum, potenziellem Schaden vorzubeugen. Der Schadensersatzanspruch (Sanktion): Hier liegt die Messlatte höher. Da es sich um eine Sanktion für einen bereits entstandenen Schaden handelt, muss bei mehrdeutigen Äußerungen die für den Beklagten günstigste und den Kläger am wenigsten verletzende Deutungsvariante zugrunde gelegt werden.

3. Fazit:

à Risiko-Maximierung bei internen Prozessen: Nach dem EuGH-Urteil muss jeder interne Prozess, bei dem personenbezogene Daten verarbeitet werden (HR, Marketing, Vertrieb), absolut wasserdicht sein. Die Verteidigung, ein Fehler habe „keinen echten Schaden“ verursacht, ist massiv geschwächt.

-> Risiko-Minimierung bei öffentlicher Kommunikation: Wenn Ihr Unternehmen öffentlich kommuniziert – sei es über einen Corporate Blog, Pressemitteilungen oder Social-Media-Kanäle – und damit zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt, könnten Sie sich auf das Medienprivileg berufen. Dies kann ein starker Schutzschild gegen Schadensersatzforderungen nach der DSGVO sein.

-> Nationales Recht bleibt bestehen: Achtung: Das Medienprivileg schützt nur vor den Ansprüchen aus der DSGVO. Ansprüche aus anderen Gesetzen, wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, bleiben davon unberührt.

Gericht, Datum, Aktenzeichen:

Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 4. September 2025, Az. C-655/23

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29. Juli 2025, Az. VI ZR 426/24

Kammergericht Berlin: Doch keine zwingende Nutzung von Meldeformularen von Online-Plattformen

Der Digital Services Act (DSA) hat für Online-Plattformen und ihre Nutzer zahlreiche neue Regeln gebracht. Ein zentraler Punkt ist die Meldung rechtswidriger Inhalte, etwa bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Urheberrechtsverletzungen oder Markenrechtsverstößen. Das Kammergericht Berlin hat in einem wegweisenden Beschluss klargestellt, dass die Nutzung des von den Plattformen bereitgestellten Meldeverfahrens für Nutzer nicht zwingend ist, um ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die vor allem für Unternehmer von großer Bedeutung ist.

Der Fall: E-Mail statt Meldeformular

Das Landgericht Berlin argumentierte, dass nach den neuen DSA-Regeln die erforderliche Kenntnis des Plattformbetreibers nur dann als gegeben gilt, wenn der Betroffene das vorgesehene elektronische Meldeverfahren nutzt. Eine formlose Mitteilung per E-Mail sei unzureichend, selbst wenn sie den Verstoß klar benenne.

Bereits am 14. August 2025 haben wir in einem Blogbeitrag über die Entscheidung des Landgerichts Berlin berichtet, das in einem Eilverfahren den Antrag eines Nutzers auf Entfernung von Inhalten zunächst abgewiesen hatte. Die Antragstellerin hatte die Plattform nicht über das offizielle, vom Anbieter eingerichtete Melde- und Abhilfeverfahren kontaktiert, sondern die Rechtsverletzung auf anderem Weg, nämlich durch ein anwaltliches Schreiben per E-Mail, gemeldet.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin

Das Kammergericht Berlin sah das anders und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. In seinem Beschluss vom 25. August 2025 stellte es klar, dass es für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen keinen Zwang gibt, das Meldeverfahren der Online-Plattform zu nutzen.

Entscheidend sei nicht der Weg der Übermittlung, sondern der Inhalt der Meldung. Eine Plattform erlange auch dann Kenntnis von einer Rechtsverletzung, wenn die Informationen auf anderem Wege – etwa per anwaltlichem Schriftsatz oder E-Mail – übermittelt werden, sofern die Meldung ausreichend präzise und begründet ist. Die vom DSA vorgesehenen Melde- und Abhilfeverfahren sollen den Nutzern lediglich eine einfache Möglichkeit zur Meldung bieten, schränken aber keineswegs ihre sonstigen Rechte und Wege ein.

Das Gericht betonte, dass der europäische Gesetzgeber die Rechte der Verbraucher und Nutzer nicht unnötig einschränken will. Zwar greife die gesetzliche Vermutung der Kenntnis nur bei der Nutzung des offiziellen Meldeverfahrens. Jedoch bedeutet das nicht, dass andere Wege gänzlich ungeeignet wären. Wer auf anderem Wege die Plattform in Kenntnis setzt, trägt allerdings das Risiko, dass die Meldung nicht alle für die Plattform notwendigen Informationen enthält. Dennoch ist der Weg offen.

Fazit für Unternehmen

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle, die im digitalen Raum aktiv sind. Als Unternehmer sind Sie oft mit Rechtsverletzungen wie falschen Bewertungen, Markenpiraterie oder unerlaubten Foto-Veröffentlichungen konfrontiert. Das Urteil des Kammergerichts Berlin stärkt Ihre Position, da Sie nicht ausschließlich auf die internen, oft umständlichen Meldesysteme von Plattformen angewiesen sind.

Sie können auch weiterhin den Weg über einen Anwalt wählen, der eine Plattform direkt und wirksam in Kenntnis setzt. Das Gericht stellt damit klar, dass die rechtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen nicht an einem Formular scheitern darf.


Gericht: KG Berlin 10. Zivilsenat
Datum: 25. August 2025
Aktenzeichen: 10 W 70/25

KI-Stimme geklont: YouTuber muss bekanntem Synchronsprecher 4.000 Euro Lizenzgebühr zahlen

Die Verlockung ist groß: Mit Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich die Stimmen bekannter Persönlichkeiten heute fast perfekt imitieren. Ein YouTuber nutzte diese Technologie für seine Videos – und wurde nun vom Landgericht Berlin zur Kasse gebeten. Ein wegweisendes Urteil, das Unternehmer und Content Creator unbedingt kennen sollten, da es die rechtlichen Leitplanken für den Einsatz von KI-Stimm-Klonen absteckt. Das Urteil wurde vom Kollegen Kai Jüdemann erwirkt und kann hier downgeloadet werden.

Der Fall: KI-Stimme für politische Satire mit kommerziellem Hintergrund

Ein Betreiber eines YouTube-Kanals mit 190.000 Abonnenten untermalte zwei seiner Videos mit einer KI-generierten Stimme. Diese klang täuschend echt wie die eines sehr bekannten deutschen Synchronsprechers, der unter anderem einem weltberühmten Hollywood-Schauspieler seine Stimme leiht.

In den Videos, die sich satirisch mit der damaligen Regierung auseinandersetzten, wurde am Ende jeweils auf den Online-Shop des YouTubers verwiesen. Der Synchronsprecher, dessen Stimme ohne sein Wissen und seine Zustimmung imitiert wurde, sah dadurch seine Rechte verletzt. Er mahnte den YouTuber ab und forderte Unterlassung sowie Schadensersatz für die unrechtmäßige Nutzung seiner Stimme.

Der YouTuber verteidigte sich mit mehreren Argumenten: Er habe nicht die originale Stimme, sondern lediglich eine „synthetische Imitation“ genutzt, für die er bei der KI-Software eine Nutzungslizenz erworben habe. Außerdem seien die Videos als Satire einzuordnen und damit von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin: Persönlichkeitsrecht gilt auch im KI-Zeitalter

Das Landgericht Berlin folgte der Argumentation des YouTubers nicht und verurteilte ihn zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 4.000 Euro (2.000 Euro pro Video) sowie zum Ersatz der Anwaltskosten.

Die zentralen Punkte der Urteilsbegründung waren:

  1. Recht an der eigenen Stimme wird durch KI-Klon verletzt: Das Gericht stellte unmissverständlich klar, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Stimme von einem menschlichen Imitator nachgeahmt oder von einer KI geklont wird. Entscheidend ist allein die Erkennbarkeit und die daraus resultierende Gefahr, dass das Publikum die Stimme dem Original-Sprecher zuordnet. Genau dies war hier der Fall, wie auch Kommentare unter den Videos zeigten, in denen der Name des Sprechers fiel.
  2. Kommerzielle Interessen überwiegen die Satirefreiheit: Zwar hatten die Videos einen satirischen Inhalt, doch die bekannte Stimme diente nicht der inhaltlichen Auseinandersetzung. Vielmehr wurde sie als „Zugpferd“ eingesetzt, um die Videos attraktiver zu machen, Klickzahlen zu steigern und letztlich den Umsatz des angeschlossenen Online-Shops zu fördern. Dieser kommerzielle Zweck stand im Vordergrund. Die Kunst- und Meinungsfreiheit rechtfertigt es nicht, die Persönlichkeitsrechte anderer für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen.
  3. Lizenz vom KI-Anbieter ist rechtlich wertlos: Der Einwand des YouTubers, er habe eine Lizenz vom KI-Dienstleister erworben, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Eine solche Lizenz ist unwirksam, solange der KI-Anbieter nicht nachweisen kann, dass der Sprecher selbst der Erstellung und kommerziellen Verwertung seines Stimm-Klons zugestimmt hat. Die alleinige Verfügungsgewalt über den kommerziellen Wert der Stimme liegt beim Inhaber des Persönlichkeitsrechts.
  4. Schadenersatz als „fiktive Lizenzgebühr“: Wer ein Persönlichkeitsrecht kommerziell nutzt, muss sich so behandeln lassen, als hätte er um Erlaubnis gefragt. Der Schaden wird dann in Höhe der Lizenzgebühr berechnet, die vernünftige Vertragspartner für eine solche Nutzung vereinbart hätten. Auf Basis der Aussage eines Zeugen, der den Sprecher seit Jahren vermittelt, schätzte das Gericht eine angemessene Vergütung von mindestens 2.000 Euro pro Video.

Was dieses Urteil für Unternehmer und Content Creator bedeutet

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist eine deutliche Warnung an alle, die mit KI-generierten Inhalten arbeiten:

  • Keine prominenten Stimm-Klone ohne Einwilligung: Verwenden Sie niemals KI-generierte Stimmen, die bekannte Schauspieler, Sprecher oder andere Persönlichkeiten imitieren, ohne deren ausdrückliche und nachweisbare Zustimmung.
  • Vorsicht bei Lizenzen von KI-Plattformen: Verlassen Sie sich nicht blind auf die Nutzungsbedingungen von KI-Anbietern. Sie als Nutzer stehen in der Haftung, wenn die Plattform nicht die erforderlichen Rechte vom ursprünglichen Rechteinhaber eingeholt hat.
  • Risiko der falschen Zuordnung: Bedenken Sie, dass Sie nicht nur das Recht an der Stimme verletzen, sondern auch den Eindruck einer Kooperation oder Unterstützung erwecken können. Dies wiegt besonders schwer, wenn die Inhalte (z. B. politische Äußerungen, Werbung für bestimmte Produkte) dem Ruf des Betroffenen schaden könnten.

Das Urteil stärkt die Persönlichkeitsrechte im digitalen Raum und macht klar, dass auch fortschrittlichste Technologie kein Freibrief für Rechtsverletzungen ist.


Gericht: Landgericht Berlin II

Datum: 20.08.2025

Aktenzeichen: 2 O 202/24

Kein Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO bei rein hypothetischem Risiko

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat die Haftungsrisiken für Unternehmen und Behörden, die mit personenbezogenen Daten arbeiten, erheblich verschärft. Insbesondere der in Art. 82 DSGVO geregelte Anspruch auf immateriellen Schadensersatz – umgangssprachlich auch Schmerzensgeld genannt – sorgt seit Langem für Unsicherheit. Wann genau liegt ein ersatzfähiger Schaden vor? Der Bundesgerichtshof (BGH), AZ: VI ZR 186/22, hat hierzu eine wichtige Klarstellung getroffen, die für die Praxis von großer Bedeutung ist.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Unternehmer, der nach eigener Aussage explosionsgefährliche Stoffe vertreibt und deshalb einem erhöhten, abstrakten Sicherheitsrisiko ausgesetzt ist, hatte gegen eine Stadt geklagt. Die Stadt hatte über einen längeren Zeitraum hinweg gerichtliche Empfangsbekenntnisse per unverschlüsseltem Fax an ein Verwaltungsgericht gesendet. Diese Faxe enthielten lediglich den Nachnamen des Unternehmers und das jeweilige Aktenzeichen.

Der Kläger war der Ansicht, dass die unverschlüsselte Übermittlung seiner Daten ein rechtswidriger Verstoß gegen die DSGVO sei und verlangte eine Geldentschädigung. Er argumentierte, dass die Daten von Dritten hätten abgefangen werden können, was potenzielle Täter in die Lage versetzen würde, seine private Anschrift zu ermitteln und ihn körperlich zu gefährden. Das Landgericht und das Oberlandesgericht hatten ihm teilweise recht gegeben und der Stadt zur Zahlung von 7.000 € verurteilt.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs: Ein hypothetisches Risiko reicht nicht aus

Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage des Unternehmers ab. Er stellte klar, dass ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO allein nicht automatisch einen Anspruch auf Schadensersatz begründet. Die betroffene Person muss vielmehr einen tatsächlich erlittenen materiellen oder immateriellen Schaden nachweisen. Eine „Befürchtung“ eines möglichen Schadens kann zwar unter bestimmten Umständen einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellen. Doch dies gilt nicht für ein „rein hypothetisches Risiko“ der missbräuchlichen Verwendung von Daten durch unbefugte Dritte.

Im vorliegenden Fall sah der BGH keine Anhaltspunkte für einen tatsächlichen „Kontrollverlust“ über die Daten. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die Faxe abgefangen werden könnten, reiche nicht aus, um einen ersatzfähigen Schaden zu begründen. Die vom Kläger dargelegten Gefahren für Leib und Leben seien in diesem Kontext lediglich als abstrakt und wenig wahrscheinlich einzustufen.

Auch die Auffassung der Vorinstanzen, der Schadensersatz diene auch dem Schutz vor zukünftigen Verstößen, wurde vom BGH zurückgewiesen. Der BGH betonte, dass der Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO keine Straf-, sondern eine Ausgleichsfunktion hat.

Was bedeutet das für Unternehmer und Praxis?

Das Urteil stärkt die Position von datenverarbeitenden Stellen, also Unternehmen und Behörden. Es verdeutlicht, dass nicht jeder, noch so kleine, Datenschutzverstoß sofort zu einer Schadensersatzpflicht führt. Der bloße „Verlust der Kontrolle“ über Daten, der in manchen Fällen bereits als Schaden gewertet wird, liegt nicht automatisch vor, nur weil die Möglichkeit eines unberechtigten Zugriffs besteht.

Für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach der DSGVO ist es somit entscheidend, dass die betroffene Person konkrete, nachweisbare negative Folgen des Verstoßes darlegen kann. Eine rein spekulative Befürchtung reicht nicht aus.

Fazit

Das Urteil des BGH bringt eine dringend benötigte Rechtssicherheit für alle, die im Geschäftsleben oder in der Verwaltung mit personenbezogenen Daten arbeiten. Es zieht eine klare Linie zwischen einem tatsächlichen Schaden und einem bloß theoretischen Risiko. Dennoch bleibt die Einhaltung der DSGVO-Vorschriften von zentraler Bedeutung, da Verstöße weiterhin mit Bußgeldern geahndet werden können.


Gericht, Datum, Aktenzeichen:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2025 Az.: VI ZR 186/22

KG Berlin: Online-Schafkopf ist kein Glücksspiel

Das Kammergericht Berlin (AZ: 26 U 118/24) hat in einer richtungsweisenden Entscheidung klargestellt, dass das traditionelle Kartenspiel Schafkopf, wenn es online über eine längere Dauer gespielt wird, als Geschicklichkeitsspiel und nicht als illegales Glücksspiel einzustufen ist. Dieses Urteil hat erhebliche Bedeutung für Betreiber von Online-Spieleplattformen, da es die rechtlichen Rahmenbedingungen für Angebote in diesem Bereich konkretisiert.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Spieler hatte auf einer Online-Plattform über mehrere Jahre hinweg Schafkopf um Geldeinsätze gespielt und dabei einen Verlust von über 10.000 Euro erlitten. Er verklagte den Betreiber der Plattform auf Rückzahlung des gesamten Verlustes. Seine Argumentation: Das Online-Kartenspiel sei ein unerlaubtes Glücksspiel gewesen. Verträge über die Teilnahme an illegalem Glücksspiel sind nach deutschem Recht nichtig, was einen Anspruch auf Rückerstattung der Einsätze zur Folge hätte.

Der Betreiber verteidigte sein Angebot als legales Geschicklichkeitsspiel. Die entscheidende Frage für das Gericht war also: Ist Schafkopf von Glück oder von Können dominiert?

Die entscheidende Abgrenzung: Glücksspiel vs. Geschicklichkeitsspiel

Nach dem Glücksspielstaatsvertrag liegt ein Glücksspiel vor, wenn die Entscheidung über Gewinn und Verlust „ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt“. Bei einem Geschicklichkeitsspiel hingegen sind Wissen, Erfahrung und strategisches Können des Spielers für den Ausgang entscheidend.

Das Kammergericht Berlin nahm eine differenzierte Bewertung vor:

  1. Die Rolle des Zufalls: Das Gericht erkannte an, dass das Mischen und Austeilen der Karten ein klares Zufallselement darstellt. Wer gute Karten bekommt, hat in einer einzelnen Runde bessere Startvoraussetzungen.
  2. Die Dominanz der Fähigkeit: Allerdings überwiegen beim Schafkopf die Geschicklichkeitskomponenten bei Weitem. Dazu gehören strategische Entscheidungen bei der Spielansage, die Merkfähigkeit bezüglich bereits gespielter Karten, das taktische Ausspielen der eigenen Hand und das richtige Einschätzen der Mitspieler.
  3. Das „Gesetz der Großen Zahl“ als Schlüsselargument: Den entscheidenden Punkt sahen die Richter in der Spieldauer. Während in einer einzelnen Partie das Kartenglück eine große Rolle spielen kann, neutralisiert sich dieser Zufallsfaktor über viele gespielte Runden hinweg. Jeder Spieler erhält über eine längere Zeitspanne statistisch gesehen ähnlich gute und schlechte Blätter. Im Gesamtverlauf setzt sich somit der Spieler durch, der über die größere Fähigkeit und Erfahrung verfügt.

Da die Online-Plattform auf eine Vielzahl von kurzen, schnell aufeinanderfolgenden Partien ausgelegt war, kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Geschicklichkeitscharakter des Spiels überwiegt.

Was bedeutet das für Unternehmer und Plattformbetreiber?

Das Urteil des KG Berlin ist eine gute Nachricht für Anbieter von Online-Kartenspielen und ähnlichen Formaten, bei denen Geschicklichkeit eine Rolle spielt. Es verdeutlicht, dass eine pauschale Einordnung als Glücksspiel nicht immer zutreffend ist. Für Unternehmer lassen sich daraus folgende Erkenntnisse ableiten:

  • Der Kontext zählt: Nicht nur die Spielregeln an sich, sondern auch die Art und Weise, wie ein Spiel auf einer Plattform präsentiert und gespielt wird (Turniermodus, viele schnelle Runden), kann für die rechtliche Bewertung entscheidend sein.
  • Rechtssicherheit für Geschicklichkeitsspiele: Die Entscheidung schafft mehr Rechtssicherheit für Betreiber, deren Angebote auf den Fähigkeiten der Nutzer basieren.
  • Sorgfältige Prüfung ist unerlässlich: Trotz dieses positiven Urteils muss jedes Spielangebot individuell analysiert werden. Die Abgrenzung zum Glücksspiel ist komplex und von den Details des jeweiligen Spiels abhängig. Eine Unterscheidung zu Spielen wie Poker, bei denen Spieler über weniger Informationen verfügen, bleibt wichtig.

Betreiber von Online-Plattformen sind gut beraten, ihre Angebote einer genauen juristischen Prüfung zu unterziehen, um kostspielige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dieses Urteil zeigt, dass eine durchdachte Gestaltung des Spielumfelds die rechtliche Position erheblich stärken kann.


Gericht: Kammergericht Berlin

Datum: 22.05.2025

Aktenzeichen: 26 U 118/24