OLG Hamburg: „Wir sind Papst“ ist urheberrechtlich geschützt

Die bekannte Schlagzeile „Wir sind Papst“, die 2005 nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst Benedikt XVI. auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung erschien, genießt urheberrechtlichen Schutz. Dies entschied das OLG Hamburg am 29. August 2024 und bestätigte damit weitgehend eine einstweilige Verfügung, mit der das Verlagshaus Axel Springer gegen die unerlaubte Lizenzierung von Bildmaterial auf einer Stockfoto-Plattform vorging.

Hintergrund des Falls

Die Axel Springer Deutschland GmbH erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Betreiberin der Stockfoto-Plattform alamy.com. Diese bot unter anderem Fotos zur Lizenzierung an, auf denen die bekannte Schlagzeile „Wir sind Papst“ auf einem großformatigen Fassadenplakat zu sehen war. Der Verlag sah darin eine Verletzung seiner urheberrechtlichen und markenrechtlichen Schutzrechte.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Hamburg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Hamburg in wesentlichen Teilen:

  • Urheberrechtlicher Schutz der Schlagzeile: Das Gericht erkannte der Schlagzeile „Wir sind Papst“ Werkqualität zu. Sie hebe sich deutlich von allgemein gehaltenen Formeln wie „Wir sind Weltmeister“ ab und weise die erforderliche Schöpfungshöhe auf. Damit sei sie als Sprachwerk geschützt.
  • Zur Marke: Die Nutzung von Bilddateien, die die Verfügungsmarke prominent darstellen, wurde als markenrechtswidrig angesehen, insbesondere wenn sie zur Lizenzierung für Marketingzwecke angeboten werden. In den Varianten, bei denen die Marke nicht im Vordergrund steht, verneinte das Gericht jedoch eine Markenverletzung.
  • Keine Berufung auf Panoramafreiheit: Diese Schranke greife nicht, da das Plakat nicht dauerhaft im öffentlichen Raum installiert war.

Begründung der Schutzfähigkeit

Das OLG Hamburg führte mehrere Gründe für die Schutzfähigkeit der Schlagzeile an:

  • Kreative Leistung des Autors: Der Journalist Georg Streiter habe mit der Schlagzeile eine prägnante Zusammenfassung des Ereignisses und der damit verbundenen Emotionen geschaffen. Die Verwendung des Stilmittels „totum pro parte“ unterstreiche die Individualität der Formulierung.
  • Abgrenzung zu anderen Slogans: Im Gegensatz zu Slogans wie „Wir sind Weltmeister“ sei „Wir sind Papst“ nicht durch einfache Substitution ersetzbar, etwa durch „Deutschland ist Papst“, ohne den Sinn zu verändern.
  • Anerkennung in Fachkreisen: Die Schlagzeile habe eine besondere Bekanntheit und kulturelle Prägung erreicht, was als Indiz für ihre Originalität gewertet wurde.

Kommentar

Die Entscheidung des OLG Hamburg, der Schlagzeile „Wir sind Papst“ Urheberrechtsschutz zuzuerkennen, steht im Spannungsverhältnis zur bisherigen Rechtsprechung, die bei kurzen Wortfolgen und Slogans eine hohe Zurückhaltung hinsichtlich der Schutzfähigkeit zeigt.

Traditionell wird betont, dass kurze Slogans oder Tweets mangels ausreichender Schöpfungshöhe keinen Urheberrechtsschutz genießen. Ein Beispiel ist der Beschluss des LG Bielefeld zu einem Tweet mit pointierter Formulierung, dem die Schutzfähigkeit abgesprochen wurde. Das Gericht argumentierte, dass kurze Texte wie Tweets oder Werbeslogans in der Regel nicht genügend Gestaltungsspielraum bieten, um die notwendige Schöpfungshöhe zu erreichen.

Auch bei Werbeslogans ist die Rechtsprechung sehr zurückhaltend. In der Praxis ist davon auszugehen, dass Werbeslogans nur in Ausnahmefällen urheberrechtlich geschützt sind. Dies liegt daran, dass Slogans häufig aus allgemein gebräuchlichen Begriffen bestehen und daher nicht die erforderliche Individualität und Originalität aufweisen. Die Rechtsprechung betont, dass ein Slogan sich deutlich von alltäglichen Formulierungen abheben muss, um als schutzfähig zu gelten.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des OLG Hamburg als Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Zwar mag die Schlagzeile durch ihre Bekanntheit und den historischen Kontext eine besondere Stellung einnehmen, doch stellt sich die Frage, ob dies allein ausreicht, um die erforderliche Schöpfungshöhe zu begründen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung eine Einzelfallbewertung bleibt oder ob sie eine neue Richtung in der Rechtsprechung einleitet.

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Datum: 29.08.2024
Aktenzeichen: 5 U 116/23
Fundstelle: ZUM-RD 2025, 181

Urheberrechtsverletzung durch Inhaltsangabe eines Romans in Lehrerhandreichung

Das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28.06.2024 – Az. 19 O 5537/23, ZUM-RD 2025, 146) hat entschieden, dass die Wiedergabe der kompletten Handlung eines Romans auf einer Seite in einer Lehrerhandreichung eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung darstellt. Die Entscheidung ist besonders relevant für Schulbuchverlage und Bildungseinrichtungen, die urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen von Unterrichtsmaterialien nutzen.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin ist ein Verlag, der umfassende Nutzungsrechte an einem Jugendroman mit dem Titel „E.“ hält. Die Beklagte, ein Schulbuchverlag, veröffentlichte eine Lehrerhandreichung mit umfangreichen Inhalten zu diesem Roman. Diese enthielt unter anderem eine ausführliche Inhaltsangabe sowie ein „Zitate-Spiel“ mit 20 wörtlich übernommenen Zitaten aus dem Buch. Die Klägerin mahnte die Beklagte zunächst ab und forderte Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz. Nach einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde Klage erhoben auf Zahlung der Abmahnkosten sowie Auskunft und Schadensersatzfeststellung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Nürnberg-Fürth gab der Klage größtenteils statt:

  • Vervielfältigung der Fabel als Sprachwerk (§ 16 UrhG): Die Inhaltsangabe gibt die wesentlichen Handlungsstränge und Beziehungsgeflechte des Romans wieder und stellt damit eine Vervielfältigung eines geschützten Sprachwerks dar. Die Fabel ist eigenständig schutzfähig.
  • Unzulässige Nutzung wörtlicher Zitate (§ 51 UrhG): Die 20 wörtlich übernommenen Zitate aus dem Roman erfüllen nicht die Voraussetzungen der Zitatschranke, da es an einer eigenen Auseinandersetzung mit dem Originaltext fehlt.
  • Keine Anwendung der Schrankenregelungen (§§ 51a, 60b UrhG): Weder handelt es sich um eine Parodie, Karikatur oder ein Pastiche (§ 51a UrhG), noch liegt eine privilegierte Nutzung im Rahmen von Unterrichtsmedien (§ 60b UrhG) vor. Die Handreichung stellt keine Sammlung i.S.d. § 60b Abs. 3 UrhG dar, da sie sich ausschließlich auf ein einziges Werk konzentriert.
  • Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 UrhG): Das Gericht bejahte die Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund fahrlässigen Handelns – insbesondere weil vor Veröffentlichung kein rechtlicher Rat eingeholt wurde.

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil verdeutlicht, dass eine Inhaltsangabe urheberrechtlich geschützter Werke, selbst in pädagogischem Kontext, rechtlich problematisch sein kann, wenn sie wesentliche schöpferische Elemente wiedergibt. Schulbuchverlage müssen bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien sorgfältig prüfen, ob die Nutzung urheberrechtlich zulässig ist oder eine Lizenz erforderlich wird. Besonders kritisch ist der Versuch, den urheberrechtlichen Schutz durch Berufung auf gesetzliche Schranken wie § 60b UrhG zu umgehen – dies greift nur bei echten „Sammlungen“ und nicht bei monografischen Lehrmaterialien.

Urheberrechtsbeschwerde ohne Rechte – LG Köln schützt Musiker vor missbräuchlichem „Copyright-Strike“

Landgericht Köln, Urteil vom 09.01.2025, Az. 14 O 387/24, ZUM-RD 2025, 136

Wenn ein Musiker ein neues Werk veröffentlicht, ist das oft der entscheidende Moment für Reichweite und wirtschaftlichen Erfolg. Umso drastischer sind die Folgen, wenn diese Veröffentlichung durch Dritte ohne Rechtsgrundlage blockiert wird – etwa durch sogenannte „Copyright-Strikes“ auf Streaming-Plattformen. Das Landgericht Köln hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass ein solcher unberechtigter Eingriff erhebliche rechtliche Konsequenzen haben kann.

Der Fall

Der Kläger, ein unter dem Künstlernamen »B.« bekannter Musiker, hatte nach der Beendigung eines Exklusivvertrags mit einem Musiklabel (der Beklagten) ein neues Musikstück („I.“) veröffentlicht. Kurz nach Veröffentlichung war der Song auf mehreren großen Streaming-Diensten plötzlich nicht mehr abrufbar. Wie sich herausstellte, hatte ein Mitarbeiter der Beklagten im Namen der R. GmbH (dem Label) bei einer Plattform einen sogenannten „Copyright Infringement Case“ eingereicht – obwohl das Label zu diesem Zeitpunkt keine Rechte mehr an dem Werk hatte.

Die Anträge des Klägers

Der Kläger beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte. Ziel war es, der Beklagten zu verbieten, sich weiterhin unberechtigt als Inhaberin von Rechten an dem betroffenen Musikstück auszugeben und weitere „Copyright-Strikes“ einzureichen.

Entscheidung des Gerichts

Das LG Köln bestätigte die bereits zuvor erlassene einstweilige Verfügung und stellte sich eindeutig auf die Seite des Musikers:

  • – Die unberechtigte Urheberrechtsbeschwerde sei ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog).
  • – Das Gericht übertrug die Rechtsprechung des BGH zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung auf das Phänomen der „Copyright-Strikes“.
  • – Gerade weil Plattformen im Zweifel schnell sperren, um eigene Haftungsrisiken zu vermeiden, sei eine solche Beschwerde besonders wirksam – und im Fall unberechtigter Geltendmachung auch besonders schädlich.
  • – Die Beklagte habe sich Rechte an einem Werk berühmt, das nach Beendigung des Vertrags mit dem Kläger entstanden war. Eine Beteiligung an der Entstehung des neuen Songs konnte nicht nachgewiesen werden.

Bedeutung der Entscheidung

Mit diesem Urteil stärkt das LG Köln die Rechte von Künstlern, deren wirtschaftliche Interessen durch missbräuchliche Rechteberühmungen massiv beeinträchtigt werden können. Die Entscheidung zeigt deutlich, dass Plattformbeschwerden kein rechtsfreier Raum sind und dass alte Vertragsverhältnisse nicht als Vorwand für neue Eingriffe missbraucht werden dürfen. Unternehmer und Content-Creator können sich somit auf den Schutz ihrer gewerblichen Tätigkeit auch gegenüber digitalen Eingriffen verlassen.

BGH: Kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch ohne Inlandsbezug

Sachverhalt

Eine Bekleidungsherstellerin klagte gegen eine deutsche Gesellschaft, die für eine Unternehmensgruppe Online-Verkaufsplattformen in Kasachstan und der Ukraine betreibt. Streitgegenstand waren 318 Produktfotografien, die über die Google-Bildersuche mit Vorschaubildern abrufbar waren und auf die ausländischen Websites verlinkten. Die Klägerin machte geltend, dass durch die Auffindbarkeit der Bilder über Google eine unzulässige öffentliche Zugänglichmachung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke in Deutschland vorliege.

Die gerichtlichen Entscheidungen

Bereits das LG Hamburg und das OLG Hamburg hatten die Klage abgewiesen. Der BGH (Urteil vom 05.12.2024, I ZR 50/24 – „Produktfotografien“) bestätigte nun die Entscheidungen und wies die Revision der Klägerin zurück.

Die wesentlichen Erwägungen des BGH

  • Zuständigkeit & Anwendbares Recht: Die deutschen Gerichte waren international zuständig, und es war deutsches Urheberrecht anwendbar, da eine Verletzung von Schutzrechten im Inland geltend gemacht wurde.
  • Kein hinreichender Inlandsbezug: Entscheidend war, dass die beanstandeten Inhalte auf Websites mit den Domains „.kz“ und „.ua“ lagen und sich diese Seiten nach einer Gesamtwürdigung (u.a. Sprache, Domainendung, Zahlungsmittel, Kontaktangaben) klar an Nutzer in Kasachstan und der Ukraine richteten.
  • Keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung im Inland: Ein bloßer technischer Zugriff aus Deutschland reichte nicht aus. Auch dass der Serverstandort in Deutschland lag oder kein IP-Blocking genutzt wurde, änderte nichts am Fehlen eines gezielten „commercial effect“ in Deutschland.
  • Übertragung der BGH-Rechtsprechung zu Marken auf das Urheberrecht: Der BGH betont, dass der Grundsatz des Territorialitätsprinzips ebenso im Urheberrecht gilt. Eine Nutzungshandlung muss sich konkret gegen das Schutzland richten, um Ansprüche zu begründen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Betreiber international ausgerichteter Webseiten. Für Rechteinhaber bedeutet sie jedoch, dass gegen über Google abrufbare Inhalte ausländischer Websites nur dann vorgegangen werden kann, wenn ein konkreter Inlandsbezug nachgewiesen werden kann. Die reine Abrufbarkeit aus Deutschland reicht nicht aus.

OLG Köln zur „Counter-Notification“ auf YouTube – Keine Haftung des Gesellschafters für Urheberrechtsverletzung der Gesellschaft

Im Mittelpunkt der Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 28.02.2025, AZ: 6 U 107/24) stand die Frage, ob ein Gesellschafter persönlich für Urheberrechtsverletzungen haftet, die durch seine Gesellschaft über einen YouTube-Kanal begangen wurden – insbesondere dann, wenn er in einem sog. „Counter-Notification“-Verfahren gegenüber YouTube auftritt.

Die Antragstellerin verlangte im Wege einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung von Videoausschnitten auf YouTube. Sie behauptete, über Nutzungsrechte an den verwendeten Inhalten zu verfügen bzw. diese in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen.

Die Anträge der Antragstellerin

Die Antragstellerin beantragte, dem Antragsgegner unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro zu untersagen, das beanstandete Video auf YouTube ganz oder teilweise öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen. Sie verwies dabei insbesondere darauf, dass der Antragsgegner im Rahmen des sogenannten „Counter-Notification“-Verfahrens bei YouTube aufgetreten sei und sich dort als Empfangsbevollmächtigter bezeichnet habe.

Was ist eine „Counter-Notification“?

Die sogenannte „Counter-Notification“ stammt ursprünglich aus dem US-amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Sie ist Teil des Verfahrens, das Plattformen wie YouTube weltweit anwenden, wenn es um mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen geht. Wird ein Video wegen eines behaupteten Verstoßes gesperrt oder entfernt, kann der betroffene Nutzer eine „Counter-Notification“ einreichen, um die Sperrung anzufechten. In dieser Gegendarstellung erklärt der Nutzer, warum seiner Ansicht nach kein Urheberrechtsverstoß vorliegt, und fordert die Wiederherstellung des Inhalts.

Wichtig: Die Abgabe einer solchen Erklärung führt dazu, dass die Plattform den ursprünglichen Rechteinhaber informiert und ihm eine Frist setzt, um gerichtliche Schritte einzuleiten. Erfolgt dies nicht, wird der Inhalt in der Regel wieder freigeschaltet.

Im Fall des OLG Köln hatte der Antragsgegner eine solche „Counter-Notification“ gegenüber YouTube eingereicht – allerdings im Namen seiner Gesellschaft. Die Antragstellerin wollte daraus seine persönliche Verantwortlichkeit ableiten. Das Gericht lehnte dies jedoch ab.

Entscheidung des OLG Köln

Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Köln und wies die Berufung zurück. Es stellte klar:

  • Keine Passivlegitimation: Die Antragstellerin konnte nicht glaubhaft machen, dass der Antragsgegner persönlich für die beanstandete Urheberrechtsverletzung verantwortlich sei. Insbesondere war er weder Geschäftsführer noch sonst operativ tätig.
  • Gesellschafterhaftung ausgeschlossen: Die bloße Gesellschafterstellung reicht nicht aus, um eine urheberrechtliche Haftung zu begründen. Eine Ausdehnung der Störerhaftung auf Gesellschafter würde gegen die Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter verstoßen.
  • Keine Indizwirkung der „Counter-Notification“: Auch die Tatsache, dass der Antragsgegner eine „Counter-Notification“ bei YouTube eingereicht hatte und sich darin als Empfangsbevollmächtigter ausgab, begründet keine Verantwortlichkeit. Dies sei lediglich als Verfahrenshandlung im Rahmen der Plattformprozesse zu werten und nicht als Eingeständnis einer Täterschaft.

Relevanz der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Köln ist für Unternehmen mit Social-Media-Präsenz und ihre Gesellschafter von erheblicher Bedeutung. Sie betont die zivilrechtliche Trennung zwischen der Gesellschaft und deren Gesellschaftern und schützt letztere vor einer Haftung für Plattforminhalte, solange keine weitergehenden Anhaltspunkte für eine persönliche Beteiligung bestehen.

Zugleich schafft das Urteil Klarheit hinsichtlich der Reichweite und rechtlichen Bedeutung einer „Counter-Notification“: Wer eine solche gegenüber YouTube abgibt, etwa als Kommunikationsschnittstelle der eigenen Gesellschaft, erklärt damit noch nicht, selbst für etwaige Urheberrechtsverletzungen einzustehen.

Kunstfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht: OLG Hamburg bestätigt Schutz fiktiver Romanfiguren trotz realer Vorbilder

In einem viel beachteten Beschluss hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 18. März 2025, AZ: 7 W 23/25, BeckRS 2025, 6014068) klargestellt, dass die Kunstfreiheit eines Romans auch dann überwiegen kann, wenn reale Personen als Vorbilder erkennbar sind – solange die Darstellung als fiktional erkennbar bleibt und keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt.

Der Fall

Ein prominentes Galeristenpaar aus Berlin verlangte im Eilverfahren die Unterlassung der Veröffentlichung des Romans „Innerstädtischer Tod“. Sie sahen sich in den Romanfiguren „Konrad Raspe“ und „Eva-Kristin Raspe“ wiedererkannt und machten eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte geltend. Die Figuren wiesen zahlreiche Parallelen zu den Antragstellern auf – unter anderem betreiben beide Paare eine Galerie in einer ehemaligen Kirche, und gegen den Antragsteller zu 1) wurden – wie im Roman – Vorwürfe sexueller Übergriffe öffentlich erhoben.

Die Entscheidung

Das OLG wies die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung zurück. Es bestätigte die Entscheidung des LG Hamburg vom 24. Februar 2025 (Az. 324 O 44/25) und stellte sich auf die Seite der Kunstfreiheit:

  • Erkennbarkeit allein genügt nicht: Auch wenn die Antragsteller als reale Vorbilder identifiziert werden können, führt dies nicht automatisch zu einem Unterlassungsanspruch. Entscheidend sei die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit.
  • Keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung: Die Romanfiguren seien deutlich fiktionalisiert, wiesen Unterschiede zu den Antragstellern auf (z. B. kein gemeinsames Kind, abweichende Altersstruktur, andere Galeriearchitektur) und seien eingebettet in ein vielschichtiges literarisches Werk mit wechselnden Perspektiven und Themenkomplexen.
  • Fiktionaler Charakter erkennbar: Der Roman erhebe keinen Faktizitätsanspruch, bezeichne sich explizit als fiktiv und enthalte einen „Disclaimer“, der auf die künstlerische Gestaltung verweist. Die Leser würden den Text als literarische Fiktion und nicht als Tatsachenbericht wahrnehmen.
  • Keine Verletzung der Intimsphäre: Selbst die expliziten Szenen – wie eine Affäre zwischen der Romanfigur „Eva-Kristin Raspe“ und einem Künstler – seien klar als Fiktion erkennbar und dienten literarischen Zwecken.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung stärkt die Kunstfreiheit und gibt Verlagen sowie Autoren mehr Sicherheit im Umgang mit realitätsnahen literarischen Werken. Auch wenn reale Personen als Vorbilder dienen, ist entscheidend, dass das Werk insgesamt als Fiktion erkennbar bleibt und keine schwerwiegende Herabwürdigung oder Bloßstellung erfolgt. Gleichzeitig mahnt das OLG zur sorgfältigen Abwägung im Einzelfall, insbesondere wenn sensible Lebensbereiche wie Sexualität oder Gesundheit betroffen sind.

Die vom Gericht entwickelten Abwägungsgrundsätze gelten nicht nur für Romane, sondern lassen sich grundsätzlich auch auf andere Kunstformen wie Theaterstücke oder Filme übertragen. Entscheidend ist stets, ob ein Werk einen Faktizitätsanspruch erhebt oder sich als Fiktion zu erkennen gibt. Auch bei filmischen Darstellungen, die an reale Ereignisse oder Personen angelehnt sind, ist daher zu prüfen, ob eine ausreichende Verfremdung vorliegt und der fiktionale Charakter deutlich wird.

Unberechtigte Weitergabe von Zugangsdaten

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit seinem Urteil vom 27.12.2024 (AZ: 19 O 556/24, GRUR-RS 2024, 39936) entschieden, dass die unberechtigte Weitergabe von Zugangsdaten zu einer geschäftlichen Datenbank eine Verletzung vertraglicher Pflichten und von Geschäftsgeheimnissen darstellt. Die Beklagte wurde zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadenersatz verpflichtet.

Sachverhalt

Der Kläger betreibt eine kostenpflichtige gesundheitspolitische Informationsdatenbank, die nur durch individuell zugewiesene Passwörter zugänglich ist. Die Beklagte, ein Unternehmen im Gesundheitssektor, hatte eine Lizenz für bis zu zehn benannte Nutzer. Entgegen den vertraglichen Bestimmungen wurden jedoch Zugangsdaten an zwei Mitarbeiter eines verbundenen Unternehmens weitergegeben, die nicht als berechtigte Nutzer registriert waren.

Entscheidung des Gerichts

Das LG Nürnberg-Fürth gab der Klage teilweise statt und entschied:

  1. Unterlassungsanspruch: Die Beklagte darf zukünftig keine individuell vergebenen Zugangsdaten an Dritte weitergeben. Dies begründete das Gericht sowohl mit einer Vertragsverletzung (§§ 280, 241 BGB) als auch mit einem Verstoß gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG). Die Datenbank und die Zugangsdaten stellen Geschäftsgeheimnisse dar, da sie wirtschaftlichen Wert besitzen und durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt sind.
  2. Auskunftsanspruch: Die Beklagte muss umfassend darlegen, an wen und in welchem Umfang Zugangsdaten weitergegeben wurden. Dies umfasst auch die Vorlage relevanter Belege. Das Gericht stützte diesen Anspruch auf § 8 GeschGehG sowie § 242 BGB.
  3. Schadensersatzfeststellung: Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte dem Kläger allen durch die Weitergabe entstandenen und noch entstehenden Schaden ersetzen muss. Der genaue Umfang ist noch zu beziffern.
  4. Abweisung der Klage in Teilen:
    • Kein Urheberrechtsverstoß: Die reine Weitergabe von Passwörtern stellt keine urheberrechtliche Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe der Datenbank dar (§ 87b UrhG).
    • Kein Wettbewerbsverstoß: Eine gezielte unlautere Behinderung nach § 4 UWG wurde abgelehnt, da die Beklagte keine Verdrängungsabsicht hatte.
    • Kein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung: Eine öffentliche Bekanntmachung des Urteils auf Kosten der Beklagten wurde als unverhältnismäßig angesehen.

Fazit

Das Urteil verdeutlicht, dass die unberechtigte Weitergabe von Zugangsdaten nicht nur eine Vertragsverletzung darstellt, sondern auch gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz verstoßen kann. Unternehmen sollten daher strikte interne Regelungen zur Passwortverwaltung und Zugangskontrolle einhalten, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

RTL muss Werbeeinnahmen offenlegen

Wie am Freitag auf der Webseite des Medienmagazins „DWDL“ berichtet, hat die Journalistin und Filmemacherin Jana Bernhardt in ihrem Rechtsstreit gegen RTL nun auch in II. Instanz vor dem OLG Köln obsiegt (Urteil vom 15.11.2024, Az.: 6 U 60/24).

Die Journalistin streitet nun schon seit längerem mit RTL über die Frage, ob die von RTL an sie für ihre Beiträge bezahlte Vergütung angemessen war oder nicht.

Die Klägerin argumentierte in dem Verfahren, dass die von RTL bezahlten Pauschalbeträge deutlich unter branchenüblichen Vergütungen gelegen und noch nicht einmal ausgereicht hätten, um alle Mitwirkenden der Produktion angemessen zu entlohnen.

Wie in solchen Verfahren gängig, klagte die Journalistin auch auf Erteilung von Auskunft. Das Besondere in diesem Verfahren:

Der Auskunftsanspruch wurde auch erstreckt auf die Offenlegung der Werbeeinnahmen von RTL, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausstrahlung der bezeichneten Sendungen geschalteten Werbung erzielt wurden einschließlich der Werbeblöcke unmittelbar davor und danach.

Wie bereits das Landgericht gab das OLG Köln nun auch der Klägerin Recht, so dass RTL zur Offenlegung der Werbeeinnahmen verpflichtet wurde.

Soweit ersichtlich, hat ein deutsches Gericht nun erstmals einen TV-Sender zu einer solchen Auskunft im Rahmen der Prüfung einer angemessenen Vergütung bzw. der sog. Bestseller-Vergütung zur Offenlegung der Werbeeinnahmen verurteilt.

Das Berliner Kammergericht war in einer im Jahre 2010 getroffenen Entscheidung (Urteil vom 13.01.2010, Az.: 24 U 88/09, ZUM 2010, 346 ff.) noch anderer Meinung und hat im Rahmen einer Klage des Headautors und Autors einiger Folgen der Serie „Der Bulle von Tölz“ noch entschieden, dass der seinerzeit verklagte Sender Sat1 dies nicht offenlegen, sondern sich entsprechende Nachvergütungsansprüche an z.B. Wiederholungshonoraren zu orientieren haben.

Der BGH hatte im Jahre 2010 den Nachrichtensender N24 im Rahmen einer Auskunfts- und Schadenersatzklage ebenfalls verurteilt, die Werbeeinnahmen des Senders offenzulegen, die während, vor und nach einer Ausstrahlung eines Nachrichtenbeitrags, in dem unrechtmäßig Ausschnitte aus einem Videofilm des Klägers eingeschnitten waren, eingenommen wurden (BGH, Urteil vom 25.03.2010, Az.: I ZR 122/08, BeckRS 2010, 24343 – „Werbung des Nachrichtensenders“).

Lt. DWDL hat das OLG Köln (überraschenderweise) die Revision zum BGH nicht zugelassen. RTL hat aber lt. DWDL angekündigt, eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH einzulegen, um doch die Zulassung einer Revision zu erreichen.

Selbst wenn das Urteil des OLG Köln rechtskräftig wird: es wird noch ein langer weg für die Klägerin: mit dem Urteil ist noch nicht final entschieden, ob die Klägerin überhaupt bzw. falls ja, in welcher Höhe an den Werbeeinnahmen beteiligt werden muss. es ist zu erwarten, dass sich RTL dagegen ebenfalls, vermutlich bis in die letztmögliche Instanz, dagegen wehren wird.

Urheberrechtliche Unzulässigkeit von Luftbildaufnahmen mittels einer Drohne

Urteil vom 23. Oktober 2024 – I ZR 67/23

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass unter Zuhilfenahme einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken nicht der Panoramafreiheit unterfallen.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im visuellen Bereich wahrnimmt. Die Beklagte betreibt einen Buchverlag, in dem sie Führer zu Halden des Ruhrgebiets veröffentlicht. Darin enthalten sind mittels einer Drohne gefertigte Luftbildaufnahmen verschiedener Kunstinstallationen auf Bergehalden. Die Schöpfer dieser Installationen haben Wahrnehmungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Publikationen der Beklagten verletzten die an den Installationen bestehenden Urheberrechte, weil die Luftbildaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit gedeckt seien. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den zu zahlenden Schadensersatz herabgesetzt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat durch die Abbildung der als urheberrechtliche Werke geschützten Kunstinstallationen in das den Urhebern zustehende Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung der Werke eingegriffen. Die Vervielfältigung und Verbreitung von mit Hilfe einer Drohne angefertigten Luftaufnahmen sind keine nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG erlaubten Nutzungen der dargestellten Werke. Die in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG geregelte Panoramafreiheit bezweckt die Freistellung der Nutzung von Werken, wenn und soweit sie Teil des von der Allgemeinheit wahrnehmbaren Straßen- oder Landschaftsbildes sind. Die bei der Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG vor seinem unionsrechtlichen Hintergrund vorzunehmende Abwägung zwischen der Informations- und Kommunikationsfreiheit der Werknutzer mit dem berechtigten Interesse der Urheber, an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke tunlichst angemessen beteiligt zu werden, geht im Falle der Nutzung von mit Hilfe von Drohnen aus der Luft angefertigten Lichtbildern in Buchveröffentlichungen zugunsten des Interesses der Urheber der fotografierten Werke aus. Diese Auslegung des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG schöpft in zulässiger Weise den bei Anwendung der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. h der Richtlinie 2001/29/EG bestehenden Spielraum aus.

Quelle. Pressemitteilung des BGH vom 23.10.2024

Wiedergabe einer Fototapete keine Urheberrechtsverletzung

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren entschieden, dass die Nutzung von Abbildungen einer Fototapete im Internet die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte an den auf der Tapete abgedruckten Fotografien nicht verletzt.

Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein von einem Berufsfotografen gegründetes Unternehmen, das von dem Fotografen angefertigte Lichtbilder als Fototapeten vermarktet.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 139/23 erwarb über eine Internetseite eine Fototapete, auf der eine Fotografie abgedruckt ist, an der die Klägerin Rechte beansprucht. Die Beklagte ließ die Tapete an einer Wand in ihrem Haus anbringen. Die Tapete war in mehreren Videobeiträgen auf ihrem Facebook-Auftritt im Hintergrund zu sehen.

Die Beklagte im Verfahren I ZR 140/23 betreibt eine Web- und Medienagentur. Sie stellte ein Bildschirmfoto der von ihr gestalteten Internetseite eines Tenniscenters auf ihrer eigenen Internetseite ein. Auf dem Bildschirmfoto ist der Gastraum des Tenniscenters mit einer Fototapete zu sehen, an deren Bildmotiv die Klägerin die Urheberrechte beansprucht.

Der Beklagte im Verfahren I ZR 141/23 verwendete eine Fototapete mit einem Bildmotiv, an dem die Klägerin Rechte beansprucht, als Wandtapete in einem Zimmer des von ihm betriebenen Hotels. Die Wandtapete ist auf einem Foto erkennbar, mit dem der Beklagte seine Dienstleistungen im Internet bewarb.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Abbildungen der Fototapeten auf Fotos und Videos im Internet verletze die ihr vom Fotografen eingeräumten Nutzungsrechte an den auf den Tapeten abgedruckten Fotografien. Sie hat die Beklagten in allen Verfahren auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten sowie im Verfahren I ZR 141/23 zusätzlich auf Auskunft über den Umfang der Verwendung der Fotografie in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Mit den vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:

Die Revisionen der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die auf § 97 Abs. 1 und 2 UrhG, § 97a Abs. 3 UrhG sowie § 242 BGB gestützten Ansprüche auf Schadensersatz, Erstattung der Abmahnkosten und Auskunftserteilung sind unbegründet, weil der durch die Beklagten jeweils vorgenommene Eingriff in das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – aufgrund einer konkludenten Einwilligung des Urhebers gerechtfertigt war.

Ob ein Verhalten des Berechtigten als schlichte Einwilligung in den Eingriff in ein durch das Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht anzusehen ist, hängt von dem objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ab. Dabei ist maßgeblich, ob es um nach den Umständen übliche Nutzungshandlungen geht, mit denen der Berechtigte rechnen muss, wenn er sein Werk Nutzern ohne Einschränkungen frei zugänglich macht.

Das Berufungsgericht ist in allen Verfahren in rechtsfehlerfreier tatgerichtlicher Würdigung und im Einklang mit der Lebenserfahrung davon ausgegangen, dass die Vervielfältigung durch Anfertigung von Fotografien und Videoaufnahmen in mit Fototapeten dekorierten Räumen sowie das Einstellen dieser Fotografien und Videos im Internet – sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen Zwecken – üblich ist und damit im für den Urheber vorhersehbaren Rahmen der vertragsgemäßen Verwendung der Fototapeten lag. Dem Urheber steht es frei, im Rahmen des Vertriebs vertraglich Einschränkungen der Nutzung zu vereinbaren und auf solche Einschränkungen – etwa durch das Anbringen einer Urheberbezeichnung oder eines Rechtsvorbehalts – auch für Dritte erkennbar hinzuweisen. Daran fehlte es in den Streitfällen.

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich auch die im Verfahren I ZR 140/23 in Anspruch genommene Web- und Medienagentur auf eine wirksame konkludente Einwilligung berufen konnte. Die Wirksamkeit einer Einwilligung setzt nicht voraus, dass sie gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff in seinen Rechtskreis gestattet. Nicht nur die Käufer von ohne Einschränkungen veräußerten Fototapeten, die ihre Räumlichkeiten damit dekorieren, Fotografien und Videoaufnahmen dieser Räume fertigen und diese im Internet einstellen, können sich auf eine konkludente Einwilligung des Urhebers in die dabei erfolgende Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der für die Fototapete verwendeten Fotografie berufen. Vielmehr können sich auch Dritte auf eine konkludente Einwilligung des Fotografen stützen, wenn ihre Nutzungshandlungen aus objektiver Sicht als üblich anzusehen sind.

Der Bundesgerichtshof hat außerdem die in allen Verfahren getroffene Annahme des Berufungsgerichts gebilligt, dass Ansprüche wegen Verletzung des Urheberbenennungsrechts gemäß § 13 Satz 2 UrhG nicht bestehen, weil der Urheber im Rahmen des Vertriebs der Fototapeten auf dieses Recht durch schlüssiges Verhalten verzichtet hat.

BGH, Urteile vom 11. September 2024 – I ZR 139/23; I ZR 140/23; I ZR 141/23

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 11.09.24