Gutachterkampf der Baumärkte: Farbe Orange verliert Markenschutz

Der Streit um die Farbe Orange spitzt sich zu: Das Bundespatentgericht (BPatG, Beschluss v. 05.06.2025 – 29 W (pat) 24/18) hat entschieden, dass die abstrakte Farbmarke „Orange“ (RAL 2008) für Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Bau- und Heimwerkerartikel gelöscht bleibt. Damit endet ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen zwei großen Baumarkt-Ketten, bei dem es vor allem um die Frage ging: Gehört Orange einem einzelnen Anbieter – oder allen?

Worum ging es?

Eine Baumarkt-Kette hatte sich im Jahr 2012 die Farbe Orange als abstrakte Farbmarke eintragen lassen. Grundlage dafür war ein Gutachten, das eine sogenannte Verkehrsdurchsetzung nachwies – also dass mindestens die Hälfte der Verbraucher Orange eindeutig diesem Unternehmen zuordnen. Die Marke sollte Wettbewerbern verbieten, denselben Farbton für ihre Märkte, Werbematerialien und Werbung zu nutzen.

Gleich zwei Wettbewerber beantragten daraufhin die Löschung der Marke. Ihr Argument: Orange sei längst die typische Farbe der gesamten Baumarktbranche – kein Verbraucher erkenne daran nur ein Unternehmen. Zudem sei das ursprüngliche Gutachten fehlerhaft und die Anmeldung bösgläubig erfolgt.

Die zentrale Streitfrage: Reicht ein Gutachten?

Im Verfahren lieferten sich beide Seiten ein regelrechtes Gutachter-Duell. Die Markeninhaberin legte ein neues demoskopisches Gutachten vor, das eine fortdauernde Verkehrsdurchsetzung mit Werten über 50 % belegen sollte. Die Gegenseite präsentierte ein eigenes „Gegengutachten“, das deutlich niedrigere Werte auswies. Das Bundespatentgericht stellte klar: Selbst wenn das erste Gutachten methodisch korrekt war, muss der Markeninhaber stets nachweisen, dass die Marke auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch durchgesetzt ist. Widersprüchliche Gutachten können diesen Nachweis erschüttern – hier lag die Beweislast letztlich bei der Markeninhaberin.

Warum war Orange nicht unterscheidungskräftig?

Nach Auffassung des Gerichts fehlte es von Anfang an an der sogenannten originären Unterscheidungskraft. Die Farbe Orange wird in der Branche von mehreren Unternehmen genutzt, sei es für Märkte, Prospekte oder Mitarbeiterkleidung. Orange stehe für Baumärkte insgesamt, nicht für einen bestimmten Anbieter. Diese „Branchenübung“ spricht klar gegen ein Monopol auf den Farbton.

Keine Verkehrsdurchsetzung mehr nachweisbar

Auch die jahrelange Nutzung, hohe Werbeaufwendungen und Umsätze konnten die Zweifel nicht beseitigen. Zwar können diese Faktoren nach der EU-Rechtsprechung (sogenannte Chiemsee-Kriterien) die Verkehrsdurchsetzung unterstützen. Doch angesichts zweier widersprüchlicher Gutachten – das eine knapp unter 50 %, das andere weit darunter – sah das Gericht den Nachweis letztlich als nicht erbracht an.

Rechtsbeschwerde zugelassen

Wegen grundsätzlicher Fragen – etwa ob der Markeninhaber trotz anerkannter Gutachten stets die Beweislast trägt – hat das Gericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.


Praxis-Tipp für Unternehmen:
Wer sich eine Farbe als Marke sichern möchte, sollte den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung sehr sorgfältig vorbereiten und darauf achten, dass Gutachten methodisch einwandfrei sind. Zudem muss eine konsequente, langfristige und markenmäßige Nutzung nachweisbar sein. Selbst dann besteht das Risiko, dass Wettbewerber den Nachweis mit Gegen-Gutachten erschüttern können.


Gericht:
Bundespatentgericht
Datum der Entscheidung:
05.06.2025
Aktenzeichen:
29 W (pat) 24/18

Keine Verwechslungsgefahr beim „Kauf auf Sicht“ – OLG Frankfurt klärt Markenstreit um Nudelverpackung

In einem markenrechtlichen Streit ging es um die Nutzung der Bezeichnung „TERRA GRECA“ auf Nudelverpackungen. Die Klägerin, ein griechischer Nudelhersteller, vertreibt ihre Produkte in Deutschland. Die Beklagte ist Inhaberin einer Unionsbildmarke „TERRA GRECA“, die jedoch nicht für Teigwaren, sondern für andere Lebensmittel (z.B. Speiseöle, Suppen) geschützt ist.

Die Beklagte hatte einen Abnehmer der Klägerin wegen Markenverletzung abgemahnt. Das Landgericht Frankfurt gab der Klage der Nudelherstellerin auf Unterlassung, Auskunft und Kostenerstattung bereits statt, was das OLG Frankfurt (Urteil vom 06.02.25, AZ: 6 U 277/21) nun bestätigte.

Schwerpunkt: „Kauf auf Sicht“ als entscheidender Faktor

Besonders interessant ist das Urteil, weil es den sogenannten „Kauf auf Sicht“ bei Lebensmitteln hervorhebt. Der Senat betonte, dass Nudeln regelmäßig auf Sicht gekauft werden – also nicht bloß unbesehen ins Einkaufswagerl wandern, sondern der Verbraucher sie vor dem Kauf konkret betrachtet.

Daher kommt es hier maßgeblich darauf an, wie die konkrete Verpackung visuell wahrgenommen wird. Obwohl die Wortbestandteile „TERRA GRECA“ in beiden Marken identisch sind, fehlt es wegen der deutlichen bildlichen Unterschiede und des beschreibenden Charakters der Bezeichnung (Hinweis auf „griechisches Land“) an einer relevanten Verwechslungsgefahr.

Der Aspekt „Kauf auf Sicht“ führt nach Ansicht des OLG dazu, dass der Verbraucher sich stärker mit dem konkreten Erscheinungsbild auseinandersetzt. Anders als etwa bei Bestellungen über Kataloge oder Onlineshops, wo der Klang des Markennamens dominanter sein könnte, tritt hier die Verpackungsgestaltung in den Vordergrund. Diese war im Fall der Nudeln so prägnant verschieden (u.a. rote Schrift auf weißer Banderole vs. stilisierte Sonne und Lorbeerblätter), dass eine Verwechslung auch bei identischem Wortbestandteil auszuschließen sei.

Weitere Erwägungen des Gerichts

Neben der Warenunähnlichkeit (die Beklagtenmarke ist nicht für Pasta eingetragen) spielte auch eine Rolle:

  • Die Bezeichnung „TERRA GRECA“ sei für Lebensmittel stark beschreibend.
  • Die Verbraucher seien an lateinische Herkunftsbezeichnungen gewöhnt („terra“ als „Land“).
  • Gerade bei Pasta bestehe kein Anlass, von einem einheitlichen Markenhersteller auszugehen.

Das Gericht untersagte daher die Abmahnungen gegenüber den Abnehmern der Klägerin und sprach Auskunfts- und Kostenerstattungsansprüche zu.

Praxishinweis

Für Unternehmer und Händler bedeutet dieses Urteil:
Wenn Produkte üblicherweise auf Sicht gekauft werden, kommt der Gestaltung der Verpackung eine besonders hohe Bedeutung zu. Selbst identische Wortbestandteile führen nicht automatisch zu Verwechslungsgefahr, wenn:

  • die bildliche Ausgestaltung klar unterschiedlich ist,
  • der Wortbestandteil beschreibend wirkt,
  • und die Waren nur entfernt verwandt sind.

Wer sich gegen markenrechtliche Abmahnungen verteidigen muss, sollte daher prüfen lassen, ob der konkrete Vertriebskanal („auf Sicht“) und die Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr wirklich begründen.

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main (6. Zivilsenat)
Datum der Entscheidung: 6. Februar 2025
Aktenzeichen: 6 U 277/21
Zitierung: GRUR-RS 2025, 7130

BGH-Urteil: Nachvergütungs- und Auskunftsansprüche des Fotografen bei werblicher Nutzung eines Portraitfotos

1. Hintergrund des Falls

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 18. Juni 2025, AZ: I ZR 82/24, entschieden, dass ein Fotograf grundsätzlich Anspruch auf Auskunft und gegebenenfalls eine zusätzliche Vergütung haben kann, wenn sein Foto über Jahre hinweg umfangreich für Werbung genutzt wurde. Im Streit stand die Verwendung eines Portraitfotos der Geschäftsführerin eines Unternehmens, das Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Das Foto war ursprünglich für einen Trainingsplan gedacht, wurde dann aber millionenfach auf Verpackungen, in Webshops und im Teleshopping eingesetzt. Der Fotograf erhielt zunächst nur 180 Euro Honorar.

2. Was regelt § 32d UrhG?

§ 32d UrhG ist eine Vorschrift des Urheberrechtsgesetzes, die dem Urheber einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft über die Nutzung seines Werkes gibt. Das bedeutet:

  • Der Vertragspartner muss dem Urheber mitteilen, wie, in welchem Umfang und mit welchem wirtschaftlichen Erfolg das Werk verwertet wurde.
  • Ziel ist es, Transparenz zu schaffen, damit der Urheber prüfen kann, ob ihm eine weitere angemessene Vergütung nach § 32a UrhG zusteht.
  • Der Anspruch besteht grundsätzlich einmal jährlich, wenn ein Nutzungsrecht entgeltlich eingeräumt wurde.
  • Nur in bestimmten Ausnahmefällen entfällt die Pflicht zur Auskunft. Das ist z. B. der Fall, wenn der Beitrag des Urhebers nachrangig war oder wenn die Auskunftserteilung unverhältnismäßig wäre.

Im vorliegenden Fall hat der Fotograf diesen Anspruch geltend gemacht, um die Grundlage für eine zusätzliche Vergütung zu schaffen.

3. Werbliche Bedeutung des Fotos – zentrale Begründung des BGH

Ein Schwerpunkt der Entscheidung war die Frage, ob das Portraitfoto nur ein untergeordneter Beitrag zur Gesamtvermarktung der Produkte war. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG wäre der Auskunftsanspruch ausgeschlossen, wenn der Beitrag des Urhebers nur eine geringe Bedeutung hat.

Der BGH hat klargestellt, dass bei der Nutzung eines Fotos für Werbung vor allem die ökonomische Bedeutung zu prüfen ist. Im konkreten Fall sprach alles gegen eine Nachrangigkeit:

  • Das Foto wurde auf Verpackungen in über 25 Produktkategorien verwendet.
  • Es prägte den Wiedererkennungseffekt der gesamten Produktlinie.
  • Es vermittelte den Verbrauchern den Eindruck, dass die Geschäftsführerin mit ihrem Namen und ihrem Bild persönlich für Qualität und Wirksamkeit einsteht.
  • Das Bild wurde auch im Teleshopping genutzt, wo die Geschäftsführerin selbst die Produkte präsentierte.

Damit war das Foto nach Einschätzung des BGH ein zentrales Marketinginstrument, das den Verkaufserfolg maßgeblich unterstützte. Ein lediglich nachrangiger Beitrag lag daher nicht vor.

4. Voraussetzungen und Zweck des Anspruchs aus § 32d UrhG

Der Anspruch aus § 32d UrhG dient vor allem dazu, Urhebern die Informationsgrundlage für Nachvergütungsansprüche nach § 32a UrhG zu verschaffen. Das bedeutet konkret:

  • Der Urheber muss nicht schon beweisen, dass er Anspruch auf mehr Geld hat.
  • Es reicht aus, dass er die Auskunft benötigt, um die wirtschaftliche Bedeutung der Nutzung zu beurteilen.
  • Diese Transparenz soll sicherstellen, dass der Urheber an einem wirtschaftlichen Erfolg angemessen beteiligt wird.

Gleichzeitig gibt es Grenzen: Der Anspruch kann entfallen, wenn die Inanspruchnahme der Auskunft unverhältnismäßig ist oder wenn der Urheber über Jahre hinweg untätig bleibt und dadurch sein Recht verwirkt.

Im konkreten Fall hatte der Fotograf plausibel dargelegt, dass er die Auskünfte braucht, um die jahrelange Nutzung zu bewerten. Deshalb wurde der Anspruch dem Grunde nach bejaht.

5. Verwirkung wegen jahrelanger Kenntnis?

Obwohl der BGH die Auskunftsrechte im Grundsatz bestätigt hat, wurde das Urteil des Oberlandesgerichts München teilweise aufgehoben. Der Grund: Das Berufungsgericht hatte den Einwand der Beklagten nicht geprüft, der Fotograf habe die Nutzung über Jahre gekannt, akzeptiert und hohe Honorare für andere Leistungen erhalten.

Wenn ein Urheber über lange Zeit weiß, dass sein Werk auf diese Weise genutzt wird, und nicht reagiert, kann sein Anspruch verwirkt sein. Das bedeutet: Er kann dann nach Treu und Glauben keine Ansprüche mehr geltend machen, weil der Vertragspartner berechtigterweise auf sein Schweigen vertraut hat.

Das Berufungsgericht wird nun klären müssen, ob eine solche Verwirkung vorliegt. Sollte das bejaht werden, würden sowohl der Anspruch auf Nachvergütung als auch der Anspruch auf Auskunft entfallen.

6. Bedeutung für Unternehmen und Kreative

Die Entscheidung zeigt deutlich:

  • Auch ein Foto, das „nur“ auf Verpackungen erscheint, kann ein wesentliches Marketingelement sein.
  • Der Urheber hat dann weitreichende Auskunfts- und Nachvergütungsansprüche.
  • Unternehmen sollten bei der Nutzung von Bildmaterial die Vertragsgestaltung besonders sorgfältig prüfen und dokumentieren, welche Nutzungsrechte eingeräumt und wie vergütet wurden.
  • Urheber sollten nicht jahrelang abwarten, sondern frühzeitig prüfen, ob ihre Vergütung dem wirtschaftlichen Erfolg entspricht.

Gericht: Bundesgerichtshof
Datum: 18. Juni 2025
Aktenzeichen: I ZR 82/24
Vorinstanzen: Oberlandesgericht München, Urteil vom 21. März 2024 – 29 U 8077/21; Landgericht München I, Urteil vom 25. Oktober 2021 – 42 O 18987/19

Fotoveröffentlichung bei Demonstrationen gestattet – OLG Nürnberg stärkt Pressefreiheit

Ausgangslage & Sachverhalt

Ein Foto, aufgenommen im Oktober 2022 auf einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen, zeigt den Kläger inmitten einer kapellenartigen Kundgebung mit Skelettsymbolik und plakativen Slogans („Die Impfung wirkt! TODSICHER“). Die Aufnahme wurde etwa fünf Monate später in einem Online-Artikel zur gesellschaftlichen Debatte über Corona-Maßnahmen verwendet. Der Kläger klagte – das Landgericht wies diese ab; das OLG Nürnberg, Beschluss vom 4.11.2024 (AZ: 3 U 1585/24), bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Basis & Prüfungsmaßstab

Nach §§ 22, 23 KunstUrhebergesetz (KUG) ist die Veröffentlichung von Bildnissen bei Versammlungen im zeitgeschichtlichen Kontext zulässig, sofern kein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird:

  • § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erlaubt Fotos von öffentlichen Versammlungen – hierzu zählen auch Demonstrationen.
  • § 23 Abs. 2 KUG wiederum schränkt ein, wenn die Abbildung entstellt oder aus ihrem Kontext gerissen ist. In diesem Fall ist ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt.

Das OLG stellte in seinem Beschluss klar:

  1. Auf Demonstrationen ist ein breites Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.
  2. Der Kläger wurde nicht isoliert oder entstellt präsentiert, sondern als Teil eines repäsentativen Bildausschnitts.
  3. Die Veröffentlichung erfolgte in einem gesellschaftlich relevanten und redaktionell integrierten Kontext, ohne tendenziöse Ausgestaltung des Bildnutzens.

Kernaussage des Gerichts

Die Veröffentlichung war insgesamt rechtmäßig:

  • Die Demonstration war zeitgeschichtliches Ereignis.
  • Der Bildausschnitt war journalistisch angemessen und nicht vereinzelt auf die Person gerichtet.
  • Kein entschädigungswürdiges Persönlichkeitsrechtsinteresse lag vor.

Praxisrelevanz für Medien & Fotografen

  1. Demonstrationen = Versammlungen: möglichst breit dokumentieren – erlaubt nach KUG.
  2. Kontextbezug essentiell: journalistisch eingebettete Berichterstattung ist entscheidend.
  3. Keine Einzelstellung: Betroffene dürfen nicht isoliert hervorgehoben werden.
  4. Priorität des Informationsinteresses: gesellschaftlicher Diskurs über Corona-Maßnahmen rechtfertigt Bildnutzung.

Fazit & Handlungsempfehlung

Für redaktionelle Medien ist das Urteil ein klares Signal:

  • Bildaufnahmen bei öffentlichen Kundgebungen sind in den meisten Fällen zulässig.
  • Entscheidend bleibt die kontextgerechte Nutzung – keinen Fokus auf Einzelpersonen, keine Entstellung und eindeutiger zeitgeschichtlicher Bezug.
  • Wer solche Fotos nutzt, sollte ein kurzes juristisches Faktencheck-Label im Impressum oder Bildnachweis beifügen, um eigene Rechtsrisiken niedrig zu halten.

Das OLG Nürnberg liefert klare Leitlinien für den Umgang mit Fotos von Demonstrationen in redaktionellen Medien und stärkt das Recht auf Berichterstattung im öffentlichen Interesse.

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 4. November 2024
Aktenzeichen: 3 U 1585/24
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 323

US-Urteil zu Anthropic und urheberrechtlich geschützten Büchern – Was bedeutet das für Deutschland?

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) erfordert enorme Datenmengen – oft in Form urheberrechtlich geschützter Texte. Doch was darf verwendet werden? Wann ist eine Nutzung rechtlich zulässig? Ein aktuelles Urteil aus den USA gibt darauf teils überraschende Antworten – mit wichtigen Implikationen für den deutschen Rechtsraum.

Der Fall: Anthropic und das KI-Training mit Millionen Büchern

Das US-Unternehmen Anthropic, Betreiber des LLM-Systems „Claude“, hatte Millionen Bücher zum Training seines Sprachmodells genutzt – teils aus legalen, teils aus illegalen Quellen. Drei Autoren klagten wegen Urheberrechtsverletzung. Das zuständige Bundesgericht (Northern District of California, Urteil vom 23.06.2025 – Az. C 24-05417 WHA) entschied differenziert:

  • Erlaubt: Training mit rechtmäßig gekauften und digitalisierten Büchern – die Nutzung sei „transformativ“ und falle unter „Fair Use“.
  • Erlaubt: Digitalisierung von Printbüchern zur internen Nutzung – als zulässiger Formatwechsel.
  • Nicht erlaubt: Aufbau einer digitalen Bibliothek mit Pirateriekopien – hierfür gebe es keine rechtliche Grundlage.

Fair Use – die US-Schranke im Überblick

Das US-Recht kennt eine offene Schranke namens „Fair Use“. Ob eine Nutzung erlaubt ist, wird anhand dieser vier Kriterien bewertet:

  1. Zweck der Nutzung (kommerziell oder gemeinnützig; transformativ?)
  2. Art des Werkes (Sachbuch oder Fiktion?)
  3. Umfang der Nutzung
  4. Auswirkungen auf den Marktwert des Originals

Diese Bewertung erfolgt stets im Einzelfall und lässt dem Gerichtsspielraum – das unterscheidet das US-System deutlich vom deutschen.

Und wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Das deutsche Urheberrecht enthält keine offene Fair-Use-Klausel, sondern streng definierte gesetzliche Ausnahmen:

§ 44a UrhG – Technisch bedingte Vervielfältigungen

Erlaubt sind nur flüchtige Kopien, etwa beim Streaming oder Caching. Gezielte Speicherung zur Analyse (z. B. für KI) ist davon nicht erfasst – das hat zuletzt auch das LG Hamburg (Urt. v. 27.09.2024 – 310 O 227/23) bestätigt.

§ 60d UrhG – Data Mining für wissenschaftliche Zwecke

Diese Vorschrift erlaubt Text- und Data-Mining – jedoch ausschließlich für nicht-kommerzielle Forschungseinrichtungen. Unternehmen können sich hierauf nicht berufen.

§ 44b UrhG – Kommerzielles Data Mining mit Opt-Out-Möglichkeit

Erlaubt automatisiertes Auslesen (TDM) durch Unternehmen – sofern der Rechteinhaber dem nicht widersprochen hat (z. B. durch maschinenlesbaren Hinweis). Wichtig: Die verwendeten Daten dürfen nicht dauerhaft gespeichert werden.

Was bedeutet das für Unternehmen, die LLMs trainieren möchten?

  • Der Einsatz von urheberrechtlich geschützten Texten bedarf einer sorgfältigen Prüfung.
  • Pirateriequellen sind rechtlich ausgeschlossen – unabhängig vom Verwendungszweck.
  • Für kommerzielle TDM-Prozesse kann § 44b UrhG einen rechtlichen Rahmen bieten – vorausgesetzt, die rechtlichen Voraussetzungen (kein Widerspruch, spätere Löschung) werden eingehalten.
  • Eine pauschale Ausnahme wie im US-amerikanischen „Fair Use“ existiert nicht.

Fazit

Die Entscheidung aus den USA zeigt: KI-Training mit urheberrechtlich geschützten Inhalten kann zulässig sein – aber es kommt auf den Zweck, die Herkunft der Daten und die Nutzungsart an. In Deutschland gelten klare Regeln: Wer mit urheberrechtlich geschützten Werken arbeitet, braucht entweder eine Lizenz oder muss sich genau innerhalb der gesetzlichen Schranken bewegen.

OLG Stuttgart: Kein weltweiter Unterlassungsanspruch für „Vitruvianischen Mensch“ außerhalb Italiens

Das OLG Stuttgart (AZ: 4 U 136/24) hat mit Urteil vom 11. Juni 2025 entschieden, dass das italienische Kulturministerium sowie das Galleria dell’Accademia in Venedig keinen Anspruch darauf haben, deutschen Unternehmen die Nutzung der Proportionsstudie Leonardo da Vincis „Vitruvianischer Mensch“ für kommerzielle Zwecke außerhalb Italiens zu untersagen.

Hintergrund

Die klagenden Unternehmen, darunter ein bekannter deutscher Puzzlehersteller, hatten gegen das italienische Kulturministerium und ein Museum in Venedig eine sogenannte negative Feststellungsklage erhoben. Ziel war die Feststellung, dass den italienischen Beklagten kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung des Werkes für Produkte außerhalb Italiens zusteht.

Ausgangspunkt war eine Abmahnung aus dem Jahr 2019, in der das italienische Museum die Nutzung des „Vitruvianischen Menschen“ für ein Puzzle ohne Lizenz untersagte. Die italienischen Stellen stützten sich auf das nationale Kulturgtzten sich auf das nationale Kulturgüterschutzgesetz (Codice dei beni culturali e del paesaggio), insbesondere auf Art. 107 ff., wonach für die Vervielfältigung von Kulturgütern Erlaubnis- und Lizenzpflichten bestehen.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Stuttgart bestätigte die Entscheidung des LG Stuttgart und stellte klar, dass sich die italienischen Vorschriften nicht auf das Ausland erstrecken. Das sogenannte Territorialitätsprinzip schließe eine extraterritoriale Anwendung des italienischen Rechts aus. Die deutschen Unternehmen durften daher das gemeinfreie Werk außerhalb Italiens frei nutzen.

Für das Gericht war auch entscheidend, dass es sich bei der Nutzung um eine nicht-hoheitliche Staatstätigkeit handelte, sodass die Staatenimmunität nicht greift. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wurde ebenfalls bejaht. Nur im Hinblick auf die in Italien ansässige Tochtergesellschaft der Klägerinnen (Klagpartei Nr. 3) wurde die Klage mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung hat große Bedeutung für Unternehmen, die gemeinfreie Werke aus anderen Staaten für Produkte nutzen. Nationale Kulturgutschutzgesetze haben keine weltweite Wirkung, sondern gelten grundsätzlich nur im eigenen Hoheitsgebiet. Unternehmer können sich daher darauf verlassen, dass rechtmäßige Nutzungen in Deutschland nicht ohne Weiteres von ausländischen Stellen untersagt werden können.

Die Entscheidung ist ein klares Bekenntnis zum internationalen Grundsatz der Territorialität und schafft Rechtssicherheit für die Nutzung gemeinfreier Kulturgüter im europäischen Wirtschaftsraum.

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Datum: 11.06.2025
Aktenzeichen: 4 U 136/24
Fundstelle: openJur 2025, 14759

Markenkombination aus Blau und Grün nicht schutzfähig: EuG bestätigt Zurückweisung der Anmeldung von OMV

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat mit Urteil vom 11. Juni 2025 (AZ: T-38/24) entschieden, dass eine Kombination der Farben Blau (RAL 5010) und Gelbgrün (RAL 6018), wie sie von der OMV AG als Unionsmarke für zahlreiche Waren und Dienstleistungen (u.a. Treibstoffe, chemische Erzeugnisse, Einzelhandelsdienstleistungen sowie Tankstellenbetrieb) angemeldet wurde, nicht über die erforderliche Unterscheidungskraft verfügt (Art. 7 Abs. 1 lit. b UMV).

Hintergrund:
OMV hatte 2021 eine internationale Registrierung mit Benennung der EU für die besagte Farbmarke beantragt und sich dabei auf die Priorität einer österreichischen Marke berufen. Der Antrag umfasste Waren und Dienstleistungen in den Klassen 1, 4, 35 und 37 der Nizza-Klassifikation.

Die Markenstelle des EUIPO lehnte den Antrag teilweise ab, was OMV mit einer Beschwerde anfechtete. Die Beschwerde wurde jedoch durch die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO im November 2023 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob OMV Klage beim EuG.

Wesentlicher Inhalt der Entscheidung:

Das Gericht wies die Klage in vollem Umfang ab und stimmte der Argumentation des EUIPO zu:

  1. Unterscheidungskraft: Die Farbwahl allein (auch in systematischer Anordnung) sei nicht geeignet, die betroffenen Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen. Die Kombination sei vielmehr dekorativ und im Tankstellenbereich nicht ungewöhnlich.
  2. Bekanntheit oder Verkehrsdurchsetzung: OMV konnte nicht nachweisen, dass die angesprochene Verkehrskreise die konkrete Farbkombination mit ihr als Herkunftshinweis verbinden. Marktstudien und Gutachten reichten dafür nicht aus, da sie sich auf Zeiträume nach der Markenanmeldung bezogen oder keine eindeutigen Ergebnisse lieferten.
  3. Rechtssicherheit und Gleichbehandlung: Das Gericht stellte klar, dass frühere Entscheidungen des EUIPO oder dessen Richtlinien keinen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen, wenn die materiellen Voraussetzungen im konkreten Fall nicht erfüllt sind.

Fazit für die Praxis:
Das Urteil unterstreicht, dass Farbmarken besonders strengen Anforderungen an die Unterscheidungskraft unterliegen. Unternehmer, die abstrakte Farb- oder Farbkombinationsmarken anmelden wollen, müssen sorgfältig prüfen, ob ihre Farbwahl tatsächlich eine Herkunftsfunktion erfüllt. Insbesondere bei Farben, die mit Umweltfreundlichkeit oder technischen Eigenschaften assoziiert werden, sind hohe Hürden zu überwinden.

Weiteres Vorgehen: OMV bleibt nun nur noch der Weg der Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof, sofern eine grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen werden kann.

BGH zur Verwechslungsgefahr bei Werktiteln: „Nie wieder keine Ahnung“

Der BGH, Urteil vom 07.05.25, I ZR 143/24, bestätigt die enge Auslegung des Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 i.V.m. § 15 MarkenG und verneint eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Titel einer Fernsehserie und einem gleichnamigen Sachbuch.

Sachverhalt: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (Klagepartei) hatte den Titel ihrer Bildungs-Fernsehreihe „Nie wieder keine Ahnung“ im Jahr 2009 zur Titelsicherung angemeldet. Unter diesem Titel wurden zwei Staffeln über Malerei und Architektur ausgestrahlt. Begleitend wurden Onlineinhalte und Unterrichtsmaterialien angeboten. Zudem erschien ein begleitendes Buch, das nicht mehr lieferbar ist.

Ein Verlag (Beklagte) veröffentlichte 2021 ein gleichnamiges Sachbuch, geschrieben von Moderatoren einer Kindersendung, das sich thematisch mit Politik, Wirtschaft und Kultur beschäftigt. Die Rundfunkanstalt sah darin eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte und klagte u.a. auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Vernichtung.

Entscheidung: Der BGH wies die Revision der Rundfunkanstalt gegen die klageabweisende Berufungsentscheidung des OLG Stuttgart zurück.

Begründung: Zwar liege in beiden Fällen ein Werktitel vor, der grundsätzlich schutzfähig sei. Trotz identischem Titel beständen erhebliche Unterschiede in den Werkarten (TV-Serie vs. Sachbuch). Diese „Werkkategorien“ seien so verschieden, dass keine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne vorliege – der Verkehr werde das Buch nicht für eine Sendefolge halten.

Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne setze voraus, dass der Werktitel hinreichend bekannt ist und ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Werken besteht. Beides verneinte der BGH: Die von der Klägerin vorgetragenen Zuschauer- und Zugriffszahlen belegten keine hinreichende Bekanntheit. Zudem bestehe kein enger sachlicher Zusammenhang, da die Werke unterschiedliche Themengebiete behandeln.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Bekanntheitsschutzes (§ 15 Abs. 3 MarkenG) sei der Titel nicht schutzfähig, da es an der erforderlichen Bekanntheit fehle. Weitere Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Rückruf und Vernichtung scheiterten ebenfalls.

Fazit: Der BGH bekräftigt die strengen Voraussetzungen für den Werktitelschutz. Identische Titel allein reichen nicht aus, wenn die Werke unterschiedlichen Kategorien angehören und keine hinreichende Bekanntheit oder Werknähe besteht. Unternehmen, die Titelschutz geltend machen wollen, müssen nicht nur den Titel sichern, sondern auch dessen Nutzung und Bekanntheit gut dokumentieren.

Das Urteil verdeutlicht auch, dass insbesondere bei Cross-Media-Projekten (z.B. TV-Serie oder Film und begleitende Buchveröffentlichungen) der Titelschutz nur greift, wenn eine klare Werknähe und Bekanntheit bestehen. Eine bloße Titelidentität schützt nicht vor anderweitiger Nutzung durch Dritte, wenn die Werke in unterschiedlichen Medienkategorien verortet sind. Aufgrund des engen Schutzumfangs des Werktitelschutzes kann es daher in der Praxis empfehlenswert sein, Titel auch als Marke anzumelden, um einen umfassenderen Schutz zu erreichen.

OLG Köln: Bildagentur haftet für unlizenzierte Domfotos

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat mit Urteil vom 23. Mai 2025, AZ: 6 U 61/24, die Verurteilung einer Bildagentur zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 35.000 Euro bestätigt. Die Agentur hatte ohne entsprechende Lizenz 220 Fotografien aus dem Innenraum des Kölner Doms, darunter auch Aufnahmen des berühmten „Richter-Fensters“, zur kommerziellen Nutzung angeboten. Ein Teil des Schadensersatzes steht dem Künstler Gerhard Richter zu.

Hintergrund des Verfahrens

Bereits im Jahr 2022 wurde in einem Vorprozess (LG Köln, Az. 8 O 419/19; OLG Köln, Az. 19 U 130/21) rechtskräftig festgestellt, dass die Bildagentur nicht berechtigt war, die betreffenden Fotos kommerziell zu vertreiben, da die Eigentümerin des Doms keine entsprechende Lizenz erteilt hatte. In der nun entschiedenen Schadensersatzklage wurde zusätzlich geltend gemacht, dass durch die Abbildung des „Richter-Fensters“ auch Urheberrechte des Künstlers Gerhard Richter verletzt wurden.

Entscheidungsgründe des OLG Köln

Das OLG Köln bestätigte die Haftung der Bildagentur und stellte klar, dass diese ihre Prüfpflichten verletzt habe. Es sei nicht ausreichend, sich auf die Angaben der Fotografen zu verlassen; vielmehr müsse die Agentur selbst sicherstellen, dass alle erforderlichen Nutzungsrechte vorliegen. Die Agentur habe ihre Prüfpflichten jedenfalls fahrlässig verletzt, indem sie die Rechtmäßigkeit der Verwertung der Lichtbilder nicht oder nicht sorgfältig genug überprüft habe.

Die Höhe des Schadensersatzes bemisst sich nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben anhand einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr. Dem Künstler Gerhard Richter steht Schadensersatz in knapp fünfstelliger Höhe zu.

Kritische Stimmen zur Schadenshöhe

In der Fachöffentlichkeit wurde die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes teilweise als zu niedrig kritisiert. Angesichts der Bedeutung des „Richter-Fensters“ und der kommerziellen Nutzung durch die Bildagentur sei eine höhere Entschädigung angemessen gewesen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen und den Schutz geistigen Eigentums effektiv zu gewährleisten.

Konsequenzen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Köln unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Rechteklärung bei der kommerziellen Nutzung von Fotografien, insbesondere wenn urheberrechtlich geschützte Werke abgebildet sind. Unternehmen und Agenturen sollten sicherstellen, dass sie über alle erforderlichen Nutzungsrechte verfügen, um rechtliche Auseinandersetzungen und Schadensersatzforderungen zu vermeiden.

Revision nicht zugelassen

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Gegen das Urteil ist jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof möglich.

Nachtrag zum Blogbeitrag vom 28. Mai 2025 – Korrektur und Analyse zum Urteil des VG Hannover zur Cookie-Banner-Gestaltung und zum Einsatz des Google Tag Managers

In unserem Blogbeitrag vom 28. Mai 2025 berichteten wir über das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover zur datenschutzkonformen Gestaltung von Cookie-Bannern und dem Einsatz des Google Tag Managers (GTM). Damals stützten wir uns auf die Pressemitteilung des Gerichts. Inzwischen liegt das Urteil im Volltext vor, und es gibt wichtige Klarstellungen durch den Klägervertreter, Rechtsanwalt Stephan Hansen-Oest.


Klarstellung durch den Klägervertreter

Rechtsanwalt Stephan Hansen-Oest, der die Klägerin – ein Verlagshaus – in dem Verfahren vertritt, hat in seinem aktuellen Newsletter mitgeteilt, dass die Pressemitteilung des Gerichts wichtige Differenzierungen nicht abbildet. Insbesondere stellt er klar, dass die Vertreterinnen der Aufsichtsbehörde während der mündlichen Verhandlung erklärten, dass der Einsatz des Google Tag Managers nicht pauschal einwilligungspflichtig sei. Es gäbe Konfigurationen, die keine Einwilligung erforderten. Im konkreten Fall sei jedoch aufgrund der Ergebnisse des IT-Prüflabors eine Einwilligung erforderlich gewesen. Diese Differenzierung fehlt im Urteil, was zu Missverständnissen führen kann. RA Hansen-Oest hat daher für seine Mandantin einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Das Verfahren ist nun beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht anhängig.


Wesentliche Inhalte des Urteils

1. Gestaltung des Cookie-Banners

Das VG Hannover stellte fest, dass die Gestaltung des Cookie-Banners der Klägerin nicht den Anforderungen an eine informierte, freiwillige und eindeutige Einwilligung gemäß § 25 TTDSG und Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO entspricht. Kritisiert wurden insbesondere:

  • Fehlende „Alles ablehnen“-Schaltfläche auf der ersten Ebene des Banners.
  • Irreführende Beschriftungen wie „optimales Nutzungserlebnis“ und „akzeptieren und schließen“.
  • Unklare Anzahl der eingebundenen Partner und Drittdienste.
  • Wesentliche Informationen, wie das Widerrufsrecht und Datenverarbeitung in Drittstaaten, waren erst nach Scrollen sichtbar.

Diese Gestaltung führte dazu, dass Nutzer keine informierte, freiwillige und eindeutige Einwilligung geben konnten.

2. Einsatz des Google Tag Managers

Das Gericht entschied, dass der Einsatz des Google Tag Managers einer ausdrücklichen Einwilligung bedarf. Der Dienst greife auf Endgeräte zu, indem er Skripte und Cookies setze, was eine ausdrückliche Zustimmung notwendig mache. Der Zweck des Dienstes sei allein, andere Dienste leichter einzubinden, was jedoch nur ein Vorteil für den Websitebetreiber und nicht für den Nutzer sei. Da es an einer Zustimmung fehle, sei der Einsatz rechtswidrig.

3. Zuständigkeit der Datenschutzbehörde

Das VG Hannover bestätigte die Zuständigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen für die Überwachung und Einhaltung von § 25 TTDSG. Es handele sich um eine „andere datenschutzrechtliche Bestimmung“ im Sinne des § 20 Abs. 1 NDSG, wodurch die Behörde befugt sei, die Einhaltung des § 25 TTDSG zu überwachen.


Fazit

Das Urteil des VG Hannover betont die Bedeutung einer klaren Gestaltung von Cookie-Bannern und die Notwendigkeit einer Einwilligung für bestimmte Dienste wie den Google Tag Manager. Allerdings zeigt die Kritik von RA Hansen-Oest, dass eine pauschale Bewertung des Einsatzes des Google Tag Managers nicht angemessen ist. Es kommt auf die konkrete Konfiguration an. Webseitenbetreiber sollten daher sorgfältig prüfen, ob und in welcher Form der Dienst eingesetzt wird und ob eine Einwilligung erforderlich ist.