Strenge Anforderungen an Onlinewerbung: LG Bochum untersagt unvollständige Preisangabe bei Google-Anzeige

Wer Produkte online bewirbt, darf nicht nur mit attraktiven Preisen werben, sondern auch die gesetzlichen Transparenzpflichten einhalten. Das Landgericht Bochum hat in einem aktuellen Urteil (Az. 18 O 13/25) entschieden, dass Versandkosten in Preisangaben bereits in Anzeigen auf Preisvergleichsplattformen oder ähnlich gestalteten Werbeflächen sichtbar gemacht werden müssen.

Der Fall: Werbung ohne Versandkostenhinweis

Ein Onlinehändler für Desinfektionsmittel hatte auf einer Plattform eine Werbeanzeige für ein Produkt geschaltet, ohne dort auf die anfallenden Versandkosten hinzuweisen. Erst auf der verlinkten Produktseite war der Hinweis „zzgl. Versand“ enthalten. Ein Wettbewerbsverband sah darin einen Wettbewerbsverstoß und klagte auf Unterlassung.

Das Urteil: Versandkosten sind wesentliche Verbraucherinformation

Das Gericht gab dem Verband recht. Die Bochumer Richter stellten klar: Die Pflicht zur Preisangabe nach der Preisangabenverordnung (PAngV) umfasst auch die Versandkosten. Diese müssen so früh wie möglich, klar erkennbar und deutlich lesbar angegeben werden – und zwar dort, wo die Kaufentscheidung vorbereitet wird. In diesem Fall war das die Google-Werbeanzeige selbst.

Besonders relevant: Das Gericht ordnete die Anzeige als vergleichbar mit einer klassischen Preissuchmaschine ein. Der hervorgehobene Preis, die einheitliche Darstellung verschiedener Anbieter und der Zweck der Anzeige (schneller Preisvergleich) begründeten nach Auffassung des Gerichts die Pflicht zur umfassenden Preisangabe bereits an dieser Stelle.

Kein Platz für Versandkosten? Kein Argument. Dass die Plattform nur begrenzten Platz biete und daher kein Hinweis auf Versandkosten untergebracht werden könne, ließ das Gericht nicht gelten. In solchen Fällen dürfe schlicht keine Preiswerbung auf dieser Plattform erfolgen. Unternehmen müssten ihre Werbung so gestalten, dass sie den rechtlichen Anforderungen entspricht.

Fazit für die Praxis Unternehmen, die auf Plattformen oder in Preisvergleichsumfeldern werben, müssen unbedingt darauf achten, dass alle preisrelevanten Informationen – insbesondere auch Versandkosten – bereits in der Werbeanzeige selbst klar erkennbar sind. Ein bloßer Hinweis auf der verlinkten Shopseite reicht nicht aus. Verstöße können nicht nur wettbewerbsrechtlich abgemahnt werden, sondern führen auch zu Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüchen.

Gericht: Landgericht Bochum
Datum: 25.03.2025
Aktenzeichen: 18 O 13/25

BGH zur Streichpreiswerbung: Klare Regeln für den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage

Die Bewerbung von Sonderangeboten mit durchgestrichenen Preisen ist ein beliebtes Mittel, um Verbraucher zum Kauf zu animieren. Doch wie transparent muss ein solcher „Streichpreis“ tatsächlich sein? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 9. Oktober 2025 (Az. I ZR 183/24) klargestellt, welche Anforderungen an die Angabe des niedrigsten Gesamtpreises der letzten 30 Tage vor einer Preisermäßigung zu stellen sind.

Worum ging es? Ein Lebensmitteldiscounter hatte in einem Werbeprospekt das Produkt „Jacobs Krönung“ mit einem aktuellen Preis von 4,44 Euro sowie einem durchgestrichenen Preis von 6,99 Euro und dem Hinweis „-36 %“ beworben. Der durchgestrichene Preis war mit einer Fußnote versehen, die unter anderem darauf hinwies, dass es sich um den bisherigen 30-Tage-Bestpreis handle. Allerdings war der Preis für das Produkt tatsächlich schon eine Woche zuvor für 4,44 Euro angeboten worden.

Die Wettbewerbszentrale sah darin eine irreführende Preiswerbung und klagte auf Unterlassung.

Was hat der BGH entschieden? Der BGH hat die Entscheidung des OLG Nürnberg bestätigt und die Revision des Discounters zurückgewiesen. Nach § 11 Abs. 1 Preisangabenverordnung (PAngV) ist bei einer Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern der niedrigste Gesamtpreis anzugeben, der innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung verlangt wurde.

Wichtig: Diese Angabe muss klar, eindeutig und gut lesbar erfolgen. Eine versteckte Platzierung in einer kleingedruckten Fußnote reicht nicht aus. Der Verbraucher muss die Herkunft des durchgestrichenen Preises nachvollziehen können, um den angeblichen Preisvorteil realistisch einschätzen zu können.

Welche Rolle spielt der niedrigste Preis? Die Regelung soll verhindern, dass Käufer durch vermeintlich große Preisnachlässe getäuscht werden, die tatsächlich keine sind. Ein durchgestrichener Preis darf nur dann angegeben werden, wenn es sich dabei um den niedrigsten Preis handelt, der in den letzten 30 Tagen vor der Reduktion tatsächlich verlangt wurde. Wird ein höherer Referenzpreis genannt, ist dies nur zulässig, wenn zugleich deutlich und unmissverständlich auch der niedrigste Preis kenntlich gemacht wird.

Was müssen Händler beachten? Händler, insbesondere im Online- und Lebensmitteleinzelhandel, sollten folgende Punkte bei der Gestaltung von Streichpreiswerbung beachten:

  1. Dokumentation des 30-Tage-Niedrigstpreises: Halten Sie systematisch fest, zu welchen Preisen ein Produkt in den letzten 30 Tagen verkauft wurde.
  2. Transparente Darstellung: Der niedrigste Preis muss klar, eindeutig und gut lesbar angegeben werden.
  3. Verzicht auf verwirrende Fußnoten: Preisangaben dürfen nicht in schwer lesbaren Anmerkungen versteckt werden.
  4. Keine fiktiven Preisnachlässe: Der angegebene Streichpreis muss tatsächlich einmal verlangt worden sein und darf nicht künstlich erhöht worden sein, um den Rabattanteil größer erscheinen zu lassen.

Fazit Mit seiner Entscheidung hat der BGH für mehr Preisklarheit gesorgt. Verbraucher sollen auf einen Blick erkennen können, ob ein Sonderangebot tatsächlich einen echten Preisvorteil bietet. Wer als Händler mit Rabatten wirbt, muss die Vorgaben der Preisangabenverordnung genau einhalten – insbesondere hinsichtlich der Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage.

Gericht: Bundesgerichtshof
Datum: 9. Oktober 2025
Aktenzeichen: I ZR 183/24

OLG Köln urteilt zu Influencer-Reels und Arzneimittelwerbung

Mit Urteil vom 11.09.2025 hat das Oberlandesgericht Köln (Az. 6 U 118/24) ein deutliches Signal an Unternehmen gesendet, die Arzneimittel durch Influencer auf Social Media bewerben lassen: Werbung via Instagram-Reels muss den strengen Anforderungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) entsprechen. Insbesondere die Pflicht zur Einblendung des Warnhinweises „Zu Risiken und Nebenwirkungen…“ sowie das Verbot der Werbung mit bekannten Personen gelten auch in sozialen Netzwerken uneingeschränkt.

Hintergrund: Instagram-Reel für Arzneimittel

Ein pharmazeutisches Unternehmen hatte eine Influencerin mit rund 130.000 Followern beauftragt, das Arzneimittel „D.“ in einem 18-sekündigen Instagram-Reel zu bewerben. Das Video zeigte die Influencerin bei der Einnahme des Produkts und ihrer anschließend verbesserten Stimmung. Der gesetzlich geforderte Warnhinweis fehlte jedoch im Video selbst und fand sich nur in einem Textabschnitt unterhalb des Reels. Zudem wurde das Video von einer als bekannt einzustufenden Influencerin veröffentlicht.

Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG)

Das OLG Köln bestätigte die Vorinstanz und sah gleich zwei Verstöße gegen das HWG:

  1. Pflichttext fehlt im Video selbst: Nach § 4 Abs. 5 HWG muss bei Werbung in audiovisuellen Medien der Warnhinweis direkt im Video eingeblendet und gesprochen werden. Das Gericht stellte klar, dass Reels auf Instagram als audiovisuelle Medien zu werten sind – vergleichbar mit Fernsehwerbung. Eine Verlinkung oder bloße Erwähnung im Text reicht nicht aus.
  2. Unzulässige Werbung mit bekannter Person: Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG ist die Werbung mit bekannten Personen für Arzneimittel unzulässig. Die Influencerin sei „bekannt“ im Sinne des Gesetzes, da sie eine erhebliche Reichweite habe und ihre Follower eine parasoziale Beziehung zu ihr aufgebaut hätten. Die Schwelle zur Bekanntheit werde nicht allein durch Prominenz im klassischen Sinne überschritten, sondern durch das Vertrauen, das Influencer bei ihren Zielgruppen genießen.

Klarstellung zu Social Media-Werbung

Das Urteil macht deutlich: Auch auf Plattformen wie Instagram gelten die gesetzlichen Anforderungen der Arzneimittelwerbung uneingeschränkt. Wer Inhalte in Form kurzer Videos bewirbt, muss sicherstellen, dass der Warnhinweis klar und deutlich im Video selbst erscheint. Ein bloßer Hinweis im Beschreibungstext oder eine Verlinkung genügt nicht.

Fazit für Unternehmen und Influencer-Marketing

Unternehmen im Pharmabereich müssen sich bewusst sein, dass sie für die Handlungen beauftragter Influencer haften. Die Gestaltung von Werbeinhalten in Social Media muss den Anforderungen des HWG entsprechen. Das betrifft insbesondere:

  • die Einblendung des Warnhinweises im Video selbst,
  • das Verbot der Werbung mit bekannten Personen,
  • die klare Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten.

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Datum: 11.09.2025
Aktenzeichen: 6 U 118/24
Vorinstanz: LG Köln, 33 O 181/24
Fundstelle: MIR 2025, Dok. 074

OLG Hamburg klärt auf: Wann sind „Vergleichsportale“ irreführend und wann ist die „Testsieger“-Werbung zulässig?

Werbebotschaften müssen wahr und eindeutig sein. Gerade im Online-Handel, wo der Kunde schnell eine Kaufentscheidung trifft, werden Fehler im Wettbewerbsrecht teuer. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, welche strengen Maßstäbe an die Werbung mit den Begriffen „Vergleichsportal“ und „Testsieger“ anzulegen sind.

Die Entscheidung betrifft zwei große Player im Online-Reifenhandel und liefert wichtige Orientierung für alle Unternehmen, die mit Preisvergleichen oder Testergebnissen werben.

Die Irreführung durch die Bezeichnung „Vergleichsportal“

Ein zentraler Streitpunkt war die Werbung mit dem Slogan „Das größte Vergleichsportal für Reifen“.

Das OLG Hamburg stellte klar, dass der Durchschnittsverbraucher von einem „Vergleichsportal“ erwartet, dass es Angebote verschiedener, unabhängiger Anbieter gegenüberstellt. Der Verbraucher geht davon aus, dass das Portal eine möglichst große Zahl von Anbietern in den Preisvergleich einbezieht und der Betreiber kein konkretes wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss im Einzelfall besitzt.

Im vorliegenden Fall bewarben die Betreiber jedoch eine Plattform, auf der zum Verletzungszeitpunkt ausschließlich Eigenangebote eines einzigen Unternehmens der Gruppe verglichen wurden. Nach Ansicht des Gerichts ist es unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt, ausschließlich eigene Angebote mit der Bezeichnung „Vergleichsportal“ oder gar „größtes Vergleichsportal“ zu bewerben, da es hier gerade nicht um einen üblichen Vergleich geht. Die Angabe ist geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise über die Rolle des Unternehmens beim Reifenkauf zu täuschen.

Fazit für Unternehmer: Wird eine Plattform als „Vergleichsportal“ beworben, auf der aber nahezu oder ausschließlich die Produkte des Plattformbetreibers selbst oder eines verbundenen Unternehmens gelistet sind, liegt eine irreführende geschäftliche Handlung vor. Dies verstößt gegen das Irreführungsverbot nach § 5 Abs. 1 UWG.

Die strenge Anforderung bei der „Testsieger“-Werbung

Ein weiterer Verstoß lag in der Werbung mit dem Prädikat „Testsieger“. Konkret wurde ein Reifen eines bestimmten Modells mit dem Ergebnis „Testsieger“ beworben. Der angebotene Reifen hatte jedoch eine andere Größe und Dimension als das tatsächlich getestete Produkt (ein Reifen desselben Modells in der Größe.

Das Gericht betonte, dass die Größe und Dimension bei Reifen einen signifikanten Unterschied im Fahr- und Bremsverhalten, den erzeugten Geräuschen und der Fahrsicherheit ausmachen. Die Testergebnisse von Reifen gleichen Fabrikats und Namens, aber unterschiedlicher Dimension, können sich durchaus deutlich unterscheiden.

Daher wurde die Bewerbung des nicht getesteten Reifens mit dem Testsieg-Ergebnis als grob unrichtig und irreführend eingestuft.

Wichtig: Es genügt nicht, die abweichende Reifengröße des tatsächlich getesteten Produkts in derselben Textzeile mitzuteilen. Die in einem Blickfang herausgestellte Aussage darf für sich genommen nicht schlichtweg falsch sein. Irreführende Behauptungen zu einem Testsieg haben für den Verbraucher erhebliche Bedeutung und sind grundsätzlich geschäftlich relevant.

Weitere Feststellungen zur Preiswerbung

Das OLG Hamburg bestätigte darüber hinaus die Verbote des Landgerichts Hamburg zu weiteren Irreführungen im Bereich der Preiswerbung.

  • Vergleich mit „Mondpreisen“: Eine Preiswerbung, bei der das Referenzangebot einen unrealistisch hohen „Mondpreis“ ausweist, der ganz deutlich über dem üblichen Marktpreis liegt (z. B. ein Preis von rund 430,00 € für einen Reifen, der anderweitig für ca. 80,00 € angeboten wird), ist irreführend und wettbewerbswidrig.
  • Irreführende Preisvergleiche: Wird mit einem durchgestrichenen höheren Preis geworben, geht der Verkehr regelmäßig davon aus, dass es sich um den früher vom Werbenden verlangten Preis für das dasselbe Angebot handelt. Eine Irreführung liegt vor, wenn sich die Ersparnis tatsächlich nur aus der Differenz zwischen dem aktuell günstigsten und dem aktuell teuersten Eigenangebot der Unternehmensgruppe berechnet. Ein Hinweis auf der Unterseite „Warenkorb“ oder ein sogenannter Mouseover-Effekt beseitigt diesen Irrtum nicht ausreichend, da er nicht am Blickfang teilnimmt und erst nach der relevanten geschäftlichen Entscheidung (Produktauswahl) erfolgt.
  • Veraltete Preisvergleiche: Der Verbraucher erwartet von einem Preisvergleichsportal ein großes Maß an Aktualität. Ein Preisvergleich, der sich auf über zwei Monate alte Angebote bezieht, ist irreführend.

Gericht: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Entscheidungsdatum: 26.09.2024
Aktenzeichen: 5 U 45/24

Sound-Marken im Aufwind: Das BVG-Urteil des EuG zur Hörmarke

Die Anmeldung von Klängen oder Melodien als Marken gewinnt immer mehr an Bedeutung. Sie dienen als akustisches Äquivalent zur visuellen Marke und sollen die Herkunft von Waren und Dienstleistungen im Gedächtnis der Verbraucher verankern. Die jüngste Entscheidung eines Gerichts markiert einen wichtigen Erfolg für alle Unternehmen, die ihre akustische Identität schützen wollen.

Der Fall: Zu kurz und zu banal?

Ein Dienstleistungsunternehmen, hier die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), meldete eine europäische Klangmarke an, die aus einem kurzen, nur zwei Sekunden langen Klang einer Melodie mit vier verschiedenen Tönen besteht. Die Marke sollte Dienstleistungen wie Transportwesen und Personenbeförderung kennzeichnen.

Die zuständige Behörde in Europa lehnte die Eintragung ab. Die Argumentation: Die Melodie sei „so kurz und banal“, dass ihr jede Unterscheidungskraft fehle. Sie würde von den Verbrauchern lediglich als funktionales Element wahrgenommen, um die Aufmerksamkeit auf nachfolgende Ansagen zu lenken – aber nicht als Herkunftshinweis eines bestimmten Unternehmens.

Die Kehrtwende des Gerichts: Ein Jingle ist mehr als nur ein Signal

Ein europäisches Gericht hob die ablehnende Entscheidung auf. Das Gericht betonte mehrere entscheidende Punkte:

1. Die Rolle von Jingles im Sektor

Das Gericht stellte klar, dass es in Branchen wie dem Transportwesen zunehmend üblich ist, kurze, einprägsame Klangmotive (Jingles) zu nutzen. Solche Klangmarken dienen gerade dazu, eine wiedererkennbare klangliche Identität zu schaffen und die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen zu lenken.

2. Unterscheidungskraft trotz Kürze und Einfachheit

Entgegen der Auffassung der Behörde sind die Merkmale der angemeldeten Melodie (zwei Sekunden, vier Töne) kein automatisches Ausschlusskriterium. Die Kürze ist vielmehr ein typisches Merkmal von Jingles und soll deren Merkbarkeit erleichtern. Die Melodie hatte keinen unmittelbaren funktionalen oder technischen Bezug zu den Dienstleistungen, da es sich nicht um ein übliches Geräusch aus dem Betrieb handelt.

3. Vergleich mit akzeptierter Praxis

Das Gericht zog zum Vergleich bereits eingetragene Klangmarken anderer großer Unternehmen heran. Es verwies auch auf die eigenen Prüfungsrichtlinien der Behörde, in denen vergleichbare Klangfolgen als akzeptierte Marken aufgeführt wurden. Die Verweigerung der Unterscheidungskraft war daher fehlerhaft.

4. Funktionale Nutzung schließt Markenschutz nicht aus

Selbst wenn der Jingle zur Einleitung von Lautsprecherdurchsagen verwendet wird (eine funktionale Aufgabe), steht dies der Funktion als Herkunftszeichen nicht entgegen. Im Gegenteil: In einem solchen Kontext soll der Klang es den angesprochenen Verkehrskreisen gerade ermöglichen, das betreffende Unternehmen von Konkurrenten zu unterscheiden.

Fazit und Bedeutung für Unternehmen

Dieses Urteil ist ein wichtiger Wegweiser für alle Unternehmen, die eine Klangmarke anmelden möchten. Es bestätigt, dass kurze, prägnante Melodien (Jingles) im Rahmen der Gewohnheiten des jeweiligen Wirtschaftssektors durchaus die erforderliche Mindest-Unterscheidungskraft aufweisen können. Die bloße Kürze oder Einfachheit eines Klangs führt nicht automatisch zur Ablehnung. Entscheidend ist, ob der Klang geeignet ist, im Gedächtnis des Verbrauchers eine Verbindung zum Unternehmen herzustellen.

Gericht: Gericht der Europäischen Union (Zweite Kammer)

Datum: 10. September 2025

Aktenzeichen: T-288/24

OLG Nürnberg: Volle Kostenerstattung für Anwaltsschreiben nach unberechtigter Amazon-Sperrung

Für Online-Händler, insbesondere auf Plattformen wie Amazon, ist eine Sperrung der eigenen Angebote durch eine Beschwerde eines Konkurrenten ein massives Problem. Wenn diese Beschwerde – etwa der Vorwurf einer Markenverletzung oder einer Produktfälschung – sich als haltlos herausstellt, stellt sich die Frage: Wer trägt die Kosten für den Anwalt, der eingeschaltet wurde, um die Sperre aufzuheben?

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat hierzu in einem aktuellen Urteil eine wichtige Klarstellung getroffen, die die Rechte von zu Unrecht beschuldigten Händlern stärkt.

Der Fall: Falscher Fälschungsvorwurf bei Kuscheltieren

Im Zentrum des Streits standen zwei Händler, die beide auf Amazon Spielwaren anboten. Die Beklagte, Inhaberin einer Lizenz für die Marke „Teddys Rothenburg“, meldete über das Amazon-Beschwerdeverfahren zwei Angebote des Klägers. Der Vorwurf: Bei den vom Kläger angebotenen Artikeln (Kuscheltiere von „Tom & Jerry“) handle es sich um Fälschungen.

Amazon reagierte wie üblich und sperrte die betreffenden ASINs des Klägers. Das Problem: Der Vorwurf war falsch. Es handelte sich um Originalprodukte eines anderen Herstellers.

Nachdem der Kläger vergeblich versucht hatte, die Beklagte direkt zu kontaktieren, beauftragte er einen Anwalt. Dieser schickte der Beklagten eine Abmahnung. Zwar gab die Beklagte daraufhin eine Unterlassungserklärung ab, der Streit um die Anwaltskosten des Klägers landete jedoch vor Gericht.

Der Streit: Formfehler im UWG gegen Schadenersatz

Die Beklagte weigerte sich, die Anwaltskosten des Klägers zu zahlen. Ihr Argument: Die Abmahnung des Klägers sei formell fehlerhaft gewesen. Sie habe nicht ausreichend dargelegt, inwiefern der Kläger ein „Mitbewerber“ im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sei – eine formelle Anforderung nach § 13 Abs. 2 UWG.

Nach § 13 Abs. 5 UWG führt eine solche formell unwirksame Abmahnung sogar dazu, dass der Abmahnende (der Kläger) die Anwaltskosten des Abgemahnten (der Beklagten) für dessen Verteidigung tragen muss.

Das Landgericht Ansbach in der ersten Instanz folgte dieser Argumentation: Es wies die Klage des Klägers auf Erstattung seiner Kosten ab und verurteilte ihn stattdessen zur Zahlung der Anwaltskosten der Beklagten.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg: Deliktsrecht bricht Wettbewerbsrecht

Das OLG Nürnberg kippte diese Entscheidung vollständig. Die Richter stellten klar, dass hier nicht (nur) das Wettbewerbsrecht (UWG) entscheidend ist.

Eine falsche Beschwerde bei Amazon, die eine Sperrung von Angeboten zur Folge hat, ist mehr als nur ein Wettbewerbsverstoß. Sie stellt eine „unberechtigte Schutzrechtsverwarnung“ dar. Ein solches Handeln ist ein rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in den „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ des betroffenen Händlers nach § 823 BGB (Deliktsrecht).

Das Anwaltsschreiben des Klägers war die direkte Reaktion auf diesen rechtswidrigen Eingriff. Die Anwaltskosten sind daher ein Schaden, der dem Kläger durch die unerlaubte Handlung der Beklagten entstanden ist. Dieser Schaden ist nach § 823 BGB zu ersetzen.

Der entscheidende Leitsatz des Gerichts lautet: Wenn ein Anspruchsschreiben einen solchen deliktischen Anspruch (aus § 823 BGB) geltend macht, gelten die strengen formellen Anforderungen des § 13 UWG für die Kostenerstattung nicht. Dies gilt selbst dann, wenn in dem Schreiben auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche erwähnt werden.

Im Ergebnis musste die Beklagte die vollen Anwaltskosten des Klägers erstatten. Ihr eigener Anspruch auf Kostenerstattung (die Widerklage) wurde abgewiesen. Das OLG bestätigte zudem, dass die Beklagte dem Kläger auch allen weiteren Schaden (z. B. entgangener Gewinn) ersetzen muss.

Fazit für Unternehmer

Das Urteil ist eine wichtige Stärkung für alle Online-Händler, die Opfer von ungerechtfertigten Sperrungen durch Konkurrenten werden. Wer das Beschwerdesystem von Plattformen wie Amazon missbraucht, um Konkurrenten durch falsche Behauptungen zu blockieren, begeht einen schwerwiegenden Rechtsverstoß (Eingriff in den Gewerbebetrieb).

Die Kosten für den Anwalt, der zur Beseitigung der Sperre eingeschaltet wird, sind als Schadenersatz erstattungsfähig. Der Verursacher der Sperre kann sich zur Abwehr dieser Kosten nicht auf mögliche Formfehler im Anwaltsschreiben berufen, die sich aus dem Wettbewerbsrecht (UWG) ergeben könnten.


Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Datum: 08.07.2025
Aktenzeichen: 3 U 136/25
Fundstelle: GRUR 2025, 1513

Streit um „Testa Rossa“: BPatG verneint Bösgläubigkeit bei Markenanmeldung

Ein bekannter Name, eine lange Unternehmensgeschichte, ein exzellenter Ruf – und plötzlich meldet ein Dritter diesen Namen als Marke für völlig andere Produkte an. Ein Szenario, das bei vielen Unternehmern für Empörung sorgt und schnell den Vorwurf der „Bösgläubigkeit“ auf den Plan ruft. Doch die rechtlichen Hürden für die Löschung einer Marke aus diesem Grund sind enorm hoch. Das hat das Bundespatentgericht (BPatG) in einer grundlegenden Entscheidung im Fall der legendären Automobilbezeichnung „Testa Rossa“ eindrucksvoll bestätigt.

Worum ging es im Fall „Testa Rossa“?

Ein weltberühmter italienischer Hersteller von Sportwagen sah sich mit der Tatsache konfrontiert, dass ein deutscher Unternehmer die Marke „Testa Rossa“ für eine breite Palette von Waren hatte eintragen lassen – von elektrischen Bohrmaschinen und Rasierapparaten über Fahrräder bis hin zu Angelgeräten.

Der Sportwagenhersteller, der den Namen „Testarossa“ seit den 1950er Jahren für ikonische Fahrzeuge verwendet, argumentierte, die Anmeldung sei bösgläubig. Der Anmelder wolle sich gezielt den exzellenten Ruf der Marke zunutze machen, um die eigenen Produkte aufzuwerten. Ferner sei die Anmeldung ein Akt der Revanche in einer langjährigen Auseinandersetzung über Lizenzgebühren in der Modellauto-Branche.

Der Markeninhaber konterte, er verfolge ein legitimes Geschäftsmodell. Ähnlich wie bei seiner Marke „Carrera“ plane er, den Namen „Testa Rossa“ für verschiedenste Konsumgüter zu lizenzieren. Eine Absicht, den Sportwagenhersteller zu behindern, bestehe nicht.

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts: Ein plausibles Geschäftsmodell schlägt den Bösgläubigkeitsvorwurf

Das Gericht lehnte den Löschungsantrag ab und stellte klar, dass für die Annahme von Bösgläubigkeit mehr erforderlich ist als das bloße Aufgreifen eines bekannten Namens. Die Richter prüften die gängigen Fallgruppen der Bösgläubigkeit und verneinten sie allesamt:

  1. Keine reine Spekulationsmarke: Der Anmelder konnte ein nachvollziehbares Geschäftsinteresse darlegen, nämlich die Verwertung der Marke durch Lizenzvergabe. Allein der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung noch keine konkreten Produkte existierten, macht die Marke nicht zu einer unzulässigen Spekulations- oder Vorratsmarke. Das Markengesetz gewährt jedem Anmelder eine fünfjährige Schonfrist, um die Benutzung aufzunehmen.
  2. Keine gezielte Behinderungsabsicht: Das Gericht verlangt für den Vorwurf der Bösgläubigkeit den Nachweis, dass die Anmeldung primär darauf abzielt, einen Wettbewerber zu stören oder zu blockieren. Dies konnte dem Anmelder nicht nachgewiesen werden. Auch die Tatsache, dass er sich in der Vergangenheit kritisch über die Lizenzpraxis der Automobilindustrie geäußert hatte, wurde nicht als Beleg für eine unlautere Absicht bei dieser speziellen Markenanmeldung gewertet.
  3. „Trittbrettfahren“ allein ist nicht bösgläubig: Das Gericht machte eine entscheidende Unterscheidung: Der Schutz einer bekannten Marke vor Rufausbeutung ist eine Frage der relativen Rechte, die im Widerspruchs- oder Verletzungsverfahren geklärt werden muss. Der Vorwurf der Bösgläubigkeit ist hingegen ein absolutes Nichtigkeitsargument, das einen schwerwiegenden Rechtsmissbrauch voraussetzt. Vom guten Ruf einer anderen Marke profitieren zu wollen, ist für sich genommen noch kein solcher Missbrauch.

Fazit für die Praxis: Strategie ist entscheidend

Die „Testa Rossa“-Entscheidung ist eine wichtige Lektion für alle Markeninhaber. Sie zeigt, dass das Gefühl, von einem Wettbewerber unfair behandelt zu werden, nicht mit dem juristischen Tatbestand der Bösgläubigkeit gleichzusetzen ist.

  • Hohe Hürden: Eine Markenlöschung wegen Bösgläubigkeit ist die absolute Ausnahme. Es müssen handfeste Beweise für eine gezielte Störungsabsicht oder einen Rechtsmissbrauch vorliegen.
  • Legitimes Interesse zählt: Wer eine Marke anmeldet und dafür ein schlüssiges, wenn auch zukünftiges, wirtschaftliches Konzept vorweisen kann, hat gute Karten, sich gegen den Vorwurf der Bösgläubigkeit zu verteidigen.
  • Der richtige Weg: Wer seine bekannte Marke vor Nachahmern schützen will, sollte sich nicht allein auf den Bösgläubigkeitsvorwurf verlassen. Der klassische und weitaus aussichtsreichere Weg führt über den Widerspruch aus eigenen älteren Markenrechten und den Nachweis der Verwechslungsgefahr oder der unlauteren Rufausnutzung.

Der Fall wurde zur Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob die höchste Instanz diese strenge Linie bestätigt.

Gericht: Bundespatentgericht
Datum: 15. Januar 2025
Aktenzeichen: 29 W (pat) 14/21

Irreführende Werbung auf Ticket-Marktplätzen: Wenn „Originalpreis“ und „Weiterverkauf“ in die Irre führen

Unternehmer, die Online-Marktplätze betreiben, stehen vor einer besonderen Herausforderung. Sie müssen nicht nur eine technische Plattform bereitstellen, sondern auch sicherstellen, dass die dort getätigten Angaben den strengen Anforderungen des Lauterkeitsrechts genügen. Das Landgericht Karlsruhe (AZ: 13 O 78/24 KfH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Verantwortlichkeit eines Betreibers eines Ticket-Zweitmarktes konkretisiert und dabei wichtige Grundsätze für den digitalen Handel festgelegt.

Der Fall: Ticketkauf mit Tücken

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein gegen den Betreiber eines bekannten Online-Marktplatzes für Veranstaltungstickets. Im Zentrum des Rechtsstreits standen zwei zentrale Punkte:

  1. Die Personalisierung von Tickets: Für ein Konzert wurden Tickets angeboten, die personalisiert waren. Das bedeutet, der Zutritt zur Veranstaltung ist nur der Person gestattet, deren Name auf dem Ticket steht. Trotz dieses Umstands warb die Plattform mit dem Hinweis „can resell if plans change“ (kann weiterverkauft werden, wenn sich Pläne ändern). Dies erweckte den Eindruck, die Tickets könnten problemlos weiterverkauft werden, was aber gerade nicht der Fall war.
  2. Der „Originalpreis“: Bei einem anderen Konzert wurde ein sogenannter „Originalpreis“ für die Tickets angegeben, der deutlich höher lag als der tatsächliche Erstmarktpreis des Veranstalters. Die Plattform hatte diese Angabe ungeprüft von den Verkäufern übernommen, was den potenziellen Käufern suggerierte, sie würden ein besonders günstiges Angebot erwerben.

Das Gericht musste entscheiden, ob der Marktplatzbetreiber für diese irreführenden Angaben haftbar ist, obwohl er die Tickets nicht selbst verkauft.

Die Entscheidung: Klare Verantwortlichkeit für Plattformbetreiber

Das Landgericht Karlsruhe gab dem Verbraucherschutzverein in den wesentlichen Punkten recht. Es stellte fest, dass die Plattform in beiden Fällen unlauter handelte.

  • Haftung für fehlende Hinweise: Das Gericht sah den Hinweis auf die Personalisierung als eine wesentliche Information im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) an. Das Risiko, mit einem nicht auf den eigenen Namen lautenden Ticket abgewiesen zu werden, stellt für den Käufer einen erheblichen Nachteil dar. Die Aussage, ein Ticket könne problemlos weiterverkauft werden, ist unter diesen Umständen irreführend und unzulässig. Es reicht nicht aus, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinzuweisen, dass man die Angaben der Verkäufer nicht prüft.
  • Irreführung durch den „Originalpreis“: Die Verwendung des Begriffs „Originalpreis“ ohne den klaren Hinweis, dass es sich dabei um eine ungeprüfte Angabe des Verkäufers handelt, wertete das Gericht als Irreführung. Der Begriff „Original“ erweckt den Eindruck, der angegebene Preis sei der vom Veranstalter festgesetzte wahre Preis. Dies schaffe, so das Gericht, eine Täuschung über den tatsächlichen Preis und damit eine Irreführung des Verbrauchers.

Das Gericht betonte, dass die Haftung eines Marktplatzbetreibers umso größer wird, je mehr er die Gestaltung der Plattform über ein reines „Kleinanzeigen-Erscheinungsbild“ hinaus verantwortet. Eine professionell aufgemachte Plattform, die eigene Elemente wie den „Originalpreis“ oder Hinweise zur Weiterverkäuflichkeit hinzufügt, kann sich nicht hinter dem Argument verstecken, sie sei nur ein neutraler Vermittler. Sie übernimmt eine eigene Verantwortung für die Richtigkeit der präsentierten Informationen.

Interessant ist, dass die Klage in einem Punkt abgewiesen wurde. Die geforderte Information über Altersbeschränkungen wurde vom Gericht nicht als „wesentliche Information“ eingestuft. Begründung: Für einen durchschnittlichen Verbraucher, der ein Konzert der betroffenen Band besucht, ist die Annahme, Minderjährige würden alleine das Konzert besuchen, nicht realistisch. Die Plattform richtete sich zudem nicht primär oder ausschließlich an Minderjährige.

Fazit für Unternehmer

Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für alle Betreiber von Online-Marktplätzen. Sie verdeutlicht, dass eine rein passive Rolle im E-Commerce immer schwieriger wird.

  • Unternehmen müssen bei der Gestaltung ihrer Plattformen sorgfältig vorgehen. Eigene Beschreibungen oder Funktionen, die den Anschein einer Überprüfung oder Bestätigung der Angaben Dritter erwecken, können zu einer eigenen Haftung führen.
  • Wenn wesentliche Informationen, die für die Kaufentscheidung relevant sind, fehlen oder irreführend dargestellt werden, kann der Marktplatzbetreiber direkt in die Verantwortung genommen werden.
  • Ein allgemeiner Haftungsausschluss in den AGB reicht nicht aus, um sich vor den Ansprüchen des Lauterkeitsrechts zu schützen. Transparenz ist hier das oberste Gebot.

Gericht: Landgericht Karlsruhe
Datum: 24.09.2025
Aktenzeichen: 13 O 78/24 KfH
Fundstelle: GRUR-RS 2025, 24182

OLG Karlsruhe: Irreführende Werbung mit angeblich fehlender Meldepflicht beim Online-Kauf von Edelmetallen

Im digitalen Zeitalter boomt der Online-Handel mit Edelmetallen. Doch auch hier müssen sich Händler an die Regeln des Wettbewerbsrechts halten. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem aktuellen Urteil eine zentrale Frage zur Zulässigkeit von Werbeaussagen im Zusammenhang mit dem Geldwäschegesetz (GwG) geklärt und eine Werbung als irreführend eingestuft.

Der Fall: Onlineshop wirbt mit fehlender Meldepflicht

Ein Händler für Edelmetalle bewarb seinen Onlineshop mit der Aussage „Bestellungen über 2.000 € sind bei uns nicht meldepflichtig!“. In der weiteren Beschreibung wurde ausgeführt, dass „Online-Bestellungen…nämlich nicht der gesetzlichen Meldepflicht“ unterliegen, im Gegensatz zu „Barkäufen im stationären Handel“. Der Händler stellte dies als Vorteil seines Angebots dar, der unter anderem für „volle Diskretion und Anonymität“ sorgen solle.

Ein qualifizierter Wirtschaftsverband, dem zahlreiche Münzhändler angehören, sah darin eine irreführende und unzulässige Werbung und mahnte den Händler ab. Da dieser die Abgabe einer Unterlassungserklärung verweigerte, wurde eine einstweilige Verfügung beantragt. Das Landgericht wies den Antrag zunächst ab, da die Werbung nach seiner Ansicht lediglich auf einen generellen Vorteil des Online-Handels hinweise.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das OLG Karlsruhe folgte in der Berufung der Argumentation des Verbandes und gab dem Unterlassungsantrag statt. Es stellte klar, dass die fragliche Werbeaussage eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellt.

Entscheidend war für das Gericht die Gesamtschau der Werbung. Die Aussage des Händlers erweckt bei einem durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, dass eine Barzahlung von über 2.000 € in einem Ladengeschäft zwangsläufig eine Meldepflicht gegenüber den Finanzbehörden nach sich ziehen würde. Dies ist jedoch objektiv falsch.

Das Gericht stellte in den Urteilsgründen klar, dass das Geldwäschegesetz keine generelle Meldepflicht für Barzahlungen ab 2.000 € kennt. Eine Meldepflicht nach § 43 GwG besteht vielmehr nur bei konkreten Verdachtsfällen – unabhängig von der Höhe der Transaktion oder der Art der Bezahlung (bar, Überweisung etc.). Es gibt also keinen rechtlichen Vorteil des Online-Handels gegenüber dem stationären Handel, wie er vom beklagten Händler behauptet wurde. Die Werbeaussage ist daher eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, Verbraucher zu täuschen.

Das OLG betonte, dass die Behauptung, Barzahlungen in Ladengeschäften würden zwangsläufig eine Meldung ans Finanzamt auslösen, die Kaufentscheidung erheblich beeinflussen kann. Die bloße Möglichkeit von behördlichen Nachfragen ist für einen Teil der Marktteilnehmer bereits ein Motiv, sich für einen Online-Kauf zu entscheiden. Da diese Annahme falsch ist, handelt es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung.

Fazit für Unternehmer

Das Urteil unterstreicht, wie wichtig es ist, Werbeaussagen sorgfältig zu prüfen, insbesondere wenn sie sich auf rechtliche Sachverhalte beziehen. Eine vermeintliche „Grauzone“ oder ein „Vorteil“, der in der Realität nicht existiert, kann schnell zu einer teuren Abmahnung oder Unterlassungsklage führen. Selbst wenn die Aussage auf den ersten Blick harmlos wirkt, ist entscheidend, welchen Gesamteindruck sie beim Verbraucher hinterlässt. Die beworbene Abwesenheit einer angeblich existierenden rechtlichen Einschränkung kann ebenso irreführend sein wie die falsche Behauptung positiver Eigenschaften.

  • Gericht: OLG Karlsruhe
  • Datum: 19.09.2025
  • Aktenzeichen: 14 U 72/25

Markenverletzung im Online-Handel: Der EuGH klärt, wo und was der „Besitz“ von Waren ist

Der Online-Handel kennt keine nationalen Grenzen. Waren werden oft in einem Land gelagert und aus einem anderen heraus verkauft, um sie in ein drittes Land zu liefern. Dies wirft im Markenrecht die Frage auf, wo eine Markenverletzung überhaupt stattfindet und wer dafür haftet. Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) wichtige Klarstellungen vorgenommen, die für alle im E-Commerce tätigen Unternehmen von großer Relevanz sind.

Die Ausgangslage: Eine Markenrechtsklage über Ländergrenzen hinweg

Im Zentrum des Verfahrens stand eine spanische Online-Händlerin, die über ihre Website und Amazon.de Tauchzubehör bewarb, das mit Zeichen versehen war, die den Marken eines deutschen Unternehmens identisch waren. Der deutsche Markeninhaber klagte auf Unterlassung, auch wegen des unbefugten Besitzes der Waren. Die spanische Händlerin argumentierte, dass sich der Besitz der Waren in Spanien befand, also außerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Marken. Dies führte zur entscheidenden Frage, ob eine Markenverletzung auch dann vorliegt, wenn der Besitz der Ware in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegt, die Waren aber für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind.

Die Entscheidung des EuGH: Besitz im Ausland kann Markenrechte verletzen

Der EuGH stellte klar, dass der Inhaber einer nationalen Marke einem Dritten verbieten kann, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats Waren zu besitzen, wenn der Zweck dieses Besitzes der Verkauf oder das Inverkehrbringen der Waren im Schutzland ist. Der Gerichtshof betonte, dass der Schutz einer Marke, obwohl er grundsätzlich auf das Territorium des Eintragungsstaates beschränkt ist, seine Wirksamkeit nicht verlieren darf. Wenn sich ein Online-Angebot an Verbraucher in Deutschland richtet, kann die deutsche Marke auch im Ausland durch den Besitz der Waren verletzt werden. Die bloße Zugänglichkeit einer Website reicht dafür zwar nicht aus, aber relevante Indizien wie Liefergebiete oder die Nutzung einer länderspezifischen Domain wie amazon.de können dies belegen.

Der Begriff des „Besitzes“: Unmittelbar oder mittelbar?

Eine weitere zentrale Frage war, was unter dem Begriff „Besitz“ zu verstehen ist. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz. Im Online-Handel über Logistikdienstleister wie Amazon haben Händler oft keinen unmittelbaren physischen Zugriff auf die Waren, sondern nur einen mittelbaren. Der EuGH entschied, dass für eine Markenverletzung auch der mittelbare Besitz ausreicht. Ein Unternehmen muss nicht die tatsächliche, unmittelbare Herrschaft über die Waren haben, sondern es genügt eine Aufsichts- oder Leitungsbefugnis gegenüber der Person, die die physische Kontrolle über die Waren hat (z. B. ein Logistikdienstleister oder Spediteur). Eine andere Auslegung würde den Markenschutz im modernen E-Commerce, wo Händler oft mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, erheblich aushöhlen.

Fazit: Erweitertes Risiko für Online-Händler

Die Entscheidung des EuGH stärkt die Position von Markeninhabern im Online-Handel erheblich. Sie verdeutlicht, dass eine Markenverletzung nicht mehr nur am physischen Ort der Ware stattfindet, sondern auch dort, wo das Angebot die Verbraucher erreicht.

Online-Händler, die markenidentische Waren aus einem EU-Land in ein anderes liefern lassen, müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur für den Verkauf oder das Anbieten, sondern bereits für den Besitz dieser Waren im Ausland haftbar gemacht werden können, wenn die Waren für den Verkauf im Schutzland bestimmt sind. Dies gilt auch, wenn die Waren über Dritte wie Logistikzentren gelagert werden.


Gericht: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
Datum: 1. August 2025
Aktenzeichen: C-76/24