BGH zur Verwechslungsgefahr bei Werktiteln: „Nie wieder keine Ahnung“

Der BGH, Urteil vom 07.05.25, I ZR 143/24, bestätigt die enge Auslegung des Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 i.V.m. § 15 MarkenG und verneint eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Titel einer Fernsehserie und einem gleichnamigen Sachbuch.

Sachverhalt: Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (Klagepartei) hatte den Titel ihrer Bildungs-Fernsehreihe „Nie wieder keine Ahnung“ im Jahr 2009 zur Titelsicherung angemeldet. Unter diesem Titel wurden zwei Staffeln über Malerei und Architektur ausgestrahlt. Begleitend wurden Onlineinhalte und Unterrichtsmaterialien angeboten. Zudem erschien ein begleitendes Buch, das nicht mehr lieferbar ist.

Ein Verlag (Beklagte) veröffentlichte 2021 ein gleichnamiges Sachbuch, geschrieben von Moderatoren einer Kindersendung, das sich thematisch mit Politik, Wirtschaft und Kultur beschäftigt. Die Rundfunkanstalt sah darin eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte und klagte u.a. auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Vernichtung.

Entscheidung: Der BGH wies die Revision der Rundfunkanstalt gegen die klageabweisende Berufungsentscheidung des OLG Stuttgart zurück.

Begründung: Zwar liege in beiden Fällen ein Werktitel vor, der grundsätzlich schutzfähig sei. Trotz identischem Titel beständen erhebliche Unterschiede in den Werkarten (TV-Serie vs. Sachbuch). Diese „Werkkategorien“ seien so verschieden, dass keine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne vorliege – der Verkehr werde das Buch nicht für eine Sendefolge halten.

Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne setze voraus, dass der Werktitel hinreichend bekannt ist und ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Werken besteht. Beides verneinte der BGH: Die von der Klägerin vorgetragenen Zuschauer- und Zugriffszahlen belegten keine hinreichende Bekanntheit. Zudem bestehe kein enger sachlicher Zusammenhang, da die Werke unterschiedliche Themengebiete behandeln.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Bekanntheitsschutzes (§ 15 Abs. 3 MarkenG) sei der Titel nicht schutzfähig, da es an der erforderlichen Bekanntheit fehle. Weitere Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Rückruf und Vernichtung scheiterten ebenfalls.

Fazit: Der BGH bekräftigt die strengen Voraussetzungen für den Werktitelschutz. Identische Titel allein reichen nicht aus, wenn die Werke unterschiedlichen Kategorien angehören und keine hinreichende Bekanntheit oder Werknähe besteht. Unternehmen, die Titelschutz geltend machen wollen, müssen nicht nur den Titel sichern, sondern auch dessen Nutzung und Bekanntheit gut dokumentieren.

Das Urteil verdeutlicht auch, dass insbesondere bei Cross-Media-Projekten (z.B. TV-Serie oder Film und begleitende Buchveröffentlichungen) der Titelschutz nur greift, wenn eine klare Werknähe und Bekanntheit bestehen. Eine bloße Titelidentität schützt nicht vor anderweitiger Nutzung durch Dritte, wenn die Werke in unterschiedlichen Medienkategorien verortet sind. Aufgrund des engen Schutzumfangs des Werktitelschutzes kann es daher in der Praxis empfehlenswert sein, Titel auch als Marke anzumelden, um einen umfassenderen Schutz zu erreichen.

OLG Frankfurt: Plattformen müssen sinngleiche Deepfake-Inhalte eigenständig entfernen

Der bekannte Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen sah sich durch Deepfake-Videos auf der Social-Media-Plattform Facebook in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. In den Videos wurde unter Verwendung seines Namens, Bildnisses und einer nachgeahmten Stimme der Eindruck erweckt, er bewerbe Produkte zur Gewichtsabnahme. Nachdem Meta, der Betreiber von Facebook, ein erstes Video nach Hinweis entfernte, blieb ein weiteres, nahezu identisches Video zunächst online. Von Hirschhausen beantragte daraufhin im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Verbreitung solcher Inhalte.

Die Anträge und die Entscheidung des Gerichts

Der Antragsteller begehrte die Unterlassung der Verbreitung sämtlicher Inhalte, in denen unter Verwendung seines Namens, Bildnisses und seiner Stimme der Eindruck erweckt werde, er bewerbe Mittel zur Gewichtsabnahme.

Das OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. März 2025, Az. 16 W 10/25, gab dem Antrag teilweise statt:

Untersagt wurde die Verbreitung eines konkreten Videos (Video 2), das rechtswidrig den Eindruck vermittelte, der Antragsteller werbe für Diätprodukte – unter Verwendung seines Namens, Bildnisses und seiner Stimme.

Nicht untersagt wurde die Verbreitung eines weiteren Videos (Video 1), da es sich nicht um einen sinngleichen Inhalt im Verhältnis zu früher beanstandeten Beiträgen handelte.

Abgewiesen wurde der Antrag insoweit, als der Eindruck nur durch einzelne der genannten Merkmale (etwa nur Bild oder Stimme) erweckt wurde. Das Gericht argumentierte, dass solche Fälle für den durchschnittlichen Nutzer als Deepfake erkennbar sein könnten.

Wesentliche rechtliche Erwägungen

Das OLG Frankfurt stellte klar, dass Hostprovider wie Meta nach einem konkreten Hinweis auf einen rechtsverletzenden Inhalt verpflichtet sind, nicht nur diesen zu entfernen, sondern auch eigenständig nach sinngleichen Inhalten zu suchen und diese zu sperren. Sinngleiche Inhalte sind solche, die trotz abweichender äußerlicher Gestaltung (z. B. andere Auflösung, Farbfilter, Zuschnitt, typografische Anpassungen oder zusätzliche Bildunterschriften) im Aussagegehalt identisch bleiben.

Das Gericht betonte, dass es Meta technisch möglich und zumutbar sei, solche Inhalte zu identifizieren, insbesondere unter Einsatz von KI. Die Prüfpflicht besteht auch in Bezug auf sinngleiche Inhalte, sobald ein rechtswidriger Ausgangsinhalt mitgeteilt wurde – eine Weiterentwicklung der sogenannten „Kerntheorie“.

Bedeutung der Entscheidung

Mit diesem Beschluss führt das OLG Frankfurt seine Linie aus der „Künast-Meme“-Entscheidung konsequent fort. Die Entscheidung zeigt: Plattformen müssen nicht nur auf konkrete Hinweise reagieren, sondern auch eigenständig tätig werden, wenn Inhalte in Wort und Bild nahezu identisch sind und denselben rechtsverletzenden Eindruck vermitteln.

Cookie-Banner müssen fair sein: Verwaltungsgericht Hannover stärkt Datenschutz durch Pflicht zur „Alles ablehnen“-Schaltfläche

Nahezu jede Webseite konfrontiert Nutzerinnen und Nutzer heute mit einem sogenannten Cookie-Banner. Oft dominieren diese durch die prominente Platzierung einer „Alle akzeptieren“-Schaltfläche, während eine Option zur Ablehnung nur versteckt oder gar nicht angeboten wird. Dass dies nicht dem geltenden Datenschutzrecht entspricht, stellte das Verwaltungsgericht Hannover nun klar.

Hintergrund des Verfahrens

Gegenstand des Urteils war eine Anordnung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen (LfD) gegenüber einem Medienhaus, das mittels eines Cookie-Banners Einwilligungen einholte – jedoch ohne echte Wahlmöglichkeit. Der LfD beanstandete dies als Verstoß gegen § 25 TDDDG (ehemals TTDSG) sowie Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DSGVO.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Hannover bestätigte die Sichtweise der Aufsichtsbehörde. Webseitenbetreiber, so das Gericht, müssen bei Einwilligungsbannern eine gleichwertig sichtbare „Alles ablehnen“-Schaltfläche auf derselben Ebene wie die „Alle akzeptieren“-Option anbieten.

Zudem erkannte das Gericht mehrere Verstöße:

  • Das Ablehnen war umständlicher als das Akzeptieren.
  • Wiederholende Banner zwangen zur Einwilligung.
  • Irreführende Begriffe wie „optimales Nutzungserlebnis“ und „akzeptieren und schließen“.
  • Fehlender Begriff der „Einwilligung“.
  • Unklare Anzahl an Drittanbietern.
  • Wesentliche Informationen (z. B. Widerrufsrecht, Datenübertragung in Drittstaaten) nur nach Scrollen sichtbar.

Diese Ausgestaltung führte dazu, dass keine informierte, freiwillige und eindeutige Einwilligung im Sinne der DSGVO vorlag – und die Nutzung personenbezogener Daten somit rechtswidrig war.

Bedeutung für Webseitenbetreiber

Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für alle Betreiber von Webseiten, die auf Nutzertracking oder Online-Werbung setzen. Es macht deutlich, dass manipulative Gestaltung von Cookie-Bannern nicht zulässig ist. Eine echte Wahlmöglichkeit – insbesondere durch eine gleichwertige „Alles ablehnen“-Schaltfläche – ist zwingend.

Fazit

Die Entscheidung stärkt die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer im digitalen Raum und gibt den Datenschutzaufsichtsbehörden Rückenwind bei der Durchsetzung datenschutzkonformer Gestaltung von Einwilligungsprozessen. Für Unternehmen bedeutet dies: Cookie-Banner müssen neu gedacht werden – klar, transparent und fair.

Gericht: Verwaltungsgericht Hannover
Datum der Entscheidung: 19. März 2025
Aktenzeichen: 10 A 5385/22

Aktuell liegt die Entscheidung im Volltext noch nicht vor, nur die Pressemitteilung des Gerichts.

Keine Geldentschädigung für Zwangsouting – LG Berlin zur Pressefreiheit vs. Persönlichkeitsrecht

Ein Bericht über die angebliche Beziehung eines Geschäftsführers mit einem Kollegen und dessen geplante Beförderung führte zu einem gerichtlichen Streit um Geldentschädigung. Der Kläger sah sich durch die Presseveröffentlichung in unzutreffender Weise geoutet und in seinem beruflichen wie privaten Ansehen geschädigt. Das Landgericht Berlin II, Urteil vom 26.11.2024 – 27 O 507/23 – ZUM-RD 2025, 261 (nicht rechtskräftig), lehnte eine Entschädigung in sechsstelliger Höhe jedoch ab.

Sachverhalt

Ein langjähriges Mitglied der Geschäftsführung eines Unternehmens verklagte ein Online-Medium, das berichtet hatte, er wolle seinen „Lebensgefährten zum Firmenchef machen“. Die Veröffentlichung enthielt Angaben zu einer angeblichen Liebesbeziehung sowie zur (nicht geplanten) Berufung des Partners zum Geschäftsführer.

Der Kläger argumentierte, die Aussagen seien falsch und stellten ein Zwangsouting dar. Zudem werde durch die Kombination beider Aussagen suggeriert, die Personalentscheidung basiere auf der privaten Beziehung – was seinen Ruf beschädige. Er forderte daher mindestens 100.000 Euro Schmerzensgeld sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht wies die Klage als unbegründet ab:

  • Zulässigkeit bejaht: Das Gericht sah sich örtlich zuständig (§ 32 ZPO) und verwarf die Einwände gegen den sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“.
  • Kein Anspruch auf Geldentschädigung: Zwar sei die Offenlegung der sexuellen Orientierung grundsätzlich ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Doch fehlten konkrete Belege für daraus erwachsene schwerwiegende Nachteile. Der Kläger konnte keine konkreten beruflichen oder privaten Folgen nachweisen, die über allgemeine Unannehmlichkeiten hinausgehen.
  • Ton und Kontext der Berichterstattung: Die Darstellung sei sachlich und nicht herabsetzend erfolgt. Die sexuelle Orientierung war kein zentraler, sondern nur ein Randaspekt. Der Eindruck, der angebliche Partner sei ausschließlich wegen der Beziehung befördert worden, sei nicht entstanden – im Gegenteil, der Artikel würdigte dessen fachliche Qualitäten.
  • Vorbekannte Information: Die sexuelle Orientierung war bereits Teilen des privaten Umfelds bekannt, sodass ein vollständiges „Outing“ durch den Bericht nicht vorlag.
  • Vorliegender Unterlassungstitel: Dass bereits ein Unterlassungstitel gegen die Berichterstattung erwirkt wurde, sprach zusätzlich gegen die Notwendigkeit einer Geldentschädigung.

Fazit für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht die hohe Schwelle für Geldentschädigungen bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Presse. Unternehmer müssen nicht nur einen Eingriff, sondern auch erhebliche und konkrete negative Folgen belegen. Berichterstattungen, die sachlich und ohne Sensationsgier formuliert sind, genießen unter dem Schutz der Pressefreiheit weiten Raum – selbst wenn sie sensible private Informationen enthalten.

Unzulässige Rechtsdienstleistung: OLG Frankfurt verbietet Bewertungs-Löschdienst ohne Zulassung

Ein Unternehmen, das die Löschung negativer Online-Bewertungen anbietet, obwohl es keine Zulassung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) besitzt, handelt wettbewerbswidrig. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 07.11.2024 – Az. 6 U 90/24, in einem aktuellen Berufungsverfahren und wies die Klage des Dienstleisters ab.

Was war geschehen?

Die Klägerin warb auf ihrer Website damit, negative Bewertungen auf Plattformen wie Google entfernen zu lassen. Sie ist jedoch weder als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen noch als Rechtsdienstleisterin registriert. Ein Wettbewerber – ein Rechtsanwalt, der ebenfalls Reputationsmanagement anbietet – sah hierin eine unzulässige Rechtsdienstleistung und mahnte die Klägerin ab.

Im Prozess begehrte die Klägerin die Feststellung, dass kein Anspruch auf Unterlassung bestehe. Sie argumentierte, ihre Tätigkeit sei rein technischer Natur: Die beanstandeten Bewertungen würden lediglich automatisiert an die Plattformen weitergeleitet – ohne inhaltliche oder rechtliche Prüfung.

Die Entscheidung

Das OLG Frankfurt folgte dieser Argumentation nicht. Es bestätigte die Entscheidung des LG Gießen, dass es sich um eine unzulässige Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG i.V.m. § 3 RDG handelt. Denn aus Sicht eines durchschnittlichen Nutzers erwecke das Angebot der Klägerin den Eindruck einer rechtlichen Einzelfallprüfung.

Ein entscheidender Aspekt war die Werbung der Klägerin mit hohen Erfolgsquoten und dem Versprechen einer „einfachen Löschung“, ohne deutlich zu machen, dass keine rechtliche Bewertung der Inhalte erfolgt. Dies suggeriere juristische Expertise und lasse eine tatsächliche Rechtsprüfung vermuten – auch wenn technisch lediglich ein Standardtext verwendet werde.

Zentrale Erwägungen des Gerichts

  • Werbung und Angebot entscheidend: Selbst wenn objektiv keine Rechtsprüfung erfolgte, genügt bereits das Angebot oder Bewerben solcher Dienstleistungen ohne erforderliche Zulassung für einen Verstoß.
  • Täuschung der Adressaten: Die Formulierungen und Darstellung auf der Website erwecken den Eindruck qualifizierter juristischer Prüfung.
  • Wettbewerbsverstoß: Der Verstoß gegen das RDG stellt einen Rechtsbruch i.S.v. § 3a UWG dar, der geeignet ist, Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen.

Die Berufung der Klägerin wurde vollumfänglich zurückgewiesen. Die negative Feststellungsklage blieb erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Marktmissbrauch durch grundlose Seitensperre: OLG Düsseldorf stärkt Rechte von Kulturverein gegenüber Social-Media-Plattform

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einem bemerkenswerten Urteil entschieden, dass die Sperrung der Facebook-Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf durch Meta ohne vorherige Anhörung und ohne nachvollziehbare Begründung einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt und somit gegen das deutsche Kartellrecht verstößt.

Hintergrund des Falls:

Im Dezember 2021 wurde die Facebook-Seite der Filmwerkstatt Düsseldorf, eines gemeinnützigen Kulturvereins, von Meta ohne Vorwarnung und ohne Angabe konkreter Gründe gesperrt. Die Sperrung erfolgte mutmaßlich aufgrund eines Bildes aus dem Film „Der Schamane und die Schlange“, das indigene Personen im Lendenschurz zeigt. Dieses Bild könnte von automatisierten Systemen fälschlicherweise als Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook bewertet worden sein.

Trotz mehrfacher Versuche des Vereins, eine Begründung für die Sperrung zu erhalten oder eine Überprüfung zu veranlassen, blieb Meta untätig. Erst im Mai 2023 wurde die Seite ohne weitere Erläuterung wieder freigeschaltet.

Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf und verurteilte Meta zur Unterlassung solcher Sperren in der beanstandeten Form.

Die Richter stellten fest, dass Meta mit der Sperrung ohne vorherige Information und Anhörung gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB verstoßen hat. Meta habe damit seine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt missbraucht und den Verein unzulässig behindert.

Zudem erkannte das Gericht einen Eingriff in die Grundrechte des Vereins, insbesondere in die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 GG.

Besondere Aspekte der Entscheidung:

  • Marktbeherrschende Stellung von Meta: Das Gericht bestätigte, dass Meta auf dem relevanten Markt eine marktbeherrschende Stellung innehat und daher besonderen kartellrechtlichen Verpflichtungen unterliegt.
  • Unzulässigkeit der Gerichtsstandklausel: Meta berief sich auf eine Klausel in den Nutzungsbedingungen, wonach Rechtsstreitigkeiten in Irland auszutragen seien. Das OLG Düsseldorf wies dieses Argument zurück und erklärte, dass kartellrechtliche Ansprüche nicht durch solche Klauseln ausgeschlossen werden können.
  • Verweis auf BGH-Rechtsprechung: Das OLG bezog sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sperrung von Nutzerkonten auf Plattformen und betonte, dass auch private Plattformen Grundrechte beachten müssen.

Fazit:

Diese Entscheidung ist besonders relevant für Unternehmen, Vereine und Organisationen, die soziale Netzwerke geschäftlich nutzen. Sie zeigt, dass Plattformbetreiber nicht nach Belieben Seiten sperren dürfen, insbesondere wenn sie auf dem relevanten Markt keine echte Konkurrenz haben. Wer geschäftlich auf Social Media angewiesen ist, hat unter bestimmten Voraussetzungen einen kartellrechtlichen Anspruch auf fairen Zugang – und kann sich gegen willkürliche Sperrungen wehren.

Empfehlung für Unternehmer:

Unternehmen und Organisationen, die auf soziale Netzwerke angewiesen sind, sollten:

  • Sicherstellen, dass sie über alternative Kommunikationskanäle verfügen, um im Falle einer Sperrung handlungsfähig zu bleiben.
  • Dokumentieren, wenn ihnen der Zugang zu sozialen Netzwerken grundlos oder ohne Anhörung verwehrt wird.
  • Frühzeitig rechtlichen Rat einholen, um mögliche kartellrechtliche Ansprüche zu prüfen und durchzusetzen.

Das Urteil des OLG Düsseldorf setzt ein klares Zeichen gegen die willkürliche Sperrung von Nutzerkonten durch marktbeherrschende Plattformen und stärkt die Rechte der Nutzer im digitalen Raum.

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Datum: 2. April 2025
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 5/24
Zitierung: REWIS RS 2025, 2746

Fotografierverbot im Gerichtsgebäude – Anforderungen an die Ausübung des Hausrechts durch Justizbehörden

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.03.2025 – 4 MB 8/25, openJur 2025, 12457, mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein gerichtliches Fotografierverbot als Ausübung des Hausrechts gerechtfertigt ist. Im Zentrum stand dabei eine Anordnung gegen eine Presseagentur, die Bildaufnahmen im Landgericht Kiel fertigen wollte.

Der Fall im Überblick

Die Antragstellerin – eine Presseagentur – hatte gegen eine behördliche Verfügung der Justizverwaltung Widerspruch eingelegt. Diese hatte ihr und ihren Mitarbeitern für zwei Monate untersagt, in den Räumen des Landgerichts Kiel Fotoaufnahmen anzufertigen. Begründet wurde dies mit einem Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte von Angeklagten durch vorherige identifizierende Bildberichterstattung in zwei Fällen. Die Antragstellerin beantragte daraufhin erfolgreich beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs.

Gegen diese Entscheidung legte die Justizverwaltung (Antragsgegnerin) Beschwerde ein – ohne Erfolg.

Die Entscheidung des OVG Schleswig

Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und wies die Beschwerde zurück. Die wesentlichen Aussagen des Gerichts:

  1. Hausrecht mit präventivem Charakter: Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 LJG SH erlaubt Anordnungen zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebs. Dies umfasst auch den Schutz der Verfahrensbeteiligten – allerdings nur, wenn konkrete Tatsachen auf eine zukünftige Störung schließen lassen.
  2. Keine ausreichende Gefahrenprognose: Das Gericht beanstandete, dass die Antragsgegnerin keine konkreten Anhaltspunkte für zukünftige medienrelevante Strafverfahren oder eine Wiederholungsgefahr benannt hatte. Zwei Vorfälle in drei Jahren reichten hierfür nicht aus. Auch allgemeine Rügen des Presserats oder andere Vorfälle ohne Bezug zum Landgericht Kiel rechtfertigen kein pauschales Fotografierverbot.
  3. Verhältnismäßigkeit: Ein pauschales, zeitlich umfassendes Fotografierverbot sei nicht das mildeste Mittel. Ein spezifisch auf das Strafverfahren beschränktes Verbot hätte ausgereicht. Zudem kritisierte das Gericht das gewählte Enddatum des Verbots (28. März 2025), da das betreffende Strafverfahren bereits am 18. Februar 2025 abgeschlossen war. Dies vermittelte den Eindruck einer Sanktionierung, die über den präventiven Charakter des Hausrechts hinausgeht.
  4. Keine Sanktionsbefugnis: § 14 LJG SH dient ausschließlich präventiven Zwecken. Eine Bestrafung zurückliegender Verstöße kann auf dieser Grundlage nicht erfolgen.

Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Justizbehörden ihr Hausrecht nicht grenzenlos ausüben dürfen. Pauschale Verbote müssen konkret begründet und auf das notwendige Maß beschränkt sein. Für Unternehmer in der Medienbranche ergibt sich daraus: Eine vorausschauende und differenzierte Kommunikation mit den Justizbehörden – insbesondere bei Bildaufnahmen – ist unerlässlich, um Konflikte zu vermeiden.

Veröffentlichung von Gerichtsurteilen mit Klarnamen: Kein Anspruch auf Unterlassung oder Schadensersatz

Ein Rechtsanwalt klagte gegen die Betreiberin der juristischen Datenbank „openJur“, weil diese einen verwaltungsgerichtlichen Beschluss unter Nennung seines Klarnamens veröffentlicht hatte. Das Landgericht Hamburg wies die Klage in vollem Umfang ab und stellte fest: Die Veröffentlichung war zulässig – trotz der enthaltenen sensiblen persönlichen Informationen.

Der Kläger hatte in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen das Versorgungswerk der Rechtsanwälte geklagt. Der dortige Beschluss vom 5. Mai 2022, der unter anderem seine frühere Arbeitslosigkeit und Zahlungsrückstände offenlegte, wurde von openJur automatisiert aus der Berliner Landesdatenbank übernommen – einschließlich seines Namens. Der Kläger beantragte in der Folge, die Beklagte solle es unterlassen, personenbezogene Daten des Klägers in Zusammenhang mit diesem Beschluss zu veröffentlichen oder öffentlich verfügbar zu halten, mindestens 5.500 € Schmerzensgeld zahlen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten erstatten.

Das Landgericht Hamburg wies alle Klageanträge zurück. Die Veröffentlichung unterfalle nach Auffassung des Gerichts der journalistischen Bereichsausnahme des Art. 85 DSGVO. Diese erlaubt Abweichungen von Datenschutzvorgaben, wenn die Datenverarbeitung journalistischen Zwecken dient. Die Tätigkeit von openJur – einschließlich redaktioneller Auswahl, Schlagwortvergabe und Hervorhebungen – erfülle diese Voraussetzungen. Deshalb sei Art. 17 DSGVO hier nicht anwendbar. Zwar beeinträchtige die Namensnennung das Persönlichkeitsrecht des Klägers, jedoch sei die Veröffentlichung gerechtfertigt. Das Gericht betonte, dass der Kläger selbst das Verfahren initiiert und die zugrundeliegenden Informationen öffentlich gemacht habe. Zudem habe openJur auf eine Veröffentlichung der Berliner Justiz vertraut, einer „privilegierten Quelle“, der ein gesteigertes Vertrauen zukomme.

Auch nach nationalem Recht stehe dem Kläger kein Schadensersatz zu. Die Verarbeitung sei gerechtfertigt und nicht schuldhaft erfolgt. Selbst ein Kontrollverlust über persönliche Daten begründe in diesem Fall keinen ersatzfähigen Schaden. Da die Hauptansprüche unbegründet waren, scheiterte auch der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten. Die (letztlich erfüllte) Auskunft nach Art. 15 DSGVO sei zwar verspätet gewesen, habe aber keinen eigenständigen Schaden verursacht.

Das Urteil stärkt die Position gemeinnütziger Rechtsprechungsdatenbanken und stellt klar: Solange journalistische Standards gewahrt bleiben und Veröffentlichungen auf offiziellen Quellen beruhen, sind auch personenbezogene Informationen – einschließlich Klarnamen – rechtlich geschützt. Es handelt sich um eine erfreuliche Entscheidung, die zur Rechtssicherheit beiträgt und die Bedeutung des freien Zugangs zu Gerichtsentscheidungen unterstreicht – und hoffentlich auch in höheren Instanzen Bestand haben wird.

LG Hamburg, Urteil vom 09.05.2025 – 324 O 278/23
Fundstelle: openJur 2025, 12723 (nicht rechtskräftig)

Urheberrechtsverletzung durch Inhaltsangabe eines Romans in Lehrerhandreichung

Das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28.06.2024 – Az. 19 O 5537/23, ZUM-RD 2025, 146) hat entschieden, dass die Wiedergabe der kompletten Handlung eines Romans auf einer Seite in einer Lehrerhandreichung eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung darstellt. Die Entscheidung ist besonders relevant für Schulbuchverlage und Bildungseinrichtungen, die urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen von Unterrichtsmaterialien nutzen.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin ist ein Verlag, der umfassende Nutzungsrechte an einem Jugendroman mit dem Titel „E.“ hält. Die Beklagte, ein Schulbuchverlag, veröffentlichte eine Lehrerhandreichung mit umfangreichen Inhalten zu diesem Roman. Diese enthielt unter anderem eine ausführliche Inhaltsangabe sowie ein „Zitate-Spiel“ mit 20 wörtlich übernommenen Zitaten aus dem Buch. Die Klägerin mahnte die Beklagte zunächst ab und forderte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Nach einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde Klage erhoben auf Zahlung der Abmahnkosten sowie Auskunft und Schadensersatzfeststellung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Nürnberg-Fürth gab der Klage größtenteils statt:

  • Vervielfältigung der Fabel als Sprachwerk (§ 16 UrhG): Die Inhaltsangabe gibt die wesentlichen Handlungsstränge und Beziehungsgeflechte des Romans wieder und stellt damit eine Vervielfältigung eines geschützten Sprachwerks dar. Die Fabel ist eigenständig schutzfähig.
  • Unzulässige Nutzung wörtlicher Zitate (§ 51 UrhG): Die 20 wörtlich übernommenen Zitate aus dem Roman erfüllen nicht die Voraussetzungen der Zitatschranke, da es an einer eigenen Auseinandersetzung mit dem Originaltext fehlt.
  • Keine Anwendung der Schrankenregelungen (§§ 51a, 60b UrhG): Weder handelt es sich um eine Parodie, Karikatur oder ein Pastiche (§ 51a UrhG), noch liegt eine privilegierte Nutzung im Rahmen von Unterrichtsmedien (§ 60b UrhG) vor. Die Handreichung stellt keine Sammlung i.S.d. § 60b Abs. 3 UrhG dar, da sie sich ausschließlich auf ein einziges Werk konzentriert.
  • Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 UrhG): Das Gericht bejahte die Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund fahrlässigen Handelns – insbesondere weil vor Veröffentlichung kein rechtlicher Rat eingeholt wurde.

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil verdeutlicht, dass eine Inhaltsangabe urheberrechtlich geschützter Werke, selbst in pädagogischem Kontext, rechtlich problematisch sein kann, wenn sie wesentliche schöpferische Elemente wiedergibt. Schulbuchverlage müssen bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien sorgfältig prüfen, ob die Nutzung urheberrechtlich zulässig ist oder eine Lizenz erforderlich wird. Besonders kritisch ist der Versuch, den urheberrechtlichen Schutz durch Berufung auf gesetzliche Schranken wie § 60b UrhG zu umgehen – dies greift nur bei echten „Sammlungen“ und nicht bei monografischen Lehrmaterialien.

Rufschädigung durch falsche Behauptung im Fernsehen

Das Landgericht Hamburg (Beschluss vom 02.04.2025 – Az. 324 O 134/25) hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren auf Antrag von Sahra Wagenknecht und ihrer Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) untersagt, eine bestimmte Aussage aus der ARD-Talkshow „Caren Miosga“ weiterhin in der Mediathek verfügbar zu halten. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für Persönlichkeitsrechte im Kontext medialer Berichterstattung.

Der Fall: Was war passiert?

In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ vom 9. März 2025 behauptete eine Teilnehmerin, Sahra Wagenknecht betreibe einen Telegram-Kanal, über den sie „auf Russisch, eins zu eins an das russische Volk bzw. an Herrn Putin“ ihre Botschaften richte. Diese Äußerung wurde im Rahmen einer politischen Diskussion ab Minute 57:32 der Sendung gemacht und war weiterhin über die ARD-Mediathek abrufbar.

Sahra Wagenknecht sowie ihre Partei sahen hierin eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung und beantragten den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den NDR, gerichtet auf die Unterlassung der weiteren Verbreitung dieser Äußerung.

Die Entscheidung: Unterlassungsanspruch wegen unwahrer Tatsachenbehauptung

Das Landgericht Hamburg folgte dem Antrag in vollem Umfang. Es sah in der streitgegenständlichen Äußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, den sozialen Geltungsanspruch der Antragsteller erheblich zu beeinträchtigen.

Die Kammer stellte klar, dass das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller sowohl durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als auch durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. Der Umstand, dass die Äußerung durch eine Dritte in einer Live-Sendung getätigt wurde, ändere nichts daran, dass der NDR jedenfalls für die fortgesetzte Verbreitung in der Mediathek verantwortlich sei. Ein medienrechtliches „Archiv-Privileg“ greife hier nicht, insbesondere da der NDR nachweislich Kenntnis von der Unwahrheit der Aussage hatte.

Bedeutung für die Praxis

Der Beschluss betont erneut die Pflichten von Medienanbietern bei der fortgesetzten Bereitstellung von Inhalten über Mediatheken. Zwar können sie für Live-Äußerungen Dritter nicht ohne Weiteres haftbar gemacht werden, sehr wohl aber für deren spätere Verbreitung, wenn sie nachweislich rechtswidrig sind. Für Medienschaffende bedeutet dies eine gesteigerte Prüfungspflicht bei archivierten Sendungen.