Markenverletzung im Online-Handel: Der EuGH klärt, wo und was der „Besitz“ von Waren ist

Der Online-Handel kennt keine nationalen Grenzen. Waren werden oft in einem Land gelagert und aus einem anderen heraus verkauft, um sie in ein drittes Land zu liefern. Dies wirft im Markenrecht die Frage auf, wo eine Markenverletzung überhaupt stattfindet und wer dafür haftet. Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) wichtige Klarstellungen vorgenommen, die für alle im E-Commerce tätigen Unternehmen von großer Relevanz sind.

Die Ausgangslage: Eine Markenrechtsklage über Ländergrenzen hinweg

Im Zentrum des Verfahrens stand eine spanische Online-Händlerin, die über ihre Website und Amazon.de Tauchzubehör bewarb, das mit Zeichen versehen war, die den Marken eines deutschen Unternehmens identisch waren. Der deutsche Markeninhaber klagte auf Unterlassung, auch wegen des unbefugten Besitzes der Waren. Die spanische Händlerin argumentierte, dass sich der Besitz der Waren in Spanien befand, also außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Marken. Dies führte zur entscheidenden Frage, ob eine Markenverletzung auch dann vorliegt, wenn der Besitz der Ware in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegt, die Waren aber für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind.

Die Entscheidung des EuGH: Besitz im Ausland kann Markenrechte verletzen

Der EuGH stellte klar, dass der Inhaber einer nationalen Marke einem Dritten verbieten kann, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Waren zu besitzen, wenn der Zweck dieses Besitzes der Verkauf oder das Inverkehrbringen der Waren im Schutzland ist. Der Gerichtshof betonte, dass der Schutz einer Marke, obwohl er grundsätzlich auf das Territorium des Eintragungsstaates beschränkt ist, seine Wirksamkeit nicht verlieren darf. Wenn sich ein Online-Angebot an Verbraucher in Deutschland richtet, kann die deutsche Marke auch im Ausland durch den Besitz der Waren verletzt werden. Die bloße Zugänglichkeit einer Website reicht dafür zwar nicht aus, aber relevante Indizien wie Liefergebiete oder die Nutzung einer länderspezifischen Domain wie amazon.de können dies belegen.

Der Begriff des „Besitzes“: Unmittelbar oder mittelbar?

Eine weitere zentrale Frage war, was unter dem Begriff „Besitz“ zu verstehen ist. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Im Online-Handel über Logistikdienstleister wie Amazon haben Händler oft keinen unmittelbaren physischen Zugriff auf die Waren, sondern nur einen mittelbaren. Der EuGH entschied, dass für eine Markenverletzung auch der mittelbare Besitz ausreicht. Ein Unternehmen muss nicht die tatsächliche, unmittelbare Herrschaft über die Waren haben, sondern es genügt eine Aufsichts- oder Leitungsbefugnis gegenüber der Person, die die physische Kontrolle über die Waren hat (z. B. ein Logistikdienstleister oder Spediteur). Eine andere Auslegung würde den Markenschutz im modernen E-Commerce, wo Händler oft mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, erheblich aushöhlen.

Fazit: Erweitertes Risiko für Online-Händler

Die Entscheidung des EuGH stärkt die Position von Markeninhabern im Online-Handel erheblich. Sie verdeutlicht, dass eine Markenverletzung nicht mehr nur am physischen Ort der Ware stattfindet, sondern auch dort, wo das Angebot die Verbraucher erreicht.

Online-Händler, die markenidentische Waren aus einem EU-Land in ein anderes liefern lassen, müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur für den Verkauf oder das Anbieten, sondern bereits für den Besitz dieser Waren im Ausland haftbar gemacht werden können, wenn die Waren für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind. Dies gilt auch, wenn die Waren über Dritte wie Logistikzentren gelagert werden.


Gericht: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
Datum: 1. August 2025
Aktenzeichen: C-76/24

Markenrecht an der Grenze: Wer trägt die Kosten, wenn die Klage sich erledigt?

Die Einfuhr von Produkten aus dem Ausland, die mutmaßlich Markenrechte verletzen, ist ein bekanntes Problem für Unternehmen. Eine beliebte Methode, hiergegen vorzugehen, ist die sogenannte Grenzbeschlagnahme. In einem aktuellen Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main ging es jedoch weniger um die Markenverletzung selbst, sondern vielmehr um eine wichtige Frage des Verfahrensrechts: Wer muss die Kosten eines Gerichtsverfahrens tragen, wenn der Klagegrund bereits vor Einreichung der Klage entfällt?

Der Ausgangspunkt: Eine Handyhülle und die Grenzbeschlagnahme

Ein Verbraucher bestellte im Internet eine Handyhülle in China, die mit den bekannten Louis Vuitton-Marken versehen war. Die Lieferung wurde vom Hauptzollamt Frankfurt am Main im Rahmen einer Grenzbeschlagnahme angehalten, da der Verdacht einer Markenverletzung bestand.

Der Zoll informierte sowohl den Markeninhaber (Louis Vuitton) als auch den Käufer. Zunächst widersprach der Käufer der Vernichtung der Ware. Kurz darauf, nachdem er sich über die Rechtslage informiert hatte, stimmte er jedoch direkt gegenüber dem Zoll der Vernichtung zu.

Der Markeninhaber wusste davon nichts. Er hatte den Käufer zuvor aufgefordert, die Zustimmung zur Vernichtung zu erklären, um eine Klage zu vermeiden. Als die Frist verstrich und der Markeninhaber keine Rückmeldung erhielt, reichte er Klage ein. Erst danach erfuhr er vom Zoll, dass der Käufer der Vernichtung bereits zugestimmt hatte. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.

Der zentrale Streitpunkt: Wer trägt nun die Kosten des Rechtsstreits? Das Landgericht hatte die Kosten zunächst dem Käufer auferlegt, weil es davon ausging, dieser habe die Klage veranlasst, indem er den Markeninhaber nicht über seine Zustimmung zur Vernichtung informierte.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Keine Informationspflicht

Das OLG Frankfurt am Main sah das anders und änderte die Entscheidung des Landgerichts. Nach Ansicht der Richter des OLG ist die Grenzbeschlagnahme nach der Produkpiraterie-Verordnung so ausgestaltet, dass die Kommunikation primär zwischen den Beteiligten und der Zollbehörde stattfindet.

Das Gericht stellte klar, dass zwischen dem Markeninhaber und dem privaten Einführer, der die Ware zu persönlichen Zwecken bestellt hat, kein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht. Eine Markenverletzung liegt bei der Einfuhr von Waren zu privaten Zwecken nicht vor. Auch eine Beihilfe zur Markenverletzung des chinesischen Anbieters verneinte das Gericht.

Daher besteht auch keine allgemeine Pflicht des Käufers, den Markeninhaber über die Zustimmung zur Vernichtung zu informieren. Eine solche Informationspflicht könnte sich nur aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben, wofür jedoch eine besondere Rechtsbeziehung notwendig wäre. Eine unberechtigte Aufforderung, wie sie der Markeninhaber an den Käufer schickte, begründet eine solche Beziehung aber gerade nicht.

Das OLG urteilte, dass der Käufer keinen Anlass für die Klage gegeben habe. Der Markeninhaber hätte vor Einreichung der Klage beim Zoll nachfragen müssen, um den Status der Ware zu klären. Das Unterlassen einer solchen Rückfrage geht zu seinen Lasten. Die Kosten des Gerichtsverfahrens musste daher der klagende Markeninhaber tragen.

Fazit für Unternehmer

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für Markeninhaber. Zwar bietet die Grenzbeschlagnahme ein effektives Mittel gegen Produktpiraterie. Das Vorgehen bei der Abwicklung solcher Fälle muss jedoch sorgfältig geplant werden. Im Falle einer Klage auf Zustimmung zur Vernichtung besteht für den Beklagten – einen privaten Käufer, der die Ware zu privaten Zwecken importiert – keine gesetzliche Pflicht, den Markeninhaber über die Zustimmung gegenüber dem Zoll zu informieren.

Wer als Unternehmen voreilig klagt, ohne sich über den aktuellen Stand bei der Zollbehörde zu informieren, riskiert, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, auch wenn die Klage sich formell erledigt.

Gericht: OLG Frankfurt am Main, 6. Zivilsenat
Datum: 31.07.2025
Aktenzeichen: 6 W 99/25

Kammergericht Berlin: Doch keine zwingende Nutzung von Meldeformularen von Online-Plattformen

Der Digital Services Act (DSA) hat für Online-Plattformen und ihre Nutzer zahlreiche neue Regeln gebracht. Ein zentraler Punkt ist die Meldung rechtswidriger Inhalte, etwa bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Urheberrechtsverletzungen oder Markenrechtsverstößen. Das Kammergericht Berlin hat in einem wegweisenden Beschluss klargestellt, dass die Nutzung des von den Plattformen bereitgestellten Meldeverfahrens für Nutzer nicht zwingend ist, um ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die vor allem für Unternehmer von großer Bedeutung ist.

Der Fall: E-Mail statt Meldeformular

Das Landgericht Berlin argumentierte, dass nach den neuen DSA-Regeln die erforderliche Kenntnis des Plattformbetreibers nur dann als gegeben gilt, wenn der Betroffene das vorgesehene elektronische Meldeverfahren nutzt. Eine formlose Mitteilung per E-Mail sei unzureichend, selbst wenn sie den Verstoß klar benenne.

Bereits am 14. August 2025 haben wir in einem Blogbeitrag über die Entscheidung des Landgerichts Berlin berichtet, das in einem Eilverfahren den Antrag eines Nutzers auf Entfernung von Inhalten zunächst abgewiesen hatte. Die Antragstellerin hatte die Plattform nicht über das offizielle, vom Anbieter eingerichtete Melde- und Abhilfeverfahren kontaktiert, sondern die Rechtsverletzung auf anderem Weg, nämlich durch ein anwaltliches Schreiben per E-Mail, gemeldet.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin

Das Kammergericht Berlin sah das anders und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. In seinem Beschluss vom 25. August 2025 stellte es klar, dass es für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen keinen Zwang gibt, das Meldeverfahren der Online-Plattform zu nutzen.

Entscheidend sei nicht der Weg der Übermittlung, sondern der Inhalt der Meldung. Eine Plattform erlange auch dann Kenntnis von einer Rechtsverletzung, wenn die Informationen auf anderem Wege – etwa per anwaltlichem Schriftsatz oder E-Mail – übermittelt werden, sofern die Meldung ausreichend präzise und begründet ist. Die vom DSA vorgesehenen Melde- und Abhilfeverfahren sollen den Nutzern lediglich eine einfache Möglichkeit zur Meldung bieten, schränken aber keineswegs ihre sonstigen Rechte und Wege ein.

Das Gericht betonte, dass der europäische Gesetzgeber die Rechte der Verbraucher und Nutzer nicht unnötig einschränken will. Zwar greife die gesetzliche Vermutung der Kenntnis nur bei der Nutzung des offiziellen Meldeverfahrens. Jedoch bedeutet das nicht, dass andere Wege gänzlich ungeeignet wären. Wer auf anderem Wege die Plattform in Kenntnis setzt, trägt allerdings das Risiko, dass die Meldung nicht alle für die Plattform notwendigen Informationen enthält. Dennoch ist der Weg offen.

Fazit für Unternehmen

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle, die im digitalen Raum aktiv sind. Als Unternehmer sind Sie oft mit Rechtsverletzungen wie falschen Bewertungen, Markenpiraterie oder unerlaubten Foto-Veröffentlichungen konfrontiert. Das Urteil des Kammergerichts Berlin stärkt Ihre Position, da Sie nicht ausschließlich auf die internen, oft umständlichen Meldesysteme von Plattformen angewiesen sind.

Sie können auch weiterhin den Weg über einen Anwalt wählen, der eine Plattform direkt und wirksam in Kenntnis setzt. Das Gericht stellt damit klar, dass die rechtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen nicht an einem Formular scheitern darf.


Gericht: KG Berlin 10. Zivilsenat
Datum: 25. August 2025
Aktenzeichen: 10 W 70/25

Gegner insolvent? BGH bremst voreilige Prozessfortführung bei Schutzrechtsverletzungen

Ein laufender Prozess wegen der Verletzung von Marken-, Design- oder Patentrechten gehört zum Geschäftsalltag vieler Unternehmen. Kompliziert wird die Lage jedoch, wenn der Prozessgegner plötzlich Insolvenz anmeldet. Der naheliegende Wunsch, den Prozess schnell fortzusetzen, um weiteren Schaden abzuwenden, kann jedoch an prozessualen Hürden scheitern. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs beleuchtet die erheblichen Risiken einer vorschnellen Prozessaufnahme.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Hersteller von Einbauküchen verklagte einen ehemaligen Lieferanten, weil dieser eine Griffleiste vertrieben haben soll, die ein geschütztes Design des Herstellers verletzte. Die Klage umfasste die üblichen Ansprüche: Unterlassung, Vernichtung der rechtsverletzenden Produkte, Auskunft über den Umfang der Verkäufe und Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Mitten im Verfahren kam die Hiobsbotschaft: Über das Vermögen des beklagten Lieferanten wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Nach deutschem Recht wird ein solcher Prozess dadurch automatisch unterbrochen. Der Kläger wollte jedoch nicht warten und erklärte die Wiederaufnahme des Verfahrens – allerdings nur für einen Teil seiner Ansprüche. Die Schadensersatzansprüche für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung meldete er hingegen nicht, wie es das Gesetz vorschreibt, zur Insolvenztabelle an. Er versuchte also, nur die für ihn vorteilhaften Teile des Prozesses weiterzuführen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein prozessuales „Rosinenpicken“

Dieser Strategie hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine klare Absage erteilt. Die Richter entschieden, dass eine solche teilweise Wiederaufnahme des Rechtsstreits unzulässig ist.

Die Begründung ist einleuchtend: Alle vom Kläger geltend gemachten Ansprüche – egal ob Unterlassung oder Schadensersatz – hingen von der Beantwortung einer einzigen zentralen Frage ab: Hat der Lieferant das Design des Herstellers überhaupt verletzt?

Würde man den Prozess nur teilweise fortführen, bestünde die Gefahr, dass es zu widersprüchlichen Urteilen kommt. Das Gericht könnte im fortgeführten Teil zu dem Schluss kommen, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, während in einem späteren Verfahren über die nicht angemeldeten Altforderungen das genaue Gegenteil entschieden wird. Ein solches rechtliches Chaos will die Prozessordnung verhindern.

Besonders interessant ist, dass der BGH auch das Argument des Klägers, er benötige für einen effektiven Rechtsschutz eine schnelle Entscheidung, nicht gelten ließ. Das Gericht stellte fest: Der Kläger hat sich die missliche Lage selbst zuzuschreiben. Er hätte seine Schadensersatzforderungen für die Zeit vor der Insolvenz einfach nur form- und fristgerecht zur Insolvenztabelle anmelden müssen. Da er dies unterlassen hat, kann er sich nun nicht darauf berufen, dass seine Rechte unzumutbar beeinträchtigt werden.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Die Entscheidung des BGH ist eine wichtige Lektion für jeden Unternehmer, der seine gewerblichen Schutzrechte gerichtlich durchsetzt:

  1. Sofortiger Handlungsbedarf bei Insolvenz des Gegners: Sobald Sie von der Insolvenz eines Prozessgegners erfahren, müssen Sie sofort handeln. Der Prozess ist unterbrochen und kann nicht einfach weiterlaufen.
  2. Keine halben Sachen: Sie müssen alle Ihre Ansprüche sorgfältig prüfen. Forderungen, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind (sog. Insolvenzforderungen), müssen zwingend zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Ein Versäumnis kann, wie der Fall zeigt, den gesamten Prozess blockieren.
  3. Anwaltliche Expertise ist entscheidend: Das Zusammenspiel von Prozessrecht und Insolvenzrecht ist komplex. Ohne spezialisierte anwaltliche Beratung riskieren Sie, aus prozessualen Gründen Ihre eigentlich berechtigten Ansprüche zu verlieren.

Fazit: Wer im Falle der Insolvenz eines Gegners versucht, strategisch nur die angenehmen Teile eines Prozesses weiterzuverfolgen und dabei die formalen Anforderungen des Insolvenzrechts ignoriert, riskiert, am Ende mit leeren Händen dazustehen. Eine umfassende und saubere Vorgehensweise ist hier der einzige Weg zum Erfolg.


Gericht: Bundesgerichtshof

Datum: 31.07.2025

Aktenzeichen: I ZR 127/24

Retouren-Adresse für Fälscher? Logistiker haftet für Markenpiraterie

Ein Unternehmen bietet eine simple Dienstleistung an – zum Beispiel die Bereitstellung einer deutschen Adresse für internationale Versandhändler. Ein lukratives und scheinbar risikoarmes Geschäft. Doch was passiert, wenn diese Händler massenhaft gefälschte Markenartikel versenden und Ihre Adresse als Absender nutzen? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zeigt: Aus dem Dienstleister wird schnell ein haftender Störer.

Der Fall: Eine deutsche Adresse für Produktpiraten aus Fernost

Ein weltweit bekannter Sportartikelhersteller entdeckte, dass Fälschungen seiner Trikots über diverse Online-Shops verkauft wurden. Bei mehreren Testbestellungen fiel eines auf: Obwohl die Ware direkt aus China kam, war als Absender auf dem Paket ein deutsches Logistikunternehmen angegeben.

Das Geschäftsmodell dieses Logistikers war einfach: Er stellte seine Anschrift als deutsche Absender- und Retourenadresse zur Verfügung. Dies war notwendig, damit ein großer deutscher Paketdienst die Sendungen für die „letzte Meile“ zum Kunden überhaupt annimmt. Der Logistiker selbst kam mit den erfolgreich zugestellten Paketen nie in Berührung. Er argumentierte daher, für den Inhalt keine Verantwortung zu tragen.

Nachdem der Sportartikelhersteller den Logistiker abgemahnt hatte und dieser sein Geschäftsgebaren nicht änderte, landete der Fall vor Gericht.

Die Entscheidung: Wer Beihilfe leistet, haftet mit

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte klar: Der Logistikdienstleister haftet für die Markenverletzungen der chinesischen Händler (Urteil vom 07.08.2025, Az. 20 U 9/25). Zwar ist er nicht der Täter – er verkauft die Fälschungen nicht selbst. Er haftet jedoch als sogenannter „Störer“.

Ein Störer ist jemand, der zwar nicht selbst die Rechtsverletzung begeht, aber willentlich einen wesentlichen Beitrag dazu leistet. Genau das sah das Gericht hier als gegeben an:

  1. Ermöglichung des Geschäftsmodells: Ohne die deutsche Adresse des Logistikers wäre der Versand der Fälschungen innerhalb Deutschlands durch den Paketdienst gar nicht möglich gewesen. Sein Service war damit ein entscheidender Baustein im System der Produktpiraten.
  2. Besonders gefahrgeneigtes Geschäft: Das Gericht stufte das Geschäftsmodell als extrem risikobehaftet ein. Der direkte Versand von Markenware in Einzelpaketen von einem unbekannten chinesischen Händler an einen Endkunden in Europa ist praktisch immer eine Markenrechtsverletzung. Warum? Weil die Ware nie mit Zustimmung des Markeninhabers für den europäischen Markt in den Verkehr gebracht wurde. Juristen sprechen hier von fehlender „Erschöpfung“.
  3. Handlungspflicht nach erstem Hinweis: Spätestens nach der ersten Abmahnung durch den Markenhersteller war für den Logistiker Schluss mit der Ahnungslosigkeit. Ab diesem Zeitpunkt hätte er aktive und zumutbare Maßnahmen ergreifen müssen, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern.

Was hätte der Logistiker tun müssen?

Das Gericht wurde sehr konkret. Es sei dem Logistiker zumutbar, von seinen Auftraggebern (den chinesischen Speditionen) die Namen der Online-Shops zu verlangen. Eine simple Google-Suche hätte offenbart, dass diese Shops fast ausschließlich Trikots bekannter Marken anbieten – ein klares Indiz für Fälschungen. Der Logistiker hätte daraufhin den Service für diese Händler einstellen oder deren Pakete zur stichprobenartigen Kontrolle an sein eigenes Lager umleiten müssen.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Dieses Urteil ist eine klare Warnung für alle Dienstleister, deren Services von Dritten missbraucht werden könnten – von Logistikern und Fulfillment-Anbietern bis hin zu IT-Dienstleistern und Plattformbetreibern:

  • Ignoranz schützt nicht vor Strafe: Sie können sich nicht darauf zurückziehen, nicht zu wissen, was Ihre Kunden tun.
  • Analysieren Sie Ihr Geschäftsmodell: Wenn Ihr Service leicht für illegale Aktivitäten (wie den Verkauf von Fälschungen) genutzt werden kann, haben Sie erhöhte Sorgfaltspflichten.
  • Nehmen Sie Abmahnungen ernst: Eine Abmahnung ist nicht nur eine Zahlungsaufforderung. Sie ist der letzte Weckruf, Ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und Kontrollmechanismen einzuführen. Passivität nach einem Hinweis kann Sie teuer zu stehen kommen.

Die Rechtsprechung zieht die Zügel für alle Akteure in der Lieferkette an. Wer durch seine Dienstleistung Rechtsverletzungen Dritter erst ermöglicht, wird immer häufiger selbst zur Verantwortung gezogen. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Unternehmen nicht zum unfreiwilligen Komplizen wird.


Gerichtsentscheidung:

  • Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
  • Datum: 07.08.2025
  • Aktenzeichen: 20 U 9/25

Vorsicht bei Schutzrechtsmeldungen auf Amazon: OLG Nürnberg stärkt Anspruch auf Anwaltskostenerstattung bei unberechtigter Verwarnung

Wenn ein Händler auf Amazon unberechtigt wegen angeblicher Produktfälschungen gemeldet wird, kann das nicht nur den Umsatz empfindlich treffen – es kann für den Verwarnenden auch rechtlich teuer werden. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (AZ: 3 U 136/25), das sich mit der Erstattung von Anwaltskosten nach einer sogenannten Schutzrechtsverwarnung beschäftigt hat.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler bot unter dem Namen „M.“ Produkte auf Amazon an. Die Gegenseite, ebenfalls Spielwarenanbieterin mit einem eigenen Shop auf derselben Plattform, meldete zwei seiner Angebote als Fälschungen einer geschützten Marke. Amazon reagierte prompt mit einer Sperre der betroffenen Artikel. Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines bekannten Lizenzherstellers – eine Markenverletzung lag nicht vor.

Der Händler versuchte zunächst, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Nachdem mehrere Kontaktversuche erfolglos blieben, beauftragte er eine Anwältin, die am 16. Januar 2024 eine Abmahnung aussprach und unter anderem die Erstattung der dadurch entstandenen Rechtsanwaltskosten forderte.

Das Urteil des OLG Nürnberg

In zweiter Instanz entschied das OLG Nürnberg zugunsten des Händlers:

  • Die Schutzrechtsverwarnung war unberechtigt.
  • Der Kläger kann Schadenersatz verlangen.
  • Die Abmahnkosten in Höhe von 1.295,43 Euro sind zu erstatten.
  • Die Widerklage der Gegenseite, mit der diese ihre Verteidigungskosten ersetzt haben wollte, wurde abgewiesen.

Warum diese Entscheidung wichtig ist

Das Urteil klärt eine wichtige Rechtsfrage: Muss eine Abmahnung, die sich auch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützt, die strengen formalen Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 13 UWG) erfüllen, damit die Abmahnkosten erstattungsfähig sind?

Die klare Antwort des Gerichts: Nein – jedenfalls dann nicht, wenn es sich (auch) um ein Anspruchsschreiben wegen eines deliktischen Eingriffs in den Gewerbebetrieb handelt. Denn eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann einen solchen Eingriff darstellen, für den der Verwarnte Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen kann. Und zwar unabhängig davon, ob das Abmahnschreiben im Sinne des Wettbewerbsrechts vollständig ist.

Die Lehren für Unternehmer

1. Wer unberechtigt meldet, haftet: Wird ein Händler durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung in seinem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt, kann er nicht nur Unterlassung, sondern auch Ersatz seiner Anwaltskosten verlangen.

2. Anspruchsschreiben brauchen keine UWG-Vollständigkeit: Bei einem auf Deliktsrecht (§ 823 BGB) gestützten Vorgehen müssen nicht sämtliche Anforderungen des § 13 UWG eingehalten werden – das gilt auch, wenn das Schreiben zusätzlich auf wettbewerbsrechtliche Aspekte Bezug nimmt.

3. Kein Rückgriff bei berechtigtem Anspruchsschreiben: Wer selbst rechtswidrig eine Schutzrechtsverwarnung ausspricht, kann die eigenen Verteidigungskosten nicht vom Geschädigten ersetzt verlangen – auch dann nicht, wenn dessen Abmahnschreiben formale Mängel aufweist.

Fazit

Unternehmer, die auf Plattformen wie Amazon tätig sind, sollten sich bewusst sein, dass unüberlegte oder unbegründete Markenmeldungen schwerwiegende rechtliche Folgen haben können. Wer unberechtigt agiert, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch Reputations- und Umsatzverluste. Umgekehrt gilt: Wer unrechtmäßig gemeldet wird, hat gute Chancen, seine Kosten ersetzt zu bekommen – auch ohne perfekte Abmahnung.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum der Entscheidung: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108

Kein Erschöpfungsschutz bei Import aus der Türkei: Der BGH stärkt Markeninhaber

Mit Urteil vom 3. Juli 2025 (Az. I ZR 226/24) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Markenrecht beim Import von Waren aus der Türkei in die EU nicht als erschöpft gilt – auch wenn es sich um Originalware handelt.

Der Erschöpfungsgrundsatz im Markenrecht – kurz erklärt

Der sogenannte „Erschöpfungsgrundsatz“ ist ein zentrales Prinzip im Immaterialgüterrecht. Er besagt: Hat ein Markeninhaber ein Produkt mit seiner Marke rechtmäßig in den Verkehr gebracht – oder wurde dies mit seiner Zustimmung getan – so kann er den Weiterverkauf oder die weitere Verbreitung dieses konkreten Produkts grundsätzlich nicht mehr untersagen. Sein Verfügungsrecht über dieses einzelne Exemplar ist damit „erschöpft“.

Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Markenrecht, sondern auch bei anderen Schutzrechten wie dem Urheberrecht oder dem Patentrecht. Auch dort verliert der Rechtsinhaber nach dem ersten rechtmäßigen Inverkehrbringen eines konkreten Produkts die Kontrolle über dessen Weitergabe – jedenfalls innerhalb des vorgesehenen Erschöpfungsgebiets.

Im Markenrecht ist dieses Erschöpfungsgebiet allerdings klar begrenzt: Es erstreckt sich ausschließlich auf den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Eine Erschöpfung tritt nur ein, wenn das Produkt innerhalb dieses Gebiets in den Verkehr gebracht wurde.


Sachverhalt & Verfahrensgang

Ein türkisches Unternehmen vertreibt seinen Kaffee unter der bekannten Marke „Kurukahveci Mehmet Efendi“. Der Kaffee wird in der Türkei hergestellt und dort in Verkehr gebracht. Ein deutscher Großhändler importierte diese Originalware ohne Zustimmung des Markeninhabers nach Deutschland und vertrieb sie weiter – mit der identischen Marke.

Der Markeninhaber klagte auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten – und erhielt in allen Instanzen Recht.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

1. Keine Erschöpfung bei Inverkehrbringen außerhalb des EWR

Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte klar: Die unionsrechtliche Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 1 der Unionsmarkenverordnung (UMV) tritt nur ein, wenn die Ware vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung innerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurde. Der Vertrieb in der Türkei – als Drittstaat – erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Damit hatte die Klägerin das Recht, sich der Einfuhr und dem Vertrieb in Deutschland zu widersetzen. Auch die Tatsache, dass es sich um Originalware handelte, änderte daran nichts.

2. Keine Ausnahme durch das Assoziierungsabkommen EU-Türkei

Die Beklagte argumentierte, dass die Einfuhrbeschränkung gegen das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei verstoße, insbesondere gegen das dort geregelte Verbot sogenannter „Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen“.

Doch der BGH wies auch dieses Argument zurück. Die unionsrechtliche Regelung zur Erschöpfung sei durch das Abkommen ausdrücklich gedeckt. Denn sowohl das Zusatzprotokoll als auch der Beschluss Nr. 1/95 des Assoziationsrats lassen Ausnahmen zum Schutz des gewerblichen Eigentums zu. Genau dieser Schutz sei hier betroffen.

Der Schutz des Markenrechts genieße daher Vorrang. Die unionsrechtlich einheitliche Regelung sei sachlich gerechtfertigt, verhältnismäßig und diene der Rechtssicherheit im Binnenmarkt.


Was bedeutet das für Unternehmen?

  • Vorsicht bei Parallelimporten: Auch wenn es sich um Originalprodukte handelt, dürfen diese nicht ohne Zustimmung des Markeninhabers in die EU importiert werden, wenn sie aus einem Drittstaat stammen.
  • Klares Territorialprinzip: Die Erschöpfung des Markenrechts gilt nur für den EWR. Ein Inverkehrbringen in Drittstaaten – wie hier die Türkei – begründet keine Erschöpfung in der EU.
  • Markenschutz bleibt stark: Markeninhaber haben weiterhin das Recht, über den erstmaligen Vertrieb ihrer Produkte innerhalb des EWR zu entscheiden – auch dann, wenn sie identische Ware außerhalb des EWR selbst verkaufen.

Fazit

Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung die Rechte von Markeninhabern erneut deutlich gestärkt. Die unionsrechtliche Erschöpfung ist strikt auf den EWR beschränkt. Unternehmen, die mit Drittstaaten handeln, müssen das beachten. Das Urteil sorgt für rechtliche Klarheit und stärkt die einheitliche Anwendung des Markenrechts im Binnenmarkt – ohne Sonderwege für bestimmte Länder oder Importeure.


Gericht: Bundesgerichtshof
Datum der Entscheidung: 3. Juli 2025
Aktenzeichen: I ZR 226/24

Unberechtigte Markenbeschwerde bei Amazon – OLG Nürnberg stärkt Händlerrechte

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (Az. 3 U 136/25) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die insbesondere Onlinehändler betrifft, die über Plattformen wie Amazon verkaufen. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Händler gegen unberechtigte Markenbeschwerden vorgehen kann – insbesondere, ob und wann die damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten ersetzt werden müssen.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler verkaufte seit Jahren unter der Bezeichnung „M.“ Plüschtiere auf Amazon. Eine Mitbewerberin, die über eine Wort-Bildmarke „Teddys Rothenburg“ verfügte, meldete zwei Produkte des Klägers bei Amazon als Markenfälschungen. Amazon reagierte prompt mit einer Sperrung der Angebote.

Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines unabhängigen Markenherstellers. Der Händler versuchte mehrfach, eine einvernehmliche Lösung mit der Mitbewerberin zu erzielen – vergeblich. Erst nach Einschaltung einer Anwältin und einer Abmahnung lenkte die Beklagte ein und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Gleichwohl verweigerte sie die Übernahme der Abmahnkosten und erhob im Gegenteil sogar Widerklage.

Entscheidung des OLG Nürnberg

Das Oberlandesgericht Nürnberg gab dem Händler umfassend Recht und stellte klar:

  • Die Markenbeschwerde war unberechtigt
    Es lag keine Markenverletzung vor. Die Anzeige bei Amazon war daher als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zu werten, die einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers darstellt.
  • Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz
    Die Folge der unberechtigten Beschwerde war die Sperrung der Verkaufsangebote – mit potenziellen Umsatzverlusten. Der Kläger konnte daher die Feststellung verlangen, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht.
  • Die Abmahnkosten sind zu ersetzen
    Auch wenn das anwaltliche Schreiben nicht alle Anforderungen an eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erfüllte, handelte es sich um ein sogenanntes Anspruchsschreiben zur Geltendmachung eines deliktischen Anspruchs. Dafür gelten andere Maßstäbe: Entscheidend ist, ob die Rechtsverfolgung aus Sicht des Betroffenen erforderlich und angemessen war – was das Gericht bejahte.
  • Die Widerklage der Beklagten war unbegründet
    Die Beklagte konnte ihre eigenen Anwaltskosten nicht ersetzt verlangen, weil ihr Verhalten die Schutzrechtsverletzung nicht rechtfertigte. Selbst wenn das Abwehrschreiben des Klägers formale Mängel hatte, bleibt der Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung davon unberührt.
  • Die Feststellungsklage war zulässig
    Obwohl eine Leistungsklage grundsätzlich Vorrang hat, durfte der Kläger in diesem Fall auf Feststellung klagen. Eine konkrete Schadenshöhe war zum Zeitpunkt der Klage noch nicht bezifferbar, etwa wegen möglicher Folgen für die Amazon-Bewertungen oder zukünftige Umsätze.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil ist ein deutliches Signal an Markeninhaber, bei Beschwerden über angebliche Fälschungen äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Die Schwelle zur Schutzrechtsverwarnung ist im Kontext von Plattformen wie Amazon schnell überschritten. Wer hier leichtfertig agiert, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen – einschließlich der Pflicht zur Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz.

Gleichzeitig schafft das Urteil Rechtssicherheit für betroffene Händler: Selbst wenn sie mit anwaltlicher Hilfe reagieren und die formalen Anforderungen an eine Abmahnung nicht vollständig einhalten, können sie ihre Kosten ersetzt verlangen – sofern es um die Abwehr eines deliktischen Eingriffs geht.

Fazit

Unberechtigte Markenbeschwerden bei Amazon sind kein Kavaliersdelikt. Wer Mitbewerber fälschlich beschuldigt und dadurch deren Geschäft beeinträchtigt, haftet – sowohl auf Unterlassung als auch auf Schadensersatz. Onlinehändler sollten daher nicht zögern, gegen solche Eingriffe juristisch vorzugehen.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108

Keine Marke für „Bayern Bazi“ – Bundespatentgericht lehnt Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft ab

Das Bundespatentgericht (BPatG), AZ: 30 W (pat) 525/22, hat entschieden, dass die Wortkombination „Bayern Bazi“ nicht als Marke eingetragen werden kann. Das Gericht sieht in der Bezeichnung einen rein beschreibenden Hinweis auf die Herkunft oder Eigenart der Waren und Dienstleistungen – ein markenrechtlicher Schutz scheidet deshalb aus.

Hintergrund der Entscheidung

Die Antragstellerin hatte den Begriff „Bayern Bazi“ als Wortmarke unter anderem für Bekleidungsstücke, Lebensmittel, Spielwaren sowie Dienstleistungen der Gastronomie und Beherbergung angemeldet. Sie argumentierte, dass es sich um eine kreative Kombination handele, die keine klare inhaltliche Aussage habe und vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werde.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts lehnte die Eintragung jedoch ab. Ihrer Auffassung nach erkennt der Verbraucher in „Bayern Bazi“ lediglich die Beschreibung eines (typischen) Bayern aus Bayern – also keinen fantasievollen, unterscheidungskräftigen Begriff.

Die rechtliche Einordnung durch das Bundespatentgericht

Das BPatG bestätigte diese Auffassung. Entscheidend war die Auslegung des Begriffs „Bazi“: Im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch wird dieser (oft spöttisch oder scherzhaft) als Bezeichnung für einen Bayern verwendet. Das Gericht verwies auf Einträge im Duden und zahlreiche Pressequellen, in denen „Bazi“ mit „Bayer“ gleichgesetzt wird.

Die Kombination „Bayern Bazi“ sei daher für die Verbraucher ohne weiteres verständlich – nämlich als schlichte Beschreibung eines „Bayern aus Bayern“. Eine besondere Fantasie, ein neuartiger Bedeutungsgehalt oder ein prägnanter Herkunftshinweis seien nicht erkennbar.

Auch die Tatsache, dass solche Begriffe häufig plakativ auf Bekleidungsstücken oder Verpackungen verwendet werden, ändere nichts: Gerade in diesem Kontext versteht das Publikum solche Aufdrucke regelmäßig als bloße Selbstaussage oder regionale Identitätsbekundung – nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen.

Vergleich mit anderen Entscheidungen

Die Antragstellerin hatte auf frühere Entscheidungen verwiesen, bei denen Dialektbegriffe („Lauseandl“, „Gamsig“) als unterscheidungskräftig angesehen worden waren. Das Gericht stellte klar, dass diese Fälle nicht vergleichbar seien: Bei „Bazi“ sei die Bedeutung allgemein bekannt und keine reine Mundart. Zudem habe der Begriff in Verbindung mit „Bayern“ eine eindeutig beschreibende Wirkung.

Die Argumentation, dass der Begriff grammatikalisch ungewöhnlich sei („Bayern Bayer“), ließ das Gericht nicht gelten – der Verkehr verstehe auch diese Verkürzung ohne Weiteres.

Praxishinweis

Unternehmen sollten bei Markenanmeldungen sorgfältig prüfen, ob der gewählte Begriff nicht lediglich beschreibend ist. Selbst vermeintlich originelle Kombinationen aus regionalen oder umgangssprachlichen Begriffen können als reine Sachangabe gelten. Wer sich Markenschutz sichern will, sollte auf deutlich fantasievolle oder zumindest mehrdeutige Wortschöpfungen setzen.


Gericht: Bundespatentgericht (BPatG)
Datum der Entscheidung: 26. Februar 2025
Aktenzeichen: 30 W (pat) 525/22
Fundstelle: GRUR-RR 2025, 287

Gutachterkampf der Baumärkte: Farbe Orange verliert Markenschutz

Der Streit um die Farbe Orange spitzt sich zu: Das Bundespatentgericht (BPatG, Beschluss v. 05.06.2025 – 29 W (pat) 24/18) hat entschieden, dass die abstrakte Farbmarke „Orange“ (RAL 2008) für Einzelhandelsdienstleistungen im Bereich Bau- und Heimwerkerartikel gelöscht bleibt. Damit endet ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen zwei großen Baumarkt-Ketten, bei dem es vor allem um die Frage ging: Gehört Orange einem einzelnen Anbieter – oder allen?

Worum ging es?

Eine Baumarkt-Kette hatte sich im Jahr 2012 die Farbe Orange als abstrakte Farbmarke eintragen lassen. Grundlage dafür war ein Gutachten, das eine sogenannte Verkehrsdurchsetzung nachwies – also dass mindestens die Hälfte der Verbraucher Orange eindeutig diesem Unternehmen zuordnen. Die Marke sollte Wettbewerbern verbieten, denselben Farbton für ihre Märkte, Werbematerialien und Werbung zu nutzen.

Gleich zwei Wettbewerber beantragten daraufhin die Löschung der Marke. Ihr Argument: Orange sei längst die typische Farbe der gesamten Baumarktbranche – kein Verbraucher erkenne daran nur ein Unternehmen. Zudem sei das ursprüngliche Gutachten fehlerhaft und die Anmeldung bösgläubig erfolgt.

Die zentrale Streitfrage: Reicht ein Gutachten?

Im Verfahren lieferten sich beide Seiten ein regelrechtes Gutachter-Duell. Die Markeninhaberin legte ein neues demoskopisches Gutachten vor, das eine fortdauernde Verkehrsdurchsetzung mit Werten über 50 % belegen sollte. Die Gegenseite präsentierte ein eigenes „Gegengutachten“, das deutlich niedrigere Werte auswies. Das Bundespatentgericht stellte klar: Selbst wenn das erste Gutachten methodisch korrekt war, muss der Markeninhaber stets nachweisen, dass die Marke auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch durchgesetzt ist. Widersprüchliche Gutachten können diesen Nachweis erschüttern – hier lag die Beweislast letztlich bei der Markeninhaberin.

Warum war Orange nicht unterscheidungskräftig?

Nach Auffassung des Gerichts fehlte es von Anfang an an der sogenannten originären Unterscheidungskraft. Die Farbe Orange wird in der Branche von mehreren Unternehmen genutzt, sei es für Märkte, Prospekte oder Mitarbeiterkleidung. Orange stehe für Baumärkte insgesamt, nicht für einen bestimmten Anbieter. Diese „Branchenübung“ spricht klar gegen ein Monopol auf den Farbton.

Keine Verkehrsdurchsetzung mehr nachweisbar

Auch die jahrelange Nutzung, hohe Werbeaufwendungen und Umsätze konnten die Zweifel nicht beseitigen. Zwar können diese Faktoren nach der EU-Rechtsprechung (sogenannte Chiemsee-Kriterien) die Verkehrsdurchsetzung unterstützen. Doch angesichts zweier widersprüchlicher Gutachten – das eine knapp unter 50 %, das andere weit darunter – sah das Gericht den Nachweis letztlich als nicht erbracht an.

Rechtsbeschwerde zugelassen

Wegen grundsätzlicher Fragen – etwa ob der Markeninhaber trotz anerkannter Gutachten stets die Beweislast trägt – hat das Gericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.


Praxis-Tipp für Unternehmen:
Wer sich eine Farbe als Marke sichern möchte, sollte den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung sehr sorgfältig vorbereiten und darauf achten, dass Gutachten methodisch einwandfrei sind. Zudem muss eine konsequente, langfristige und markenmäßige Nutzung nachweisbar sein. Selbst dann besteht das Risiko, dass Wettbewerber den Nachweis mit Gegen-Gutachten erschüttern können.


Gericht:
Bundespatentgericht
Datum der Entscheidung:
05.06.2025
Aktenzeichen:
29 W (pat) 24/18