Markenrecht und Onlinehandel: Kein Unterlassungsanspruch bei generierter Trefferliste ohne Markenverwendung

Wer eine Marke als Suchbegriff in einem Onlineshop oder auf einer Plattform eingibt, erwartet in der Regel passende Originalprodukte. Doch was passiert, wenn die Suchergebnisse ausschließlich Drittprodukte anzeigen, obwohl die Marke nicht in den Produktbeschreibungen auftaucht?

Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 07.08.2025, Az. 20 U 73/24) befasst und ein klares Signal gesetzt: Allein die Anzeige von Drittprodukten bei Eingabe eines markenrechtlich geschützten Begriffs führt nicht automatisch zu einer Markenrechtsverletzung.

Der Fall: Staubsaugerbeutel und Markenrechte

Die Klägerin, ein Hersteller von Staubsaugergeräten und -zubehör, ist Inhaberin einer eingetragenen Unionsmarke für Staubsaugerbeutel. Auf einer bekannten Handelsplattform wurde bei Eingabe dieser Marke eine Trefferliste mit Produkten eines Drittanbieters angezeigt – ohne Hinweis, dass es sich nicht um Originalware handelt. Die Produktbeschreibungen selbst enthielten die Marke nicht, sondern lediglich Formulierungen wie „geeignet für“ und den Hinweis „Kein Original“.

Die Klägerin warf dem Anbieter vor, die Marke als unsichtbares Keyword verwendet zu haben, um so von der Markenbekanntheit zu profitieren. Sie verlangte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz.

Die Entscheidung: Keine Markenverletzung trotz Keyword-Nutzung

Das OLG Düsseldorf ließ offen, ob das Keyword tatsächlich durch die Beklagte gesetzt wurde. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre keine Markenrechtsverletzung gegeben. Entscheidend sei, ob durch die Anzeige der Angebote eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke erfolgt.

Nach Ansicht des Gerichts ist dies nicht der Fall: Ein durchschnittlicher Internetnutzer wisse, dass auf Handelsplattformen auch Drittprodukte bei Markensuchen angezeigt werden. Durch die Bezeichnungen „geeignet für“ und „kein Original“ sei für den Nutzer hinreichend erkennbar, dass es sich nicht um Originalware handelt. Auch die Tatsache, dass es sich um kompatible Beutel für ein Markenprodukt handelt, sei im Markt üblich und nicht per se irreführend.

Zudem liege keine sogenannte Störerhaftung vor: Die Beklagte habe keine Pflicht zur Kontrolle von automatisch generierten Suchergebnissen, solange sie diese nicht selbst beeinflusse.

Auch hervorzuheben ist, dass das Gericht auch keine Verpflichtung der Plattform oder des Anbieters sieht, bei der Eingabe eines markenrechtlich geschützten Begriffs darauf hinzuweisen, dass keine Originalprodukte gefunden wurden. Ein ausdrücklicher Hinweis wie „0 Treffer“ sei nicht erforderlich. Der Nutzer sei daran gewöhnt, dass bei Suchen nach Marken auch Alternativprodukte erscheinen, solange keine Irreführung vorliegt.

In Linie mit der Google-AdWords-Rechtsprechung

Das Urteil steht in einer Linie mit der etablierten Rechtsprechung zu Keyword-Advertising, insbesondere den bekannten Google-AdWords-Entscheidungen des EuGH und des Bundesgerichtshofs. Schon dort wurde klargestellt, dass die Nutzung fremder Marken als Keywords dann zulässig ist, wenn aus der Anzeige selbst für den Nutzer klar hervorgeht, dass keine wirtschaftliche Verbindung zum Markeninhaber besteht. Der Schutz der Herkunftsfunktion der Marke steht im Mittelpunkt. Genau diese Prüfung hat das OLG Düsseldorf vorgenommen und verneint, dass der angesprochene Durchschnittsnutzer von einer Verbindung zwischen der Beklagten und der Markeninhaberin ausgeht.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf stellt klar: Die Verwendung eines Markennamens als Keyword ist nicht automatisch unzulässig. Im Gegenteil.

Es kommt auf die Gestaltung der Suchergebnisse und der Produktangebote an. Sofern aus der Darstellung eindeutig hervorgeht, dass es sich nicht um Originalprodukte handelt, liegt keine Markenverletzung vor.

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Datum: 07.08.2025
Aktenzeichen: 20 U 73/24

Sound-Marken im Aufwind: Das BVG-Urteil des EuG zur Hörmarke

Die Anmeldung von Klängen oder Melodien als Marken gewinnt immer mehr an Bedeutung. Sie dienen als akustisches Äquivalent zur visuellen Marke und sollen die Herkunft von Waren und Dienstleistungen im Gedächtnis der Verbraucher verankern. Die jüngste Entscheidung eines Gerichts markiert einen wichtigen Erfolg für alle Unternehmen, die ihre akustische Identität schützen wollen.

Der Fall: Zu kurz und zu banal?

Ein Dienstleistungsunternehmen, hier die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), meldete eine europäische Klangmarke an, die aus einem kurzen, nur zwei Sekunden langen Klang einer Melodie mit vier verschiedenen Tönen besteht. Die Marke sollte Dienstleistungen wie Transportwesen und Personenbeförderung kennzeichnen.

Die zuständige Behörde in Europa lehnte die Eintragung ab. Die Argumentation: Die Melodie sei „so kurz und banal“, dass ihr jede Unterscheidungskraft fehle. Sie würde von den Verbrauchern lediglich als funktionales Element wahrgenommen, um die Aufmerksamkeit auf nachfolgende Ansagen zu lenken – aber nicht als Herkunftshinweis eines bestimmten Unternehmens.

Die Kehrtwende des Gerichts: Ein Jingle ist mehr als nur ein Signal

Ein europäisches Gericht hob die ablehnende Entscheidung auf. Das Gericht betonte mehrere entscheidende Punkte:

1. Die Rolle von Jingles im Sektor

Das Gericht stellte klar, dass es in Branchen wie dem Transportwesen zunehmend üblich ist, kurze, einprägsame Klangmotive (Jingles) zu nutzen. Solche Klangmarken dienen gerade dazu, eine wiedererkennbare klangliche Identität zu schaffen und die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen zu lenken.

2. Unterscheidungskraft trotz Kürze und Einfachheit

Entgegen der Auffassung der Behörde sind die Merkmale der angemeldeten Melodie (zwei Sekunden, vier Töne) kein automatisches Ausschlusskriterium. Die Kürze ist vielmehr ein typisches Merkmal von Jingles und soll deren Merkbarkeit erleichtern. Die Melodie hatte keinen unmittelbaren funktionalen oder technischen Bezug zu den Dienstleistungen, da es sich nicht um ein übliches Geräusch aus dem Betrieb handelt.

3. Vergleich mit akzeptierter Praxis

Das Gericht zog zum Vergleich bereits eingetragene Klangmarken anderer großer Unternehmen heran. Es verwies auch auf die eigenen Prüfungsrichtlinien der Behörde, in denen vergleichbare Klangfolgen als akzeptierte Marken aufgeführt wurden. Die Verweigerung der Unterscheidungskraft war daher fehlerhaft.

4. Funktionale Nutzung schließt Markenschutz nicht aus

Selbst wenn der Jingle zur Einleitung von Lautsprecherdurchsagen verwendet wird (eine funktionale Aufgabe), steht dies der Funktion als Herkunftszeichen nicht entgegen. Im Gegenteil: In einem solchen Kontext soll der Klang es den angesprochenen Verkehrskreisen gerade ermöglichen, das betreffende Unternehmen von Konkurrenten zu unterscheiden.

Fazit und Bedeutung für Unternehmen

Dieses Urteil ist ein wichtiger Wegweiser für alle Unternehmen, die eine Klangmarke anmelden möchten. Es bestätigt, dass kurze, prägnante Melodien (Jingles) im Rahmen der Gewohnheiten des jeweiligen Wirtschaftssektors durchaus die erforderliche Mindest-Unterscheidungskraft aufweisen können. Die bloße Kürze oder Einfachheit eines Klangs führt nicht automatisch zur Ablehnung. Entscheidend ist, ob der Klang geeignet ist, im Gedächtnis des Verbrauchers eine Verbindung zum Unternehmen herzustellen.

Gericht: Gericht der Europäischen Union (Zweite Kammer)

Datum: 10. September 2025

Aktenzeichen: T-288/24

OLG Nürnberg: Volle Kostenerstattung für Anwaltsschreiben nach unberechtigter Amazon-Sperrung

Für Online-Händler, insbesondere auf Plattformen wie Amazon, ist eine Sperrung der eigenen Angebote durch eine Beschwerde eines Konkurrenten ein massives Problem. Wenn diese Beschwerde – etwa der Vorwurf einer Markenverletzung oder einer Produktfälschung – sich als haltlos herausstellt, stellt sich die Frage: Wer trägt die Kosten für den Anwalt, der eingeschaltet wurde, um die Sperre aufzuheben?

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat hierzu in einem aktuellen Urteil eine wichtige Klarstellung getroffen, die die Rechte von zu Unrecht beschuldigten Händlern stärkt.

Der Fall: Falscher Fälschungsvorwurf bei Kuscheltieren

Im Zentrum des Streits standen zwei Händler, die beide auf Amazon Spielwaren anboten. Die Beklagte, Inhaberin einer Lizenz für die Marke „Teddys Rothenburg“, meldete über das Amazon-Beschwerdeverfahren zwei Angebote des Klägers. Der Vorwurf: Bei den vom Kläger angebotenen Artikeln (Kuscheltiere von „Tom & Jerry“) handle es sich um Fälschungen.

Amazon reagierte wie üblich und sperrte die betreffenden ASINs des Klägers. Das Problem: Der Vorwurf war falsch. Es handelte sich um Originalprodukte eines anderen Herstellers.

Nachdem der Kläger vergeblich versucht hatte, die Beklagte direkt zu kontaktieren, beauftragte er einen Anwalt. Dieser schickte der Beklagten eine Abmahnung. Zwar gab die Beklagte daraufhin eine Unterlassungserklärung ab, der Streit um die Anwaltskosten des Klägers landete jedoch vor Gericht.

Der Streit: Formfehler im UWG gegen Schadenersatz

Die Beklagte weigerte sich, die Anwaltskosten des Klägers zu zahlen. Ihr Argument: Die Abmahnung des Klägers sei formell fehlerhaft gewesen. Sie habe nicht ausreichend dargelegt, inwiefern der Kläger ein „Mitbewerber“ im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sei – eine formelle Anforderung nach § 13 Abs. 2 UWG.

Nach § 13 Abs. 5 UWG führt eine solche formell unwirksame Abmahnung sogar dazu, dass der Abmahnende (der Kläger) die Anwaltskosten des Abgemahnten (der Beklagten) für dessen Verteidigung tragen muss.

Das Landgericht Ansbach in der ersten Instanz folgte dieser Argumentation: Es wies die Klage des Klägers auf Erstattung seiner Kosten ab und verurteilte ihn stattdessen zur Zahlung der Anwaltskosten der Beklagten.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg: Deliktsrecht bricht Wettbewerbsrecht

Das OLG Nürnberg kippte diese Entscheidung vollständig. Die Richter stellten klar, dass hier nicht (nur) das Wettbewerbsrecht (UWG) entscheidend ist.

Eine falsche Beschwerde bei Amazon, die eine Sperrung von Angeboten zur Folge hat, ist mehr als nur ein Wettbewerbsverstoß. Sie stellt eine „unberechtigte Schutzrechtsverwarnung“ dar. Ein solches Handeln ist ein rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ des betroffenen Händlers nach § 823 BGB (Deliktsrecht).

Das Anwaltsschreiben des Klägers war die direkte Reaktion auf diesen rechtswidrigen Eingriff. Die Anwaltskosten sind daher ein Schaden, der dem Kläger durch die unerlaubte Handlung der Beklagten entstanden ist. Dieser Schaden ist nach § 823 BGB zu ersetzen.

Der entscheidende Leitsatz des Gerichts lautet: Wenn ein Anspruchsschreiben einen solchen deliktischen Anspruch (aus § 823 BGB) geltend macht, gelten die strengen formellen Anforderungen des § 13 UWG für die Kostenerstattung nicht. Dies gilt selbst dann, wenn in dem Schreiben auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche erwähnt werden.

Im Ergebnis musste die Beklagte die vollen Anwaltskosten des Klägers erstatten. Ihr eigener Anspruch auf Kostenerstattung (die Widerklage) wurde abgewiesen. Das OLG bestätigte zudem, dass die Beklagte dem Kläger auch allen weiteren Schaden (z. B. entgangener Gewinn) ersetzen muss.

Fazit für Unternehmer

Das Urteil ist eine wichtige Stärkung für alle Online-Händler, die Opfer von ungerechtfertigten Sperrungen durch Konkurrenten werden. Wer das Beschwerdesystem von Plattformen wie Amazon missbraucht, um Konkurrenten durch falsche Behauptungen zu blockieren, begeht einen schwerwiegenden Rechtsverstoß (Eingriff in den Gewerbebetrieb).

Die Kosten für den Anwalt, der zur Beseitigung der Sperre eingeschaltet wird, sind als Schadenersatz erstattungsfähig. Der Verursacher der Sperre kann sich zur Abwehr dieser Kosten nicht auf mögliche Formfehler im Anwaltsschreiben berufen, die sich aus dem Wettbewerbsrecht (UWG) ergeben könnten.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: GRUR 2025, 1513

Streit um „Testa Rossa“: BPatG verneint Bösgläubigkeit bei Markenanmeldung

Ein bekannter Name, eine lange Unternehmensgeschichte, ein exzellenter Ruf – und plötzlich meldet ein Dritter diesen Namen als Marke für völlig andere Produkte an. Ein Szenario, das bei vielen Unternehmern für Empörung sorgt und schnell den Vorwurf der „Bösgläubigkeit“ auf den Plan ruft. Doch die rechtlichen Hürden für die Löschung einer Marke aus diesem Grund sind enorm hoch. Das hat das Bundespatentgericht (BPatG) in einer grundlegenden Entscheidung im Fall der legendären Automobilbezeichnung „Testa Rossa“ eindrucksvoll bestätigt.

Worum ging es im Fall „Testa Rossa“?

Ein weltberühmter italienischer Hersteller von Sportwagen sah sich mit der Tatsache konfrontiert, dass ein deutscher Unternehmer die Marke „Testa Rossa“ für eine breite Palette von Waren hatte eintragen lassen – von elektrischen Bohrmaschinen und Rasierapparaten über Fahrräder bis hin zu Angelgeräten.

Der Sportwagenhersteller, der den Namen „Testarossa“ seit den 1950er Jahren für ikonische Fahrzeuge verwendet, argumentierte, die Anmeldung sei bösgläubig. Der Anmelder wolle sich gezielt den exzellenten Ruf der Marke zunutze machen, um die eigenen Produkte aufzuwerten. Ferner sei die Anmeldung ein Akt der Revanche in einer langjährigen Auseinandersetzung über Lizenzgebühren in der Modellauto-Branche.

Der Markeninhaber konterte, er verfolge ein legitimes Geschäftsmodell. Ähnlich wie bei seiner Marke „Carrera“ plane er, den Namen „Testa Rossa“ für verschiedenste Konsumgüter zu lizenzieren. Eine Absicht, den Sportwagenhersteller zu behindern, bestehe nicht.

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts: Ein plausibles Geschäftsmodell schlägt den Bösgläubigkeitsvorwurf

Das Gericht lehnte den Löschungsantrag ab und stellte klar, dass für die Annahme von Bösgläubigkeit mehr erforderlich ist als das bloße Aufgreifen eines bekannten Namens. Die Richter prüften die gängigen Fallgruppen der Bösgläubigkeit und verneinten sie allesamt:

  1. Keine reine Spekulationsmarke: Der Anmelder konnte ein nachvollziehbares Geschäftsinteresse darlegen, nämlich die Verwertung der Marke durch Lizenzvergabe. Allein der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung noch keine konkreten Produkte existierten, macht die Marke nicht zu einer unzulässigen Spekulations- oder Vorratsmarke. Das Markengesetz gewährt jedem Anmelder eine fünfjährige Schonfrist, um die Benutzung aufzunehmen.
  2. Keine gezielte Behinderungsabsicht: Das Gericht verlangt für den Vorwurf der Bösgläubigkeit den Nachweis, dass die Anmeldung primär darauf abzielt, einen Wettbewerber zu stören oder zu blockieren. Dies konnte dem Anmelder nicht nachgewiesen werden. Auch die Tatsache, dass er sich in der Vergangenheit kritisch über die Lizenzpraxis der Automobilindustrie geäußert hatte, wurde nicht als Beleg für eine unlautere Absicht bei dieser speziellen Markenanmeldung gewertet.
  3. „Trittbrettfahren“ allein ist nicht bösgläubig: Das Gericht machte eine entscheidende Unterscheidung: Der Schutz einer bekannten Marke vor Rufausbeutung ist eine Frage der relativen Rechte, die im Widerspruchs- oder Verletzungsverfahren geklärt werden muss. Der Vorwurf der Bösgläubigkeit ist hingegen ein absolutes Nichtigkeitsargument, das einen schwerwiegenden Rechtsmissbrauch voraussetzt. Vom guten Ruf einer anderen Marke profitieren zu wollen, ist für sich genommen noch kein solcher Missbrauch.

Fazit für die Praxis: Strategie ist entscheidend

Die „Testa Rossa“-Entscheidung ist eine wichtige Lektion für alle Markeninhaber. Sie zeigt, dass das Gefühl, von einem Wettbewerber unfair behandelt zu werden, nicht mit dem juristischen Tatbestand der Bösgläubigkeit gleichzusetzen ist.

  • Hohe Hürden: Eine Markenlöschung wegen Bösgläubigkeit ist die absolute Ausnahme. Es müssen handfeste Beweise für eine gezielte Störungsabsicht oder einen Rechtsmissbrauch vorliegen.
  • Legitimes Interesse zählt: Wer eine Marke anmeldet und dafür ein schlüssiges, wenn auch zukünftiges, wirtschaftliches Konzept vorweisen kann, hat gute Karten, sich gegen den Vorwurf der Bösgläubigkeit zu verteidigen.
  • Der richtige Weg: Wer seine bekannte Marke vor Nachahmern schützen will, sollte sich nicht allein auf den Bösgläubigkeitsvorwurf verlassen. Der klassische und weitaus aussichtsreichere Weg führt über den Widerspruch aus eigenen älteren Markenrechten und den Nachweis der Verwechslungsgefahr oder der unlauteren Rufausnutzung.

Der Fall wurde zur Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob die höchste Instanz diese strenge Linie bestätigt.

Gericht: Bundespatentgericht
Datum: 15. Januar 2025
Aktenzeichen: 29 W (pat) 14/21

Markenverletzung im Online-Handel: Der EuGH klärt, wo und was der „Besitz“ von Waren ist

Der Online-Handel kennt keine nationalen Grenzen. Waren werden oft in einem Land gelagert und aus einem anderen heraus verkauft, um sie in ein drittes Land zu liefern. Dies wirft im Markenrecht die Frage auf, wo eine Markenverletzung überhaupt stattfindet und wer dafür haftet. Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) wichtige Klarstellungen vorgenommen, die für alle im E-Commerce tätigen Unternehmen von großer Relevanz sind.

Die Ausgangslage: Eine Markenrechtsklage über Ländergrenzen hinweg

Im Zentrum des Verfahrens stand eine spanische Online-Händlerin, die über ihre Website und Amazon.de Tauchzubehör bewarb, das mit Zeichen versehen war, die den Marken eines deutschen Unternehmens identisch waren. Der deutsche Markeninhaber klagte auf Unterlassung, auch wegen des unbefugten Besitzes der Waren. Die spanische Händlerin argumentierte, dass sich der Besitz der Waren in Spanien befand, also außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Marken. Dies führte zur entscheidenden Frage, ob eine Markenverletzung auch dann vorliegt, wenn der Besitz der Ware in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegt, die Waren aber für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind.

Die Entscheidung des EuGH: Besitz im Ausland kann Markenrechte verletzen

Der EuGH stellte klar, dass der Inhaber einer nationalen Marke einem Dritten verbieten kann, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Waren zu besitzen, wenn der Zweck dieses Besitzes der Verkauf oder das Inverkehrbringen der Waren im Schutzland ist. Der Gerichtshof betonte, dass der Schutz einer Marke, obwohl er grundsätzlich auf das Territorium des Eintragungsstaates beschränkt ist, seine Wirksamkeit nicht verlieren darf. Wenn sich ein Online-Angebot an Verbraucher in Deutschland richtet, kann die deutsche Marke auch im Ausland durch den Besitz der Waren verletzt werden. Die bloße Zugänglichkeit einer Website reicht dafür zwar nicht aus, aber relevante Indizien wie Liefergebiete oder die Nutzung einer länderspezifischen Domain wie amazon.de können dies belegen.

Der Begriff des „Besitzes“: Unmittelbar oder mittelbar?

Eine weitere zentrale Frage war, was unter dem Begriff „Besitz“ zu verstehen ist. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Im Online-Handel über Logistikdienstleister wie Amazon haben Händler oft keinen unmittelbaren physischen Zugriff auf die Waren, sondern nur einen mittelbaren. Der EuGH entschied, dass für eine Markenverletzung auch der mittelbare Besitz ausreicht. Ein Unternehmen muss nicht die tatsächliche, unmittelbare Herrschaft über die Waren haben, sondern es genügt eine Aufsichts- oder Leitungsbefugnis gegenüber der Person, die die physische Kontrolle über die Waren hat (z. B. ein Logistikdienstleister oder Spediteur). Eine andere Auslegung würde den Markenschutz im modernen E-Commerce, wo Händler oft mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, erheblich aushöhlen.

Fazit: Erweitertes Risiko für Online-Händler

Die Entscheidung des EuGH stärkt die Position von Markeninhabern im Online-Handel erheblich. Sie verdeutlicht, dass eine Markenverletzung nicht mehr nur am physischen Ort der Ware stattfindet, sondern auch dort, wo das Angebot die Verbraucher erreicht.

Online-Händler, die markenidentische Waren aus einem EU-Land in ein anderes liefern lassen, müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur für den Verkauf oder das Anbieten, sondern bereits für den Besitz dieser Waren im Ausland haftbar gemacht werden können, wenn die Waren für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind. Dies gilt auch, wenn die Waren über Dritte wie Logistikzentren gelagert werden.


Gericht: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
Datum: 1. August 2025
Aktenzeichen: C-76/24

Markenrecht an der Grenze: Wer trägt die Kosten, wenn die Klage sich erledigt?

Die Einfuhr von Produkten aus dem Ausland, die mutmaßlich Markenrechte verletzen, ist ein bekanntes Problem für Unternehmen. Eine beliebte Methode, hiergegen vorzugehen, ist die sogenannte Grenzbeschlagnahme. In einem aktuellen Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main ging es jedoch weniger um die Markenverletzung selbst, sondern vielmehr um eine wichtige Frage des Verfahrensrechts: Wer muss die Kosten eines Gerichtsverfahrens tragen, wenn der Klagegrund bereits vor Einreichung der Klage entfällt?

Der Ausgangspunkt: Eine Handyhülle und die Grenzbeschlagnahme

Ein Verbraucher bestellte im Internet eine Handyhülle in China, die mit den bekannten Louis Vuitton-Marken versehen war. Die Lieferung wurde vom Hauptzollamt Frankfurt am Main im Rahmen einer Grenzbeschlagnahme angehalten, da der Verdacht einer Markenverletzung bestand.

Der Zoll informierte sowohl den Markeninhaber (Louis Vuitton) als auch den Käufer. Zunächst widersprach der Käufer der Vernichtung der Ware. Kurz darauf, nachdem er sich über die Rechtslage informiert hatte, stimmte er jedoch direkt gegenüber dem Zoll der Vernichtung zu.

Der Markeninhaber wusste davon nichts. Er hatte den Käufer zuvor aufgefordert, die Zustimmung zur Vernichtung zu erklären, um eine Klage zu vermeiden. Als die Frist verstrich und der Markeninhaber keine Rückmeldung erhielt, reichte er Klage ein. Erst danach erfuhr er vom Zoll, dass der Käufer der Vernichtung bereits zugestimmt hatte. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.

Der zentrale Streitpunkt: Wer trägt nun die Kosten des Rechtsstreits? Das Landgericht hatte die Kosten zunächst dem Käufer auferlegt, weil es davon ausging, dieser habe die Klage veranlasst, indem er den Markeninhaber nicht über seine Zustimmung zur Vernichtung informierte.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Keine Informationspflicht

Das OLG Frankfurt am Main sah das anders und änderte die Entscheidung des Landgerichts. Nach Ansicht der Richter des OLG ist die Grenzbeschlagnahme nach der Produkpiraterie-Verordnung so ausgestaltet, dass die Kommunikation primär zwischen den Beteiligten und der Zollbehörde stattfindet.

Das Gericht stellte klar, dass zwischen dem Markeninhaber und dem privaten Einführer, der die Ware zu persönlichen Zwecken bestellt hat, kein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht. Eine Markenverletzung liegt bei der Einfuhr von Waren zu privaten Zwecken nicht vor. Auch eine Beihilfe zur Markenverletzung des chinesischen Anbieters verneinte das Gericht.

Daher besteht auch keine allgemeine Pflicht des Käufers, den Markeninhaber über die Zustimmung zur Vernichtung zu informieren. Eine solche Informationspflicht könnte sich nur aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben, wofür jedoch eine besondere Rechtsbeziehung notwendig wäre. Eine unberechtigte Aufforderung, wie sie der Markeninhaber an den Käufer schickte, begründet eine solche Beziehung aber gerade nicht.

Das OLG urteilte, dass der Käufer keinen Anlass für die Klage gegeben habe. Der Markeninhaber hätte vor Einreichung der Klage beim Zoll nachfragen müssen, um den Status der Ware zu klären. Das Unterlassen einer solchen Rückfrage geht zu seinen Lasten. Die Kosten des Gerichtsverfahrens musste daher der klagende Markeninhaber tragen.

Fazit für Unternehmer

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für Markeninhaber. Zwar bietet die Grenzbeschlagnahme ein effektives Mittel gegen Produktpiraterie. Das Vorgehen bei der Abwicklung solcher Fälle muss jedoch sorgfältig geplant werden. Im Falle einer Klage auf Zustimmung zur Vernichtung besteht für den Beklagten – einen privaten Käufer, der die Ware zu privaten Zwecken importiert – keine gesetzliche Pflicht, den Markeninhaber über die Zustimmung gegenüber dem Zoll zu informieren.

Wer als Unternehmen voreilig klagt, ohne sich über den aktuellen Stand bei der Zollbehörde zu informieren, riskiert, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, auch wenn die Klage sich formell erledigt.

Gericht: OLG Frankfurt am Main, 6. Zivilsenat
Datum: 31.07.2025
Aktenzeichen: 6 W 99/25

Kammergericht Berlin: Doch keine zwingende Nutzung von Meldeformularen von Online-Plattformen

Der Digital Services Act (DSA) hat für Online-Plattformen und ihre Nutzer zahlreiche neue Regeln gebracht. Ein zentraler Punkt ist die Meldung rechtswidriger Inhalte, etwa bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Urheberrechtsverletzungen oder Markenrechtsverstößen. Das Kammergericht Berlin hat in einem wegweisenden Beschluss klargestellt, dass die Nutzung des von den Plattformen bereitgestellten Meldeverfahrens für Nutzer nicht zwingend ist, um ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die vor allem für Unternehmer von großer Bedeutung ist.

Der Fall: E-Mail statt Meldeformular

Das Landgericht Berlin argumentierte, dass nach den neuen DSA-Regeln die erforderliche Kenntnis des Plattformbetreibers nur dann als gegeben gilt, wenn der Betroffene das vorgesehene elektronische Meldeverfahren nutzt. Eine formlose Mitteilung per E-Mail sei unzureichend, selbst wenn sie den Verstoß klar benenne.

Bereits am 14. August 2025 haben wir in einem Blogbeitrag über die Entscheidung des Landgerichts Berlin berichtet, das in einem Eilverfahren den Antrag eines Nutzers auf Entfernung von Inhalten zunächst abgewiesen hatte. Die Antragstellerin hatte die Plattform nicht über das offizielle, vom Anbieter eingerichtete Melde- und Abhilfeverfahren kontaktiert, sondern die Rechtsverletzung auf anderem Weg, nämlich durch ein anwaltliches Schreiben per E-Mail, gemeldet.

Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin

Das Kammergericht Berlin sah das anders und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. In seinem Beschluss vom 25. August 2025 stellte es klar, dass es für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen keinen Zwang gibt, das Meldeverfahren der Online-Plattform zu nutzen.

Entscheidend sei nicht der Weg der Übermittlung, sondern der Inhalt der Meldung. Eine Plattform erlange auch dann Kenntnis von einer Rechtsverletzung, wenn die Informationen auf anderem Wege – etwa per anwaltlichem Schriftsatz oder E-Mail – übermittelt werden, sofern die Meldung ausreichend präzise und begründet ist. Die vom DSA vorgesehenen Melde- und Abhilfeverfahren sollen den Nutzern lediglich eine einfache Möglichkeit zur Meldung bieten, schränken aber keineswegs ihre sonstigen Rechte und Wege ein.

Das Gericht betonte, dass der europäische Gesetzgeber die Rechte der Verbraucher und Nutzer nicht unnötig einschränken will. Zwar greife die gesetzliche Vermutung der Kenntnis nur bei der Nutzung des offiziellen Meldeverfahrens. Jedoch bedeutet das nicht, dass andere Wege gänzlich ungeeignet wären. Wer auf anderem Wege die Plattform in Kenntnis setzt, trägt allerdings das Risiko, dass die Meldung nicht alle für die Plattform notwendigen Informationen enthält. Dennoch ist der Weg offen.

Fazit für Unternehmen

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle, die im digitalen Raum aktiv sind. Als Unternehmer sind Sie oft mit Rechtsverletzungen wie falschen Bewertungen, Markenpiraterie oder unerlaubten Foto-Veröffentlichungen konfrontiert. Das Urteil des Kammergerichts Berlin stärkt Ihre Position, da Sie nicht ausschließlich auf die internen, oft umständlichen Meldesysteme von Plattformen angewiesen sind.

Sie können auch weiterhin den Weg über einen Anwalt wählen, der eine Plattform direkt und wirksam in Kenntnis setzt. Das Gericht stellt damit klar, dass die rechtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen nicht an einem Formular scheitern darf.


Gericht: KG Berlin 10. Zivilsenat
Datum: 25. August 2025
Aktenzeichen: 10 W 70/25

Gegner insolvent? BGH bremst voreilige Prozessfortführung bei Schutzrechtsverletzungen

Ein laufender Prozess wegen der Verletzung von Marken-, Design- oder Patentrechten gehört zum Geschäftsalltag vieler Unternehmen. Kompliziert wird die Lage jedoch, wenn der Prozessgegner plötzlich Insolvenz anmeldet. Der naheliegende Wunsch, den Prozess schnell fortzusetzen, um weiteren Schaden abzuwenden, kann jedoch an prozessualen Hürden scheitern. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs beleuchtet die erheblichen Risiken einer vorschnellen Prozessaufnahme.

Worum ging es in dem Fall?

Ein Hersteller von Einbauküchen verklagte einen ehemaligen Lieferanten, weil dieser eine Griffleiste vertrieben haben soll, die ein geschütztes Design des Herstellers verletzte. Die Klage umfasste die üblichen Ansprüche: Unterlassung, Vernichtung der rechtsverletzenden Produkte, Auskunft über den Umfang der Verkäufe und Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Mitten im Verfahren kam die Hiobsbotschaft: Über das Vermögen des beklagten Lieferanten wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Nach deutschem Recht wird ein solcher Prozess dadurch automatisch unterbrochen. Der Kläger wollte jedoch nicht warten und erklärte die Wiederaufnahme des Verfahrens – allerdings nur für einen Teil seiner Ansprüche. Die Schadensersatzansprüche für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung meldete er hingegen nicht, wie es das Gesetz vorschreibt, zur Insolvenztabelle an. Er versuchte also, nur die für ihn vorteilhaften Teile des Prozesses weiterzuführen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein prozessuales „Rosinenpicken“

Dieser Strategie hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine klare Absage erteilt. Die Richter entschieden, dass eine solche teilweise Wiederaufnahme des Rechtsstreits unzulässig ist.

Die Begründung ist einleuchtend: Alle vom Kläger geltend gemachten Ansprüche – egal ob Unterlassung oder Schadensersatz – hingen von der Beantwortung einer einzigen zentralen Frage ab: Hat der Lieferant das Design des Herstellers überhaupt verletzt?

Würde man den Prozess nur teilweise fortführen, bestünde die Gefahr, dass es zu widersprüchlichen Urteilen kommt. Das Gericht könnte im fortgeführten Teil zu dem Schluss kommen, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, während in einem späteren Verfahren über die nicht angemeldeten Altforderungen das genaue Gegenteil entschieden wird. Ein solches rechtliches Chaos will die Prozessordnung verhindern.

Besonders interessant ist, dass der BGH auch das Argument des Klägers, er benötige für einen effektiven Rechtsschutz eine schnelle Entscheidung, nicht gelten ließ. Das Gericht stellte fest: Der Kläger hat sich die missliche Lage selbst zuzuschreiben. Er hätte seine Schadensersatzforderungen für die Zeit vor der Insolvenz einfach nur form- und fristgerecht zur Insolvenztabelle anmelden müssen. Da er dies unterlassen hat, kann er sich nun nicht darauf berufen, dass seine Rechte unzumutbar beeinträchtigt werden.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Die Entscheidung des BGH ist eine wichtige Lektion für jeden Unternehmer, der seine gewerblichen Schutzrechte gerichtlich durchsetzt:

  1. Sofortiger Handlungsbedarf bei Insolvenz des Gegners: Sobald Sie von der Insolvenz eines Prozessgegners erfahren, müssen Sie sofort handeln. Der Prozess ist unterbrochen und kann nicht einfach weiterlaufen.
  2. Keine halben Sachen: Sie müssen alle Ihre Ansprüche sorgfältig prüfen. Forderungen, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind (sog. Insolvenzforderungen), müssen zwingend zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Ein Versäumnis kann, wie der Fall zeigt, den gesamten Prozess blockieren.
  3. Anwaltliche Expertise ist entscheidend: Das Zusammenspiel von Prozessrecht und Insolvenzrecht ist komplex. Ohne spezialisierte anwaltliche Beratung riskieren Sie, aus prozessualen Gründen Ihre eigentlich berechtigten Ansprüche zu verlieren.

Fazit: Wer im Falle der Insolvenz eines Gegners versucht, strategisch nur die angenehmen Teile eines Prozesses weiterzuverfolgen und dabei die formalen Anforderungen des Insolvenzrechts ignoriert, riskiert, am Ende mit leeren Händen dazustehen. Eine umfassende und saubere Vorgehensweise ist hier der einzige Weg zum Erfolg.


Gericht: Bundesgerichtshof

Datum: 31.07.2025

Aktenzeichen: I ZR 127/24

Retouren-Adresse für Fälscher? Logistiker haftet für Markenpiraterie

Ein Unternehmen bietet eine simple Dienstleistung an – zum Beispiel die Bereitstellung einer deutschen Adresse für internationale Versandhändler. Ein lukratives und scheinbar risikoarmes Geschäft. Doch was passiert, wenn diese Händler massenhaft gefälschte Markenartikel versenden und Ihre Adresse als Absender nutzen? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zeigt: Aus dem Dienstleister wird schnell ein haftender Störer.

Der Fall: Eine deutsche Adresse für Produktpiraten aus Fernost

Ein weltweit bekannter Sportartikelhersteller entdeckte, dass Fälschungen seiner Trikots über diverse Online-Shops verkauft wurden. Bei mehreren Testbestellungen fiel eines auf: Obwohl die Ware direkt aus China kam, war als Absender auf dem Paket ein deutsches Logistikunternehmen angegeben.

Das Geschäftsmodell dieses Logistikers war einfach: Er stellte seine Anschrift als deutsche Absender- und Retourenadresse zur Verfügung. Dies war notwendig, damit ein großer deutscher Paketdienst die Sendungen für die „letzte Meile“ zum Kunden überhaupt annimmt. Der Logistiker selbst kam mit den erfolgreich zugestellten Paketen nie in Berührung. Er argumentierte daher, für den Inhalt keine Verantwortung zu tragen.

Nachdem der Sportartikelhersteller den Logistiker abgemahnt hatte und dieser sein Geschäftsgebaren nicht änderte, landete der Fall vor Gericht.

Die Entscheidung: Wer Beihilfe leistet, haftet mit

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte klar: Der Logistikdienstleister haftet für die Markenverletzungen der chinesischen Händler (Urteil vom 07.08.2025, Az. 20 U 9/25). Zwar ist er nicht der Täter – er verkauft die Fälschungen nicht selbst. Er haftet jedoch als sogenannter „Störer“.

Ein Störer ist jemand, der zwar nicht selbst die Rechtsverletzung begeht, aber willentlich einen wesentlichen Beitrag dazu leistet. Genau das sah das Gericht hier als gegeben an:

  1. Ermöglichung des Geschäftsmodells: Ohne die deutsche Adresse des Logistikers wäre der Versand der Fälschungen innerhalb Deutschlands durch den Paketdienst gar nicht möglich gewesen. Sein Service war damit ein entscheidender Baustein im System der Produktpiraten.
  2. Besonders gefahrgeneigtes Geschäft: Das Gericht stufte das Geschäftsmodell als extrem risikobehaftet ein. Der direkte Versand von Markenware in Einzelpaketen von einem unbekannten chinesischen Händler an einen Endkunden in Europa ist praktisch immer eine Markenrechtsverletzung. Warum? Weil die Ware nie mit Zustimmung des Markeninhabers für den europäischen Markt in den Verkehr gebracht wurde. Juristen sprechen hier von fehlender „Erschöpfung“.
  3. Handlungspflicht nach erstem Hinweis: Spätestens nach der ersten Abmahnung durch den Markenhersteller war für den Logistiker Schluss mit der Ahnungslosigkeit. Ab diesem Zeitpunkt hätte er aktive und zumutbare Maßnahmen ergreifen müssen, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern.

Was hätte der Logistiker tun müssen?

Das Gericht wurde sehr konkret. Es sei dem Logistiker zumutbar, von seinen Auftraggebern (den chinesischen Speditionen) die Namen der Online-Shops zu verlangen. Eine simple Google-Suche hätte offenbart, dass diese Shops fast ausschließlich Trikots bekannter Marken anbieten – ein klares Indiz für Fälschungen. Der Logistiker hätte daraufhin den Service für diese Händler einstellen oder deren Pakete zur stichprobenartigen Kontrolle an sein eigenes Lager umleiten müssen.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

Dieses Urteil ist eine klare Warnung für alle Dienstleister, deren Services von Dritten missbraucht werden könnten – von Logistikern und Fulfillment-Anbietern bis hin zu IT-Dienstleistern und Plattformbetreibern:

  • Ignoranz schützt nicht vor Strafe: Sie können sich nicht darauf zurückziehen, nicht zu wissen, was Ihre Kunden tun.
  • Analysieren Sie Ihr Geschäftsmodell: Wenn Ihr Service leicht für illegale Aktivitäten (wie den Verkauf von Fälschungen) genutzt werden kann, haben Sie erhöhte Sorgfaltspflichten.
  • Nehmen Sie Abmahnungen ernst: Eine Abmahnung ist nicht nur eine Zahlungsaufforderung. Sie ist der letzte Weckruf, Ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und Kontrollmechanismen einzuführen. Passivität nach einem Hinweis kann Sie teuer zu stehen kommen.

Die Rechtsprechung zieht die Zügel für alle Akteure in der Lieferkette an. Wer durch seine Dienstleistung Rechtsverletzungen Dritter erst ermöglicht, wird immer häufiger selbst zur Verantwortung gezogen. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Unternehmen nicht zum unfreiwilligen Komplizen wird.


Gerichtsentscheidung:

  • Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
  • Datum: 07.08.2025
  • Aktenzeichen: 20 U 9/25

Vorsicht bei Schutzrechtsmeldungen auf Amazon: OLG Nürnberg stärkt Anspruch auf Anwaltskostenerstattung bei unberechtigter Verwarnung

Wenn ein Händler auf Amazon unberechtigt wegen angeblicher Produktfälschungen gemeldet wird, kann das nicht nur den Umsatz empfindlich treffen – es kann für den Verwarnenden auch rechtlich teuer werden. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (AZ: 3 U 136/25), das sich mit der Erstattung von Anwaltskosten nach einer sogenannten Schutzrechtsverwarnung beschäftigt hat.

Hintergrund des Falls

Ein Spielwarenhändler bot unter dem Namen „M.“ Produkte auf Amazon an. Die Gegenseite, ebenfalls Spielwarenanbieterin mit einem eigenen Shop auf derselben Plattform, meldete zwei seiner Angebote als Fälschungen einer geschützten Marke. Amazon reagierte prompt mit einer Sperre der betroffenen Artikel. Tatsächlich handelte es sich aber um Originalprodukte eines bekannten Lizenzherstellers – eine Markenverletzung lag nicht vor.

Der Händler versuchte zunächst, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Nachdem mehrere Kontaktversuche erfolglos blieben, beauftragte er eine Anwältin, die am 16. Januar 2024 eine Abmahnung aussprach und unter anderem die Erstattung der dadurch entstandenen Rechtsanwaltskosten forderte.

Das Urteil des OLG Nürnberg

In zweiter Instanz entschied das OLG Nürnberg zugunsten des Händlers:

  • Die Schutzrechtsverwarnung war unberechtigt.
  • Der Kläger kann Schadenersatz verlangen.
  • Die Abmahnkosten in Höhe von 1.295,43 Euro sind zu erstatten.
  • Die Widerklage der Gegenseite, mit der diese ihre Verteidigungskosten ersetzt haben wollte, wurde abgewiesen.

Warum diese Entscheidung wichtig ist

Das Urteil klärt eine wichtige Rechtsfrage: Muss eine Abmahnung, die sich auch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützt, die strengen formalen Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 13 UWG) erfüllen, damit die Abmahnkosten erstattungsfähig sind?

Die klare Antwort des Gerichts: Nein – jedenfalls dann nicht, wenn es sich (auch) um ein Anspruchsschreiben wegen eines deliktischen Eingriffs in den Gewerbebetrieb handelt. Denn eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann einen solchen Eingriff darstellen, für den der Verwarnte Ersatz seiner Rechtsverfolgungskosten verlangen kann. Und zwar unabhängig davon, ob das Abmahnschreiben im Sinne des Wettbewerbsrechts vollständig ist.

Die Lehren für Unternehmer

1. Wer unberechtigt meldet, haftet: Wird ein Händler durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung in seinem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt, kann er nicht nur Unterlassung, sondern auch Ersatz seiner Anwaltskosten verlangen.

2. Anspruchsschreiben brauchen keine UWG-Vollständigkeit: Bei einem auf Deliktsrecht (§ 823 BGB) gestützten Vorgehen müssen nicht sämtliche Anforderungen des § 13 UWG eingehalten werden – das gilt auch, wenn das Schreiben zusätzlich auf wettbewerbsrechtliche Aspekte Bezug nimmt.

3. Kein Rückgriff bei berechtigtem Anspruchsschreiben: Wer selbst rechtswidrig eine Schutzrechtsverwarnung ausspricht, kann die eigenen Verteidigungskosten nicht vom Geschädigten ersetzt verlangen – auch dann nicht, wenn dessen Abmahnschreiben formale Mängel aufweist.

Fazit

Unternehmer, die auf Plattformen wie Amazon tätig sind, sollten sich bewusst sein, dass unüberlegte oder unbegründete Markenmeldungen schwerwiegende rechtliche Folgen haben können. Wer unberechtigt agiert, riskiert nicht nur Rückforderungen, sondern auch Reputations- und Umsatzverluste. Umgekehrt gilt: Wer unrechtmäßig gemeldet wird, hat gute Chancen, seine Kosten ersetzt zu bekommen – auch ohne perfekte Abmahnung.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum der Entscheidung: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: openJur 2025, 16108